Shahed: Eine Shahed-Drohne mit westlichen KFZ-Chips
Im diesem Teil unsere Serie „Know your Enemy“ erklären wir, was im Shahed-136 Flightcomputer (bzw. dem russischen Lizenzbau Geran-2) gefunden wurde.
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Auf den ersten Blick sieht der Flight Computer der Drohne aus wie eine Industriesteuerung. Gut zu warten. Im massiven Gehäuse. Ordentlich entwickelt. Aber er wird nur einen Flug lang, wenige Stunden lang, genutzt. Dann stürzt er ab und zerschellt in der Explosion. Oft in einem Wohnhaus in der Ukraine. Warum also dieser Aufwand? Wenn man sich den Aufbau genauer ansieht, kommt man langsam darauf. „Das ist kein Sowjetdesign, kein russisches, kein amerikanisches, kein europäisches und kein chinesisches – die erkenne ich alle sofort. Das ist klar etwas Eigenes. Iranisch“, erklärt unser erfahrener Analyst. Der Aufbau erinnert eher an Industriesteuerung oder den Gerätebau für Universitätslabore. Die Entwickler schienen also aus diesem Bereich zu kommen. Aber es scheint auch einen weiteren Grund zu geben:
Westliche Chips
Mehrere der Platinen sind quasi baugleich und haben in der Mitte je einen Texas Instruments TMS320 Chip. Dieser wird vor allem im KFZ Bereich für die Signalverarbeitung genutzt. Nach tieferer Analyse stellt sich raus, dass der Computer ein Bus-System hat. Genau genommen: Den von Bosch zusammen mit Intel entwickelten Can-Bus, der vor allem aus Fahrzeug-Steuergeräten bekannt ist, aber auch sonst in der Industrie Anwendung findet.
Vermutlich in China produziert
Die Platinen, welche in dem Gehäuse stecken, sind englisch beschriftet. Dies ergibt weder für ein russisches, noch für ein iranisches Gerät Sinn. Der Aufbau und die Produktionsart deuten darauf hin, dass es massenhaft bei einem Platinenbauer in China bestellt und produziert wurde. Dieser ist dann auch für den Einkauf der Chips zuständig. Lässt man diese Platinen dann noch bei mehreren Platinenbauern produzieren, so hat jeder nur einen Auftrag für eine unauffällige Platine für ein Industriegerät. Nicht viel Rechenleistung, keine besonderen Sensoren. Ganz normal. Für einen Hersteller wie Texas Instruments kommt also eine normale Anfrage für tausende Chips zur Signalverarbeitung von einem bekannten Platinenbauer aus China. Kein Grund, stutzig zu werden. Entweder liefert der Leiterplattenhersteller direkt nach Russland, oder es gibt noch den einen oder anderen Umweg. Aber das ist letztlich unbedeutend.
Antwort von Texas Instruments
Wir fragten Texas Instruments (TI) nach einem Kommentar. Sie Antwort:
„TI lehnt die Verwendung unserer Chips in russischer Militärausrüstung und die illegale Abzweigung unserer Produkte nach Russland entschieden ab. Wir haben den Verkauf von Produkten nach Russland im Februar 2022 eingestellt. Jegliche Lieferung von TI-Chips nach Russland ist illegal und nicht autorisiert.
TI investiert viel Zeit und Ressourcen in die Bekämpfung der illegalen Abzweigung von Chips und ist bestrebt, seine Bemühungen ständig weiterzuentwickeln und zu verbessern.“
Open Source Boards
Der Transmitter der Geran-2 wirft weniger Fragen auf. Direkt nach dem Öffnen sieht man: Ein Chip sitzt schräg in der Ecke. Das sieht aus wie ein leicht abgeändertes Open-Source-Design. In unserem Transmitter fehlt jedoch eine Platine, welche der zentrale Computer des Transmitters wäre. Das Signal ist vermutlich nicht mal richtig verschlüsselt, die Drohne gegen elektronische oder Cyberangriffe kaum gewappnet. Aber dafür ist sie günstig, leicht weiterzuentwickeln und in erster Linie eine Terrorwaffe. Die Drohne wird üblicherweise in Sets von fünf von einem LKW aus gestartet. Sie hat 2,50 m Spannweite, ist 3,50 m lang und verfügt über einen MD550 Motor, welcher eine unerlaubte Kopie des deutschen Limbach Flugmotoren L-550 Motors ist.
60 kg Sprengkopf
An der Spritze befinden sich 60 kg Sprengstoff – so viel, wie in 350 Handgranaten. Die Shahed-136/Geran-2 kann von einem Piloten ferngesteuert werden, kann aber auch per Satellitennavigation einen vorgegebenen Weg fliegen. Am Ende muss sie nur eine Stadt in der Ukraine erreichen und in das Schlafzimmer argloser Zivilisten krachen. Hauptsache Tote. Hauptsache Terror.
Der Rest der Drohne entspricht aktuellem, normalem Drohen- oder Modellbau. Sowohl die Bienenwabenstruktur als auch die Verbundstoffe, mit denen der Rest der Drohne gebaut wurde.
Man sieht also, dass die Sanktionen in einer globalisierten Welt kaum einzuhalten sind. Es gibt überall Lücken, welche im großen Stil ausgenutzt werden können und es gibt viele Akteure, welche gerne wegsehen, wenn diese genutzt werden.