Darf oder soll jeder Muslim Ungläubige abschlachten – oder ist das islamistischen Kämpfern vorbehalten? Was sagt das heilige Buch dazu? Da ich mich im Islam nicht auskenne, habe ich mir in Maschhad, dem wichtigsten Heiligtum des Iran, einen kompetenten Ratgeber geholt.
Eigentlich will ich wissen: Ist der Aufruf, alle Ungläubigen zu töten, ein zentraler Bestandteil des Islam oder ist das, wie oft gesagt wird, eine Fehlinterpretation, eine Unterstellung, um diese Religion schlecht zu machen. Stehen wir im Fadenkreuz von Steinzeit-Terroristen? Oder steht die Religion insgesamt für Gewalt?
Noch konkreter stellt sich derzeit in Berlin die Frage: Können sich die militanten Sympathisanten der Hamas allmählich in Richtung Dschihad bewegen? Oder ein Teil von ihnen, also diejenigen, die sich profilieren wollen, die sich durch die Tat auszeichnen wollen?
Dieses Foto und das nächste habe ich bei meiner Reise in den Iran im Jahr 2007 gemacht. Darüber habe ich auch ausführlich berichtet. Dort gleich um die Ecke befindet sich der Buchladen, in dem ich das Handbuch zum Dschihad gekauft habe.
Im Zentrum des Schreins von Imam Reza, 2007. Es werden gerade Teppiche ausgelegt.
Warum ein Buch über den Dschihad aus dem Iran?
Der Iran ist der Pate des Terrors, der oberste Führer des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, lässt seit vielen Jahren Terrorgruppen mit Geld, Waffen und Ausbildung unterstützen: die Hisbollah im Libanon, palästinensische Terrorgruppen wie die Hamas, der Palästinensisch-Islamische Dschihad, die Huti im Jemen, die Kata’ib-Hisbollah im Irak, die Al-Ashtar-Brigaden in Bahrain. Diese Gruppen bezeichnen sich selbst als „Achse des Widerstands“, also des Widerstands gegen die Existenz Israels und der westlichen Welt überhaupt.
Warum ein Dschihad-Buch aus Maschad?
Das Heiligtum in Maschhad im Nordosten des Iran ist eine der wichtigsten und heiligsten Stätten für Muslime, insbesondere für die Schiiten. Es handelt sich dabei um das Mausoleum von Imam Reza, dem achten Imam der Zwölfer-Schia. Imam Reza wird von den Schiiten als eine heilige und zentrale Figur verehrt. Sein Grabmal ist ein Pilgerziel für Millionen von Gläubigen, die dort spirituelle Nähe und Trost suchen. Die schiitisch geprägte iranische Regierung nutzt das Heiligtum als Symbol für die Legitimität und Kontinuität ihrer religiösen und politischen Ideologie. Als eine der größten Pilgerstätten der islamischen Welt zieht das Heiligtum in Maschhad jährlich Millionen von Schiiten an. Maschhad spielt eine zentrale Rolle im spirituellen Leben der Schiiten und nimmt eine Schlüsselstellung in der religiösen, kulturellen und politischen Landschaft des Iran ein. Das Heiligtum hat eine lange Tradition der Gelehrsamkeit, und es gibt viele religiöse Schulen und Bibliotheken, die an die Bedeutung von Imam Reza und die schiitische Theologie erinnern – und eben auch den Buchladen, aus dem ich dieses Buch über den Dschihad habe.
„Die Doktrin des Dschihad im Islam“
Der Autor Dawood Ilhami betont, dass es für Menschen geschrieben wurde, die mehr über den Islam wissen wollen (S. 11). Mir liegt die 2. Auflage des Buchs von 2002 vor, herausgegeben von der Islamic Research Foundation. Die Informationen geben auch Auskunft über das islamische Recht. Dawood Ilhami sagt: „So können sie den Feinden des Islams den Mund stopfen, denjenigen, die boshaft versuchen, die Ausbreitung des Islams in der Welt aufzuhalten und zu behindern.“
„They may be thus equipped to close the mouth of the enemies of Islam, those who spitefully attempt to halt and hinder the spreading of Islam throughout the world.“
Die Struktur des Buchs lässt sich aus dem Inhaltsverzeichnis ganz gut überblicken:
Der Autor beginnt damit, den Dschihad in das allgemeine Leben der Natur einzuordnen. Ist Krieg ein Naturprinzip des menschlichen Lebens? Als Erklärung dient das Leben der Tiere: „Tiere kämpfen auch gegeneinander, wenn es ein Problem mit dem Überleben gibt … Wir kommen zu der Schlussfolgerung, dass alle Tiere, einschließlich der Hühner, der Löwen und Leoparden, sich gegenseitig bekämpfen, sobald sie auf die gleiche Art stoßen (S. 15). Die Herausforderung, das Überleben zu sichern, ist eine der großen Herausforderungen lebender Wesen. Die Kämpfe sollte deswegen als Naturgesetze gesehen werden (S. 16).“
Thus, fighting should be regarded as a natural law.
Das gilt nicht nur für die Tierwelt, sondern für die Menschheit überhaupt. „Die Idee des Krieges ist eher ein natürlicher und angeborener Impuls als eine religiöse oder soziale Praxis und kann daher zusammen mit den menschlichen Instinkten und natürlichen Tendenzen untersucht werden.“ (14) Der Kampf ums Überleben ist ein großes Kapital eines Lebewesens. Daher sollte der Kampf als ein Naturgesetz betrachtet werden, das eigentlich die Grundlage aller anderen Naturgesetze ist. Krieg und Verteidigung sind also allgemeine Gesetze des Lebens. Sie sind als Instinkte bekannt, die in den Lebewesen verwurzelt sind. Der Mensch ist da keine Ausnahme.“ (16) Und Kriege gehören zu Geschichte der Menschheit: „Wer in den Geschichtsbüchern der Welt blättert, wird kein Land finden, das nicht mit seinen Nachbarn in Konflikt geraten ist. Krieg wird von Soziologen als gesellschaftliche Institution anerkannt … Ein Gelehrter sagt: ,Es ist Gottes Wille, dass das Feuer des Krieges immer wieder entfacht wird, als wäre es eine heilende Droge, die die Schmerzen der menschlichen Gesellschaften heilt.‘“
It is God’s will to have the fire of war inflamed all the time as if it were a healing drug to cure, the pains of human societies
„Daraus folgt, dass Nationen Kriege führen, um ihr Überleben zu sichern. Auch der Islam als lebendige Religion muss seine Existenz verteidigen. Schwerter sind der Schlüssel zum Himmel und zur Hölle. Mit Schwertern werden Angreifer und Verräter getötet und in die Hölle geschickt – während die Gefallenen des Heiligen Krieges (Dschihad) in das ewige Paradies eingehen.“ (18). Imam Ali sagt: „Dschihad ist das Tor zum Paradies, zur wahren Freundschaft mit Gott“.
Oder, nochmal deutlicher formuliert: „Der Mensch fühlt sich durch das Schwert wohl und gedeiht im Schatten des Schwertes. Ohne das Schwert ist das soziale Leben unbeständig. Ja, Schwerter sind die Schlüssel des Paradieses und der Hölle; mit ihnen werden die Aggressiven und Verräter getötet und in die Hölle geschickt, während die getöteten Soldaten des heiligen Krieges (Dschihad) in das ewige Paradies eingehen werden“ (S. 24).
Warum rufen die Attentäter immer laut Allahu Akbar?
„Allahu Akbar“ ist ein zentraler Ausspruch im Islam. Verschiedene Übersetzungen sind möglich: „Gott ist groß“, „Gott ist größer“ oder „Gott ist am größten“. Oder auch, wenn man „Allah“ nicht übersetzen möchte: „Allah ist groß“, „Allah ist größer“, „Allah ist am größten“. Alle drei Übersetzungen sind sprachlich korrekt, sagen Arabisten, denn „Allahu Akbar“ ist grammatikalisch nicht eindeutig.
Der Autor Dawood Ilhami erklärt in seinem Buch: „Wenn ein Krieger zu den Waffen greift und Krieg gegen Heiden führt, ohne die Absicht zu haben, Gottes Gunst zu erlangen, würde er nicht himmlisch belohnt werden. Er würde dann nach seinem Tod nicht als ehrenhafter Märtyrer gelten. Der Dschihad ist also eine göttliche Hingabe, die ohne eine zuvor gefasste Absicht, Gottes Gunst zu erlangen, keine himmlische Belohnung erlangen würde. (25)
Ohne den Ruf „Allahu Akbar“ könnte Allah die Aktion also möglicherweise falsch interpretieren und das Tor zu den 72 Jungfrauen, das steht allerdings so nicht im Buch, würde sich nicht öffnen.
„Dieser heilige Krieg … ist ein natürlicher Kampf in Übereinstimmung mit den Gesetzen des Lebens auf der Grundlage des Rechts auf Selbstverteidigung.“ (28)
Und jetzt kommen wir auch der Frage näher, ob das alles nur für ausgewählte islamistische Attentäter gilt oder für jedermann:
„Die islamische Gemeinschaft ist daher von Gott beauftragt, ihre revolutionäre Existenz durch den Einsatz des Schwertes (militärische Gewalt) zu sichern. Einige gesegnete Verse werden aus dem Heiligen Qur’an zitiert: Und tötet sie, wo immer ihr sie findet … das ist der Lohn der Ungläubigen.“ (31)
Es ist nicht nur so, dass der Aufruf zum Dschihad für alle Muslime gibt, es geht auch bis zum bitteren Ende, bis zu dem Punkt, an dem alle anderen Regigionen ausgerottet sind und der Islam das Monopol inne hat:
„Der Dschihad ist eigentlich der notwendige heilige Krieg, den die Muslime führen. Und kämpft gegen sie, bis es keine Verfolgung mehr gibt und die Religion nur noch Allah gehört.‘
Dieses Phänomen ist keine exklusive Besonderheit des Islam. Es gäbe keine Revolution in der Welt ohne einen Hintergrund oder einen ersten Schritt des Krieges.
„Und willst Du nicht mein Bruder sein, dann hau ich Dir den Schädel ein“
Unter der Kapitelüberschrift „Die Verbreitung von Gerechtigkeit und Freiheit in der Welt“ wird die Verbreitung des Islam so umschrieben: „Die Mission des Islam ist es, Gerechtigkeit und Freiheit mit ihren wahren Konzepten in der ganzen Welt zu etablieren und auch Frieden und Sicherheit zu erhalten. Um diesen göttlichen Auftrag zu erfüllen, braucht es eine Quelle der Macht und Kraft, die diejenigen kontrollieren und bekämpfen kann, die nicht bereit sind, soziale Gesetze und göttliche Gesetzgebung zu akzeptieren. (49)
„Dieser heilige Krieg zielt darauf ab, für soziale Gerechtigkeit und Ordnung zu sorgen, das Wohlergehen der Menschen zu schützen und die Rechte der Unterdrückten zu verteidigen …“ (57)
Ein Gefährte Seiner Heiligkeit, des Propheten des Islam (s.a.w.), sagt:
„Der Gesandte Gottes (s.a.w.) schickte uns in Richtung der Heiden. Als wir das Lager erreichten, verkündeten wir den Feinden (gemäß der Vorschrift des Dschihad), dass sie sagen und rezitieren sollten: Es gibt keinen Gott außer Allah, den Einen. Wenn sie sicher sein wollten, d. h. nicht von uns getötet werden wollten, sollten sie tun, was wir von ihnen verlangten, und zum Islam übertreten…“ (61)
„Die besiegten Völker waren schließlich glücklich und wohlhabend, obwohl sie durch den Krieg nur ein wenig gelitten hatten. Sie fühlten, dass sie trotz einiger Verluste und finanzieller Einbußen Größe und Ehre erlangt hatten. Kurzum, die muslimischen Eroberer waren hilfreich für die unterdrückten Völker, die solche Segnungen wie den glorreichen Koran und den Islam nie vergessen würden.“ (148)
„Jede Reformrevolution stößt auf ihrem Weg zweifellos auf verschiedene Hindernisse. Hier kann die Frage der Gewalt und des Schwertes gestellt werden. Um seine Mission zu erfüllen, musste sich der Islam mit Hilfe des Schwertes verteidigen.“ (150)
Die hasserfüllten Gesichter der jungen Männer auf den pro-Hamas-Demonstrationen in Berlin vor Augen, diesen Text im Kopf, die Untätigkeit des Regierenden Bürgermeisters und der Berliner Innensenatorin bedenkend, fühle ich mich nicht gerade sicherer.