Noch überhaupt nie habe ich miterlebt, wie eine Protestaktion so schnell und vollständig verpufft ist. Sie war unglaubwürdig, verantwortungslos und äußerst kontraproduktiv. Die Menschen sind den Verschwörungsgeistern nicht auf den Leim gegangen. Das freut mich! Obwohl hier überall so viele Flyer hingen wie noch. Der Checkpoint des Tagesspiegels berichtete am frühen Morgen, der rbb abends und das Bezirksamt reagierte am Nachmittag mit einer Pressemitteilung (unten) auf meine Intervention.
Lorenz Maroldt, der Chefredakteur des Tagesspiegels, berichtete morgens ausführlich und mit Link zu meinem Beitrag im Checkpoint, dem wichtigsten Newsletter Berlins, über die Engelbecken-Verschwörung. Dadurch wussten die Meinungsträger Berlins Bescheid – und der rbb. Lorenz Maroldt:
„Die Engelbeckenverschwörung“ – so könnte auch ein neuer Berlin-Thriller mit Matt Damon heißen. Es ist aber nur der Titel des aktuellen Blogeintrags von Wieland Giebel, der hier mit seinem Berlin Story Verlag residiert. Der Anlass: Flugblätter aufgeregter Anwohner, die dem Bezirksamt vorwerfen, auf Geheiß von Giebel (der sich wie andere auch hier seit Jahren engagiert) heimlich den Stöpsel im Tümpel gezogen zu haben (der Wasserstand ist seit dem Frühjahr deutlich gesunken) und ein Tiermassaker zu planen. Lesen wir mal rein…
„Am Montagabend, 13.7.20, werden die Fontänen abgestellt und über Nacht stellt das Fischereiamt zum Abfischen des Teiches Netze auf. Alles, was sich über Nacht eingefangen hat – Fische, Schildköten, aber auch die jungen Schwäne – wird dann entsorgt. Anschließend werden Raubfische eingesetzt, um die kleinen Wassertiere wegzufressen, die nicht ins Netz gegangen sind.“
Bei einer Probebefischung in dem schwer schadstoffbelasteten Gewässer wurden nach Angaben des Bezirksamts tatsächlich mehr als 150 Tiere gezählt, darunter auch ausgesetzte Exoten wie die Chinesische Wollhandkrabbe und der Afrikanische Zwergwels. Einer der Gründe für das „Umkippen“ des Engelbeckens in ein ungenießbares Phosphatgebräu: die Fütterung der Wildtiere. Und was jetzt? Welche Rolle spielt Giebel wirklich? Finden die Anwohner den Stöpsel wieder? Und gibt es noch ein Happy End? Lesen Sie Teil II der „Engelbeckenverschwörung“, hier demnächst in Ihrem Checkpoint. ENDE Checkpoint
Bald meldete sich Sabrina Wendling vom rbb. Sie hatte versucht, Gesprächspartner zu finden, aber weil die Flugblätter der Verschwörungstheoretiker nichts hatte, was man so allgemein Impressum nennt, konnte sie keinen erreichen. Ob ich die Leute von der Bürgerinitiative Waldemar-Adalbertstraße kenne? Obwohl es meine Nachbarn sein müssten – leider nein. Die wissen aber alles ganz genau, wann abgefischt wird, dass die Fische dann getötet werden, dass Raubfische eingesetzt werden, dass es nur 20 Rotwangenschildkröten sind:
Dieser Flyer wurde heute verteilt oder angebracht. Allein schon an einer kleinen Ecke des Engelbeckens waren heute mehr als 20 Schildkröten zu sehen. Und weiter entfernt sah man die Köpfe von Dutzenden weiteren aus dem Wasser gucken. Das Flugblatt hätte zur Eskalation beitragen können, ging aber zum Glück ganz unter.
Auf dem Weg vom Bus vom Oranienplatz zum Engelbecken sehe ich an jedem Haus den Flyer:
Und rund um das Engelbecken hingen die Flyer an Informationstafeln, Wänden, Papierkörben und Bänkern. Die Initiatoren hatten intensiv gearbeitet:
Sabrina Wendling vom rbb, die so intensiv recherchiert hatte, wusste, dass vom Bezirksamt eine Pressemitteilung kommen sollte. Gegen 15.30 Uhr war es endlich soweit. Die Bezirksstadträtin meldete sich, Sabine Weißler, Grüne, dass überhaupt erst im Herbst etwas passieren soll, damit das Engelbecken sein ökologisches Gleichgewicht zurückerhält, dass die Fische überwiegend in andere Gewässer umgesetzt würden , damit sich mittelfristig ein angemessener Fischbestand im Engelbecken einstellt. Geschütze Schildkrötenarten sollen nicht zu Schaden kommen. Ob sie umziehen sollen, geht aus der Pressemitteilung nicht hervor.
Noch eineinhalb Stunden bis zur Protestaktion. Der rbb drehte weiter: Das andere Problem des Engelbeckens, die niedlichen Schwäne füttern:
Ich sehe auf das Engelbecken vom Aufstehen bis zum Ende des Tages. Es gibt fast keinen Moment, an dem kein Brot verfüttert und ins Engelbecken geworfen wird. Und ich sehe das Engelbecken nicht nur, ich war ja oft drin. Früher konnte man gut auf dem festen Boden stehen und es machte Freude, in dem angenehm weichen Wasser zu schwimmen. Heute hat man eine vielleicht 30 Zentimeter dicke schlammige Schicht unter den Füßen. Es ist unangenehm, man weiß nicht, worin man da steht.
Was dann geschah, überraschte mich tatsächlich. Es passierte nichts. Gegen 17 Uhr standen da drei und vier und drei Leute herum, die sich gar nicht fanden, weil das Café am Engelbecken bei herrlichem Sonnenschein so voll war, dass sich die, die protestieren wollten, nicht sahen. Es wurden nicht mehr. Es verkleckerte sich. Das Strohfeuer verlosch unvermittelt. Ich freue mich.
Ich freue mich, weil die Flugblätter unglaubwürdig waren, verantwortungslos und kontraproduktiv. Die Kernaussagen stimmen nicht, sie sind frei erfunden. Niemand wollte Fische oder Schildkröten oder gar die jungen Schwäne „entsorgen“.
Ich halte es für verantwortungslos, den verantwortlichen Politikern und der Verwaltung so etwas in die Schuhe schieben zu wollen. Bisher haben alle auf unserer Seite gestanden. In die unmittelbare Umgebung des Engelbeckens wurden in den vergangenen Jahren 12 Millionen Euro aus den Regionalfonds investiert. Eine ungeheure Summe. Dadurch ist es hier so schön. Das Geld floss, weil es eine gute Zusammenarbeit zwischen den Bürgern, also uns Anliegern, dem Bürgerverein Luisenstadt und der Verwaltung gab – und geben soll.
Die Akteure handelten verantwortungslos, weil sie die Glaubwürdigkeit unserer Aktivitäten unterminierten – hoffentlich nicht nachhaltig. Wie sollen uns die Bewohner glauben, auf deren Unterstützung wir angewiesen sind, wie sollen Politiker und Verwaltung Vertrauen haben, wenn wir sie ungerechtfertigt vors Schienbein treten?
Davon unabhängig wäre es natürlich eine gute Idee, wenn Verwaltung und Politikerinnen sich daran erinnern, dass wir das Volk sind, das sie gewählt hat und bezahlt, dass eine konsequente, frühzeitige Informationspolitik doch eigentlich nicht so schwer sein kann – wenn man das möchte. Ich kriege das ja auch hin, hier nach meinem Feierabend und ohne Pressestelle zu sein ausführlich zu berichten, obwohl heute eigentlich etwas anderes dran gewesen wäre.