„Die Absage ist ein echter Skandal“

Ukrainischer Botschafter Melnyk fordert Genehmigung für Panzer-Ausstellung in Berlin
Zwei Museumsbetreiber wollen russisches Kriegsgerät ausstellen, Berlin lehnt den Antrag ab. Das zuständige Bezirksamt Mitte bekräftigt seine Haltung am Freitag.
TAGESSPIEGEL — Von Anna Thewalt
05.08.2022, 13:20 Uhr | Update: 04.08.2022, 17:18 Uhr
Einer der in der Ukraine eroberten Panzer Anfang Juli in Warschau.
Das Bezirksamt Mitte bleibt bei seiner ablehnenden Haltung zur Ausstellung eines im Ukraine-Krieg zerstörten russischen Panzers vor der russischen Botschaft in Berlin. Die Behörde hatte zuvor auf Bedenken hingewiesen, dass in solchen Panzern wahrscheinlich Menschen gestorben seien und die Ausstellung außenpolitische Interessen Deutschlands berühre. Das gelte weiterhin, teilte das Bezirksamt am Freitag mit.
Der ukrainische Botschafter in Deutschland hatte tags zuvor empört auf die Absage der Ausstellung reagiert. „Das zerstörte Kriegsgerät Russlands, das im Herzen Berlins ausgestellt würde, sollte den Menschen in Deutschland ein hautnahes Gefühl von dem brutalen Vernichtungskrieg vermitteln“, sagte Andrij Melnyk dem Tagesspiegel. „Daher sind die Ukrainer schockiert, dass das Bezirksamt Mitte diesen Antrag mit einer absolut fadenscheinigen Begründung abgelehnt hat.“ Die Absage sei „ein echter Skandal“, sagte der noch amtierende Botschafter.
Die Initiatoren der Ausstellung in Berlin, Enno Lenze und Wieland Giebel vom Museum Berlin Story Bunker, wollten nach eigenen Angaben mit dem Projekt ein weitreichendes Zeichen gegen den russischen Angriffskrieg senden. Sie hatten für ihren Verein Historiale den Antrag auf die Ausstellung des Kriegsgeräts vor der russischen Botschaft Unter den Linden gestellt. Das für die Genehmigung zuständige Bezirksamt Mitte hatte die Absage auch damit begründet, dass die Ausstellung „die außenpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland“ berühre.
Melnyk fordert nun, diese Entscheidung zu revidieren. „Wir rufen daher das Bezirksamt sowie ganz persönlich die Regierende Bürgermeisterin Frau Giffey und die Senatskanzlei dazu auf, diese fragwürdige Entscheidung zu überdenken und die Genehmigung für diese wichtige Ausstellung zu gewähren“, sagte Melnyk. Die Botschaft unterstütze das wichtige Projekt mit aller Kraft.
Melnyk war Anfang Juli vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj abberufen worden, fungiert aber bis zu seiner Abreise aus Deutschland noch als Botschafter in Berlin.
Konkret geht es bei der Ausstellung um mehrere von ukrainischen Kräften eroberte Panzerfahrzeuge und Granaten, die bereits zuvor in Warschau und Prag ausgestellt wurden. Doch das Bezirksamt Mitte hat den Genehmigungsantrag Anfang der Woche abgelehnt. Wenn Kunst- und Kulturausstellungen im öffentlichen Raum stattfinden sollen, braucht es zuvor eine Genehmigung durch das Straßen- und Grünflächenamt des Bezirksamts Mitte.
Bezirksamt: In Panzern sind Menschen gestorben
Mit der Ablehnung im vorliegenden Fall, so erklärte das Amt auf Nachfrage, sei man der Stellungnahme des Fachbereichs Kunst, Kultur und Geschichte gefolgt. Eine Einsicht in diese Stellungnahme war bislang – trotz Nachfrage – weder für die Antragsteller noch für den Tagesspiegel möglich.
In der Ablehnung des Amts werden zur Begründung zwei Argumente angeführt. Zum einen sei es wahrscheinlich, „dass in dem zerstörten Kriegsgerät Menschen gestorben sind und dessen Ausstellung auch daher nicht angemessen ist“. Hinzu käme, dass die Aufstellung von eroberten russischen Panzern aus einem aktuellen Krieg auf der Straße Unter den Linden „die außenpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland“ berühre.
Weiter hieß es, das Bezirksamt Mitte könnte eine Genehmigung nur im Einvernehmen nach Gesprächen mit der Senatskanzlei beziehungsweise der Bundesregierung erteilen. Eine Einbeziehung sei von den Antragstellern bislang nicht erfolgt. Ein Einvernehmen sei, so stand es weiter in der Ablehnung, „nach Gesprächen zwischen dem Bezirksamt und der Senatskanzlei auch nicht zu erwarten“.
„So wie alle Vorgänge“ prüfen
Laut Senatskanzlei hat allerdings nur ein Gespräch stattgefunden, in dem offenbar keine inhaltliche Einschätzung zu einer Entscheidung über die Ausstellung gegeben wurde. Eine Sprecherin des Senats erklärte dazu am Mittwoch, dass auf Wunsch des Bezirks am 26. Juli ein Telefonat zwischen dem Chef der Senatskanzlei, Severin Fischer (SPD), und der für den Fall zuständigen Verkehrsstadträtin, Almut Neumann (Grüne), stattgefunden habe. Dabei sei der Verkehrsstadträtin empfohlen worden, das Anliegen „so wie alle Vorgänge, bei denen es um die Nutzung öffentlichen Straßenlandes im Rahmen der bezirklichen Zuständigkeit geht“, zu prüfen.
Auf die Frage, ob die Senatskanzlei mit Blick auf eine mögliche Ausstellung des schweren Kriegsgeräts auch Gespräche mit der Bundesregierung geführt habe, gab es von der Senatskanzlei zunächst keine Antwort. Auch nicht auf die Frage, ob die Senatskanzlei die Ablehnung des Bezirksamts politisch unterstütze.
Die Initiatoren der geplanten Ausstellung hatten sich darum bemüht, die Kriegsgeräte in Berlin auszustellen, nachdem sie von den Ausstellungen in Warschau und Prag gehört hatten. Giebel und Lenze von Berlin Story Bunker stehen mit der ukrainischen Botschaft in Kontakt, um die Ausstellung zu ermöglichen. Die Botschaft wiederum hält den Kontakt zum ukrainischen Außenministerium, das nach Aussage der Botschaft Hauptveranstalter der Ausstellung der Kriegsgeräte ist.
Giebel sagte im Gespräch mit dem Tagesspiegel, er sei von der Ablehnung des Bezirksamts „enttäuscht“. Er habe damit gerechnet, dass sich das Amt dazu überwinde, sich „gegen den brutalen Angriffskrieg zu positionieren.“
Giebel wirft dem Bezirksamt „inhaltliche Zensur bei einem Kunstprojekt“ vor. Das Argument, die Ausstellung berühre Deutschlands außenpolitische Interessen, findet er „fürchterlich“. „Das würde ja bedeuten, dass Putin bestimmen kann, was hier passiert“, sagte er. Auch das Argument, in den Panzerfahrzeugen seien womöglich Menschen gestorben, will er nicht gelten lassen. „Wieso darf dann aktuell im Technikmuseum das Raserauto vom Unfall auf dem Ku’damm gezeigt werden, bei dem auch ein Mensch starb?“, fragt Giebel.
In der CDU Berlin ist man sich in der Frage, ob die Panzer-Ausstellung wünschenswert ist, nicht einig. Robbin Juhnke, kulturpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion Berlin, sagte: „Zerstörte Panzer vor der russischen Botschaft als Mahnmal gegen den Krieg – das wäre ein Signal der Solidarität Berlins mit den Ukrainern, wie wir das aus anderen osteuropäischen Städten kennen.“
Vor diesem Hintergrund habe man für die Ablehnung nach wochenlangem Schweigen wenig Verständnis. „Wir fordern den Senat auf, hier ein Machtwort zu sprechen und die Idee des Mahnmals mit ganzer Kraft zu unterstützen.“ Die Haltung des Bezirks sei unwürdig für „unsere Stadt, die wie keine andere für Frieden und Freiheit in der Welt steht“, sagte Juhnke.
Anders sieht es allerdings die stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende und europapolitische Sprecherin, Stefanie Bung. Waffen des Gegners seien kein geeignetes symbolisches Zeichen und würden vor allem Angst bei allen friedlichen Menschen erzeugen, sagte Bung. Stattdessen sollten ihrer Meinung nach Bilder von Opfern des Krieges und Fragmente der bereits zerstörten Kulturschätze als Anklage gegen Russlands Außenpolitik ausgestellt werden.
Giebel und Lenze wollen trotz der Ablehnung des Bezirksamts nicht aufgeben. Einen genauen Alternativplan gebe es zwar noch nicht, sagt Giebel. Aber denkbar sei, ein privates Gelände an einem zentralen und gut zu erreichendem Ort zu finden, der nah an der russischen Botschaft sei. Um eine Ausstellung an einem privaten Ort zu organisieren, brauche es schließlich keine Genehmigung.
Die Senatskanzlei wollte sich am Donnerstag inhaltlich nicht zur Ausstellung äußern.