Von 1976 bis 1982 war ich Gabelstapelfahrer und Lagerarbeiter in der Fernsehfabrik Graetz in Bochum

Im Hochregallager. Sechs Jahre in der Fabrik, um die Arbeiterklasse zu organisieren. Sechs Jahre um 4.20 Uhr aufstehen: Gewerkschaft, Betriebsgruppe und abends die weitere politische Arbeit.

Woran ich mich als Erstes erinnere: dass ich nach der Schicht um 14.30 Uhr zum Kinderladen gefahren bin, Kind 1 abgeholt habe und zu Hause als Berg zum darauf Krabbeln diente, weil ich auf dem Teppich eingeschlafen war. Regelmäßig. Alle drei Kinder kamen während meiner Fabrikzeit.

Ich hatte an der Ruhr-Universität Jura studiert, alle Scheine bis auf den großen BGB gemacht, stand also kurz vor dem ersten Staatsexamen – und mir wurde klar, dass ich doch kein Rechtsanwalt werden wollte. Da wird man wie ein Sozialarbeiter gerufen, wenn etwas in die Hose gegangen ist: eine Ehe, der Job, die Wohnung weg. Ich wollte gestalten. Die Arbeiterklasse für ihre Interessen in den Streik führen, zum Beispiel. Das klappte – einigermaßen, wilder Streik bei Graetz gegen die Leichtlohngruppe 2. Dafür hatte ich fünf Jahre gearbeitet.

Diese ganze Geschichte bei Graetz ist so umfassend, dass ich hier im ersten Schritt [10. Januar 2025] diese Zeit nur streifen kann.

Im Berlin Story Bunker habe ich daraus einige Geschichten erzählt.

Ausstellungstafel zum Thema vergessene Arbeiterbewegung in den 1970er Jahren im Berlin Story Bunker im Museum „Deutschland 1945 bis heute“

 

Mein Kollege Gerd auf dem Bock im Endlager, also zwischen den fertig verpackten und zum Transport gestapelten Fernsehern. Gerd war ein begnadeter Virtuose auf der Gitarre. Er trat nie auf. Er spielte nur für sich. So einen Gabelstapler habe ich auch gefahren. Genauer: Der Schein zum Führen von Flurförderfahrzeugen = Gabelstaplern ist meine einzige abgeschlossene, dokumentierte Ausbildung. 

Die Lagerhalle war so groß und unübersichtlich, dass sie die Kollegen Ecken bauten, in denen sie sich gelegentlich zwischendurch absetzen konnten.

Theoretischer Hintergrund meiner Arbeit war die Kommunistische Gruppe Bochum, eine Sekte mit etwas mehr als 30 Leuten, fast die Hälfte Frauen, die sich zwei Ziele setzte: Die Theorie zur Revolution erarbeiten, also vor allem ein klares Bild davon schaffen, wohin es gehen soll, wie die Gesellschaft gestaltet sein sollte, damit jeder glücklich wird. Das andere war die praktische Arbeit, nämlich in die Betriebe gehen und lernen, was es bedeutet, Teil der Arbeiterklasse zu sein. Am Beispiel der folgenden Tafel erläutere ich das:

Was theoretische Arbeit bedeutet und wie wir uns an der Industriearbeiterklasse orientierten, habe ich an diesem Beispiel mit Robert Schlosser gezeigt. Wenn er im Bunker vorbeikommt, freut er sich, sich dort zu begegnen.

Meine Zeit in Bochum fing aber früher an. Erst hatte ich als Ersatzdienstleistender in Bochum im Kinderladen Eulenbaum Auf dem Aspei gearbeitet, war dann wieder in Kassel als Bundesgeschäftsführer des Verbandes der Kriegsdienstverweigerer (10.000 Mitglieder in 100 Gruppen in West-Deutschland), und kam erneut am 1. April 1973 nach Bochum – dann für zehn Jahre, bis es nach Ruanda ging.

Hier halte ich (mit den langen Haaren) am 13. September 1973 auf dem Husemannplatz in Bochum das Megafon für Rudi Wischnewski, der zum Streik bei Opel-Bochum aufruft und bald danach fliegt. 

1. Mai 1981 vor dem Hauptbahnhof in Bochum, links neben mir Lothar Henschel aus der Pilgrimstraße in Bochum, einer Seitenstraße der Wohlfahrtstraße, mit mir in der Bürgerinitiative Wiemelhausen. Bei den vor Pinochet aus Chile geflohenen jungen Leute klappte das nie. Zwei wohnten bei uns in der WG. Es klang immer nach Würgerinitiative Biemelhausen – die B und W Lautverschiebung.

Irgendwann geht es hier weiter.