![perfect2](https://www.wielandgiebel.de/wp-content/uploads/2024/12/perfect2-678x381.jpg)
Auf den Beitrag von Enno Lenze „Sollten Amateure Museen machen?“ erhielten wir eine ausführliche Mail eines Besuchers. Dies nehmen wir zum Anlass, etwas genauer zu beschreiben, wie wir herausfinden, wie die Besucher die Ausstellungen im Bunker wahrnehmen und was wir optimieren können.
„Sehr geehrte Herren, sollten Amateure Museen machen? Ja, unbedingt! Vor der ‚professionellen‘ Topographie des Terrors braucht sich Ihre Ausstellung betreffs Quellen, Anschaulichkeit und auch Spannung nicht zu verstecken – ganz zu schweigen von der schlecht recherchierten Betroffenheitspädagogik im Humboldt-Forum, die nicht mehr Staunen über die Vielfalt der Kulturen der Völker vermittelt und Neugier weckt wie das alte Dahlemer Museum, sondern sich auf die gesetzliche Betreuung unmündiger Kolonialopfer verengt (und so die klassische europäische Herablassung weiterführt, auf mangelhaftem sprachlichem Niveau).
Der Verzicht auf geheimnisvolle Schubladen und interaktive Bildschirme ist sinnvoll – das Berliner Samurai-Museum hat anlässlich des Umzuges durch die Neugestaltung mit solchen Bildschirmen an Klarheit verloren.
Was macht Ihre ausgewogene Ausstellung so nötig und so wertvoll macht, ist, dass unverändert viele Zeitgenossen die Geschichte so instrumentalisieren, wie sie ihnen passt – halbe Wahrheiten sind die besten Lügen! Hoffentlich inzwischen ausgestorben sind diejenigen, für die Hitler ‚immerhin‘ die Autobahnen gebaut und die Arbeitslosigkeit bekämpft habe, oder die jeden Versuch der historischen Einordnung als ‚Relativierung‘ und ‚Aufrechnung‘ abwürgen wollten.
Die ‚Vogelschiss‘-Fraktion gibt es leider noch (und neu: ekelhafte Impfgegner, die sich gelbe Sterne auf die Brust kleben), und auf der anderen Seite den überparteilichen Gazprom-Förderverein, der Polen und Baltikum mit DDR-haften Dankadressen an die Rote Armee verstört. Darum tut es gut, sich immer wieder in guten Museen mit den historischen Tatsachen zu erden!
Wie kommen Sie auf drei Stunden Besichtigungszeit? Nach sechs Stunden trieben mich Hunger und Durst ins Freie, und dabei hatte ich den
Ausstellungsteil zur Nachkriegsgeschichte kaum angerissen und muss noch einmal kommen!“
Wir wissen zwar, wer der Leserbriefschreiber ist, kennen ihn aber nicht.
Nur noch ein weiteres Beispiel: Leserbriefschreiber treffen den Kern unserer Arbeit und beschreiben, was dadurch bei ihnen ausgelöst wird:
„Sehr geehrtes Berlin Story-Team, am vergangenen Sonntag habe ich mit meinem Sohn die Ausstellung ‚Hitler – Wie konnte es geschehen‘ im Berlin Story Bunker unter zu Hilfenahme von AudioGuides besucht.
Normalerweise bin ich es leid, solche Bewertungen vorzunehmen. Doch nach dem Besuch dieser Ausstellung fühlte ich das dringende Bedürfnis, Ihnen sofort ein dickes Lob zu übermitteln. Ich ziehe absolut den Hut vor dieser wunderbaren Ausstellung, die mit so viel akkuratem Sachverstand, fundierter Recherche und einem Blick auf eine packende visuelle Umsetzung all der geschichtlichen Daten, Quellen sowie dem zur Verfügung stehenden Bild- und Tonmaterial, realisiert wurde. Selten – eigentlich nur zweimal im meinem Leben – hat mich eine Ausstellung, noch dazu eine mit geschichtlichem Bezug so dermaßen in den Bann gezogen, dass ich buchstäblich die Zeit vergessen habe. Man wurde wie von einem unsichtbaren Sog von einem Raum in den nächsten gezogen. Das passiert selten, sehr selten. Mein Sohn und ich, wir haben beide nach über 4 Stunden Aufenthalt, erstaunt festgestellt, dass uns komplett entgangen war, wie viel Zeit wir im Berlin Story Bunker verbracht hatten. Die Aufbereitung des Themas ist wirklich in jeder Beziehung gelungen, einfach großartig.“
Besucherorientierung ist für uns der absolute Maßstab. Sonst hätten wir diese Dokumentation über den Nationalsozialismus in einem Bunker aus der Hitler-Zeit nicht machen müssen, sondern uns mit etwas andrem beschäftigt.
Aber was sollte denn in einem Museum überhaupt außer Besucherorientierung im Mittelpunkt stehen? Vielleicht kommt man da nicht sofort drauf, aber es liegt auf der Hand: Die Anerkennung in der historischen Zunft, indem man zum Beispiel Vorträge auf historischen Tagungen hält und etwas publiziert. Wie viele Aufsätze jemand publiziert hat, diese für Außenstehende lächerlich anmutende Angabe, findet sich in jedem Lebenslauf eines Historikers.
Noch wichtiger ist es, die Vorgaben der Geldgeber zu erfüllen. Der Leserbriefschreiber oben schildert es treffend: Statt Neugier auf die Vielfalt anderer Kulturen wird Betroffenheitspädagogik erwartet – und ich füge hinzu, es wird extrem langweilig. Wie kann man die großartigen Exponate asiatischer Kulturen so uninspiriert und mit unzureichenden Erklärungen ausstellen wie im Humboldt-Forum? Betroffenheitspädagogik wird von der Bundeskulturbeauftragten der Grünen, aber auch von ihrer Vorgängerin von der CDU verordnet. Wer sich als Museumsdirektorin brav an diese Vorgaben hält, hat die Chance, ein größeres Museum zu leiten.
Wir fühlen uns auch unseren Geldgebern gegenüber verantwortlich. Das sind ausschließlich unsere Besucher. Um ihre Meinung zu erfahren, haben wir mehrere Möglichkeiten: Neben den Mails, die uns regelmäßig erreichen, sind es die Kommentare auf dem Whiteboard am Ende der Ausstellung, die täglichen Gespräche mit den Besuchern und die Google-Bewertungen.
Um jeden Tag Gespräche zu führen, muss man jeden Tag da sein – nicht im Büro, sondern in der Ausstellung oder am Ende der Ausstellung. Entweder erkennen uns die Besucherinnen und Besucher, weil sie unsere Fotos gesehen haben und sprechen uns an, oder wir verwickeln sie mit offenen Fragen in ein Gespräch „Wie war es für Sie?“
Als Ergebnis dieser Gespräche optimieren wir die Ausstellung ständig. Die Frage, was die Deutschen (und die Engländer und die Amerikaner) vom Holocaust wussten oder wissen konnten, haben wir zwar ausführlich behandelt, aber wie viele von ihnen materiell von der Judenvernichtung und der Ausbeutung anderer Länder im Zweiten Weltkrieg profitiert haben, war nicht so präzise dargestellt. Genau dieser Frage geht Götz Aly in seinem im Sommer 2025 erscheinenden Buch nach „Wie konnte das geschehen? Deutschland 1933-1945“. Wir durften das Manuskript vorab lesen und haben daraus sowie aus den Fragen der Besucher eine zusätzliche Ausstellungstafel gestaltet, die gerade im Druck ist.
Es ist verpönt, Google-Bewertungen als Beleg für die Qualität eines Museums heranzuziehen. Für uns sind sie jedoch relevante Daten. Wir haben heute 5.918 Bewertungen mit durchschnittlich 4,7 von maximal 5 Sternen. Dazu kommen noch einige tausend Bewertungen auf anderen Portalen. Enno Lenze, der früher bei einem großen Marketingunternehmen gearbeitet hat, weist auf einen weiteren Aspekt hin: Wenn man Marketingleute fragt, ob ihre Ausgaben, also Anzeigen in Zeitungen oder Plakate, gerechtfertigt sind, ist die übliche Antwort „Ja“. Fragt man, ob man die Daten der Befragung sehen kann, heißt es: „Das kann man nicht messen, aber … es kommen ja Besucher“. Einfach gesagt: Es ist nicht das Geld der Marketingleute, das zum Fenster hinausgeworfen wird. Sie müssen ihren Kunden nur klar machen, dass es nicht anders geht. Online ist das anders. Wir können sehr genau messen, was unsere Werbung im Internet bringt. Offline kann man das eigentlich nicht sagen, es sei denn, man macht es so wie wir: Ständig mit den Besuchern kommunizieren.
Aktuelle Kommentare auf Google zum Berlin Story Bunker von Local Guides, also Menschen, die regelmäßig Berichte schreiben:
Ian Jones: Dieses Museum war weitaus besser als ich erwartet hatte. Es lieferte viele Einzelheiten zum Aufstieg und Fall der NSDAP und ihres Führers. Meine Frau und ich verbrachten hier 4 Stunden.
Franzi L.: Super Ausstellung, für Geschichtsinteressierte ein muss. Wir waren gestern über 3 Stunden im ersten Teil der Ausstellung und werden noch einmal für den Zweiten kommen. Wenn man wirklich alles in Ruhe anschauen möchte, Zeit einplanen.
Felicitas Hook: Sehr überzeugende Aufarbeitung der Entwicklung Hitlers und des „Warum“ seiner Gefolgschaft. Eine Lehre und auch Warnung auch noch für die heutige Zeit. Die Ausstellung ist differenziert, vielschichtig und beeindruckend. Selbst wenn man sich mit dem Nationalsozialismus schon intensiv auseinander gesetzt hat, gibt es doch noch neue Aspekte. Sehr zu empfehlen!
Sabrina L.: Wirklich eine besondere Ausstellung. Wir waren 2,5 Stunden dort. Der Audioguide ist richtig gut gemacht. Sehr empfehlenswert!
Sergio Andres Cristiano Fajardo: Eine einzigartige Ausstellung, die jeder einmal besuchen sollte. Die Details, Fotos und Daten sind hervorragend, ebenso wie die Genauigkeit und Tiefe der Recherche.
Nasser: Diese Stätte ist eine der letzten, die in ihrem ursprünglichen Aussehen erhalten geblieben ist. Der Besuch erfolgt auf natürliche Weise, indem Sie den gut sichtbaren Nummern folgen und von einem Audioguide unterstützt werden. Ein Muss bei einem Aufenthalt in Berlin ist.
Michelle Madrid: Ich war noch nie ein großer Museumsmensch und hätte daher auch nicht damit gerechnet, so in die Geschichte hineingezogen zu werden, aber der Berlin Bunker Story hat das für mich geändert! Ich dachte, es wäre ein kurzer Stopp, höchstens 30 Minuten, aber am Ende war es eine vierstündige Reise durch mehr als 40 Abschnitte, von denen jeder einen tiefer in die brutale, kompromisslose Realität der Ära eintauchen lässt. Der Audioguide war unglaublich, wie eine fesselnde StoryTelling-Session, die den Zweiten Weltkrieg mit Deutschland als Mittelpunkt auf eine ebenso erschreckende wie kraftvolle Weise zum Leben erweckte. Einige Abschnitte sind anschaulich und intensiv – definitiv nichts für schwache Nerven oder kleine Kinder. Das Fotografieren ist im Inneren nicht gestattet, sodass Sie ganz in das Geschehen eintauchen und einige Bilder und Geschichten noch lange im Gedächtnis haften bleiben. Und genau darum geht es: uns an diese dunkleren Zeiten zu erinnern und daran, warum wir nicht zulassen können, dass sich die Geschichte wiederholt! Wenn Sie eine Reise nach Berlin planen, würde ich Ihnen wärmstens empfehlen, hier anzufangen. Es gibt Ihnen eine ganz neue Perspektive, bevor Sie die anderen historischen Stätten Berlins sehen, und Sie gehen mit einer tieferen Wertschätzung für das Leben und die Freiheit, die wir jetzt haben, nach Hause.
Mark Reynolds: Fantastische Details, ich bin ein Geschichtslehrer aus Großbritannien und war sehr beeindruckt. Andere Bewertungen und Websites deuteten jedoch darauf hin, dass die Dauer 2-3 Stunden betragen würde, was viel länger ist. Wir haben über 4 Stunden gebraucht, um Teil 1 fertigzustellen. Sie müssen den ganzen Tag damit verbringen, beide Teile zu sehen, wenn Sie sich voll und ganz dafür interessieren.
Doreen Hammermeister: Sehr interessante Ausstellung. Waren als ein Erwachsener mit zwei Jugendlichen da, die die Ausstellung ebenso sehenswert einstuften. Insgesamt hielten wir uns fast drei Stunden dort auf. Es gab viele tiefgründige Einblicke in das Thema. Der AudioGuide-Sprecher brachte auch immer wieder eigene Familienerlebnisse aus der damaligen Zeit mit in den Bericht ein, was die Ausstellung noch lebendiger werden ließ.
Breingan: Ich habe meinen Besuch hier wirklich genossen. Ich war mit meinem Sohn dort, der es auch interessant fand. Gut angelegt, mit viel zu sehen und einem Headset, das beim Rundgang durch den Bunker genau die richtige Menge an Informationen lieferte. Tolles Personal. Sehr empfehlenswert!!
Zugegeben, das sind vielleicht zu viele Beispiele. Aber ich freue mich so darüber. Und die negativen? Ich erinnere mich an „Nur ein Stern, weil, die Ausstellung war hzwar ganz gut, aber ich habe keinen Parkplatz gefunden“. Oder: „Das kann man alles auch bei Wikipedia nachlesen“. Oder: „Schade, dass die Führungen nur bis 15 Uhr gehen – wer arbeitet, hat Pech gehabt“. Nur: Bei uns gibt es gar keine Führungen.
Ein letztes Thema: Führt Besucherorientierung dazu, den Besuchern nach dem Mund zu reden? Lassen wir uns zum Opportunismus verleiten? Das Gegenteil ist der Fall. Die Besucher schätzen die klare Positionierung, sie schätzen die klaren Aussagen und die persönliche Ansprache auf dem AudioGuide. Wie lässt sich das messen? Ganz einfach, an der durchschnittlichen Verweildauer von über drei Stunden. Es muss ja keiner bleiben. Besser lässt sich Besucherzufriedenheit nicht messen.