Auschwitz, Krakau — August 2019
Auf der Rampe, wo die Menschen aussortiert wurden, die direkt ins Gas gingen. Das Gefühl ist gar nicht zu erfassen. Die Sonne scheint. Es ist an diesem Tag 33 Grad in Auschwitz-Birkenau. Die Bilder tauchen auf, wie die SS-Ärzte hier über den Tod sofort oder den Tod später durch Arbeit entschieden.
Heimkinder wurden zuerst vernichtet. Das war am einfachsten. Dann alle anderen: Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, Behinderte. Polen, Ungarn, Deutsche. Alte, Junge. Frauen und Männer. Am Anfang wurden sie fotografiert. Später nicht mehr.
Mehr als 1,2 Millionen Menschen wurden in Auschwitz umgebracht. Es ist der größte jüdische Friedhof der Welt. Kein „Fried“-hof, denn die Leichen wurden verbrannt und haben nach jüdischem Glauben keine Möglichkeit auf ewiges Leben.
Mit dieser Reisegruppe war ich in Krakau und Auschwitz. Organisiert hat die Exkursion die Museumsakademie Joanneum in Graz, Bettina von Habsburg. Geführt hat Dirk Rupnow, Professor am Institut für Zeitgeschichte an der Universität Innsbruck. Ich durfte vor zwei Jahren an einer Exkursion zum US Holocaust Memorial Museum USHMM teilnehmen. Dirk Rupnow beschäftigt sich seit 25 Jahren mit den Holocaust. Er hat in Yad Vashem, dem USHMM in Washington und an vielen anderen Einrichtungen gearbeitet – und mit seinen Studenten den Berlin Story Bunker besucht.
Ich bin früher da und sehe mir Krakau an. Wawel, die Residenz der polnischen Könige von 1040 bis 1795. Auch danach war das Wawel-Schloss zentraler Teil polnischer Geschichte – und 1939–1945 Regierungssitz der deutschen Besatzungsmacht im Generalgouvernement unter Hans Frank.
Es geht so. Ich hinke noch erheblich von meinem Unfall Mitte Mai 2019, als ich von einem Raser überfahren wurde.
Krakau ist voller Touristen – so wie eigentlich alle interessanten europäischen Städte. Und wie überall vertrauen sich die Menschen den Guides an.
Als es diese Zloty für das PROLETARIAT noch gab, war Kraukau nicht so schön. Ich habe einen Umschlag davon mit – und den aktuellen zu Hause vergessen. In der Bank sind sie freundlich zu mir „Das ist ja ein wundervolles Souvenir. Können Sie behalten.“ Ich freue mich, dass es Polen so gut geht. Toll wäre, wenn die Wahlbeteiligung höher läge als 51 Prozent, wovon die PIS 37,6 Prozent erhielt.
Auf einer Wiese vor der Wewel sehe ich die erste Reisegruppe von Jugendlichen aus Israel. Darum wird es noch öfters in Gesprächen geben. „Sie sind abgeschottet, haben eigene Guides und Bewacher mit, dürfen nicht mit uns sprechen.“ – Auf Youtube hingegen kann man Beiträge sehen, dass die israelischen Gruppen es in Polen und selbst in Auschwitz gelegentlich schwer haben. Ich kann das nicht beurteilen.
Unsere Führung durch Kasimierz, das historische jüdische Viertel. „Das war kein Ghetto. Es war das Viertel, in dem die Juden lebten. Ghetto nennen wir das, was die Deutschen angelegt haben.“
Die Alte Synagoge. Sie geht auf das Jahr 1407 zurück. Es geht in der Ausstellung um das jüdische Leben in Krakau, um Traditionen, Feiertage, den Jahreszyklus.
Uns begegnet hier und anschließend auf dem Friedhof wieder eine Gruppe junger Israelis.
Die jüdische Vergangenheit Krakaus ist nach dem Spielfilm „Schindlers Liste“ von Steven Spielberg aus dem Jahr 1993 erwacht. Durch den Filmtourismus wuchs das Bewusstsein über diesen Teil der Geschichte. Häuser wurden restauriert. Es entstanden Restaurants, Kneipen mit jüdischem Bezug. Heute ist Kasimierz das Szeneviertel von Krakau. Die vielen jungen Menschen, die im IT-Bereich arbeiten, tummeln sich hier abends.
Jetzt nicht diskriminieren: also für Touristen, die nicht so beweglich sind, deren Füße nicht an einige Schritte über Kopfsteinpflaster geeignet sind, die es gewohnt sind, auf Golf-Carts zu fahren, wird auch gesorgt.
Super sortiert, die Buchhandlung des Galicia Jewish Museums in Kasimierz.
Es geht um die unendliche kulturelle Vielfalt, die von den Nazis zerstört worden ist, um das jüdische LEBEN im Osten Europas, in Polen, in Galizien. Dazu würden wir gerne eines Tages im Berlin Story Bunker eine Sonderausstellung machen. So viele wichtige Geschehnisse sind in der Dokumentation „Hitler – wie konnte es geschehen“ nicht vertreten, weil es nicht direkt zum Thema passt und zu viel würde.
Das Ghetto der Nazis, einstöckige bauten, in denen die Juden zusammengepfercht wurden. Einige der Häuser stehen noch. Dort wohnen Menschen.
Wir besuchen die Emaille-Fabrik von Oskar Schindler.
Eine ganze Reihe von Golf Carts. Was wird uns da erwarten?
Es ist das original Gebäude, aber man erkennt es durch die Überbauung kaum.
Als angemeldete Gruppe geht es so. Individualtouristen haben es schwer. Es handelt sich um das am meisten besuchte Museums von Krakau. Oskar Schindler rettete in seiner Fabrik mehr als 1.200 Juden vor der Vernichtung. Der Film erhielt sieben Oscars und die Geschichte der Juden aus Schindlers Fabrik wurde weltberühmt. Thema des Museums ist „Krakau – Die Okkupationszeit 1939 bis 1945.“ Zu Schindler kommt kaum etwas. Er war Deutscher und rettete Juden. Das passt nicht so gut ins aktuelle Geschichtsbild.
Selfies vor der Hakenkreuzfahne. Ich habe hier lange gestanden und mir das angesehen. Die Hakenkreuzfahnen verführen dazu. In Deutschland sind die Fahnen verboten. Wir hatten für das Berlin Story Museum eine Sondergenehmigung des Staatsschutzes. Schriftlich. Alle Zeiten der Berlin Geschichte waren durch Flaggen gekennzeichnet. Wir haben das geändert und die Hakenkreuz-Flaggen abgenommen, weil sie – trotz Fotoverbots – immer wieder zum Fotografieren verführt haben.
Ich habe im Museum wenig fotografiert, weil es ein furchtbares Durcheinander war und ich zu dem Zeitpunkt auch noch nicht an einen Reisebericht gedacht hatte. Das Museum stellt dar, wie es den Polen zur Zeit der deutschen Okkupation ging, als 50.000 Deutsche in Krakau waren und die Stadt zu einem Nürnberg des Ostens gemacht werden sollte.
Das hier ist aber die eigentliche Geschichte. Man bekommt sie nur durch Zufall oder wirklich genaues historisches Wissen mit. Dieses Haus ist nämlich die Villa Schinders. Es steht um zwei Ecken herum und verfällt. Krakau oder Polen, ich weiß es nicht, scheint sich schwer zu tun, seine Geschichte zu würdigen.
Auch von der Rückseite ist die Villa Schindlers durchaus noch in einem restaurierungsfähigem Zustand.
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Am nächsten Tag fahren wir nach Auschwitz.
Von Krakau nach Auschwitz fährt man mit dem Bus eine Stunden Richtung Westen. Das Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau ist eine Gedenkstätte auf dem Gebiet der polnischen Stadt Oświęcim – einer ganz normale, moderne polnische Stadt mit 40.000 Einwohnern. Die Nazis nannten diese Stadt Auschwitz.
McDonalds, Kino, Shopping Mall – alles da.
Ein Busparkplatz. Es gibt mehrere davon.
Hier stehen die Individualtouristen an.
Es kommen 270 Gruppen pro Tag. Englisch starten zwei Gruppen alle 15 Minuten, die anderen Sprachen unterschiedlich. 2.1 Millionen Besucher kommen pro Jahr. Fluch und Segen. Es werden immer mehr. Das Interesse steigt – weltweit. Ein Glück. Besucher können nur mit einer geführten Tour auf das Gelände des Stammlagers.
Janos führt uns. Er ist auch Lehrer, arbeitet in Auschwitz, wann immer es geht. Er kennt sehr viel Menschen, die das Lager überlebt haben und war bei zahlreichen Fernsehsendungen dabei. Wir haben Glück. Die gute Vorbereitung und Organisation von Teresa vom Museum Joanneum hat uns überall herausragende Guides beschert. Janos sagt – wie wir im Bunker – dass sie von Guides sprechen, nicht von „Führern“.
Im Stammlager Auschwitz, wo wir uns jetzt befinden, ist die Ausstellung. Hier fing es an. Auschwitz war Arbeitslager und Vernichtungslager. Als immer mehr Menschen zur Vernichtung angeliefert wurde, als die Kriegsproduktion hochgefahren werden sollte, wurde wenige Kilometer entfernt Auschwitz-Birkenau für 100.000 Menschen gebaut. Das Vernichtungslager mit den vielen Öfen. Birkenau sollte auf 200.000 Menschen erweitert werden.
Die Besucher erhalten TourGuide-Geräte, der Guide spricht ins Mikro. Das geht auf diesem Gelände gut. Es ist morgens so voll und am Nachmittag wieder.
Die Gebäude sind erhalten und restauriert.
Das Ungeheuerlich wird auf einfachen Bild-Text-Tafeln dargestellt.
Wenige Fotos sind aus dem Konzentrationslager erhalten. Nur gelegentlich dokumentierten SS-Männer die Arbeit.
Fotografiert wurden am Anfang alle Häftlinge von drei Seiten. Die Fotografen, auch Gefangene, vergruben am Ende viele Fotos in Milchkannen.
Schlafen aus aufgeschüttetem Stroh …
auf Matratzen dicht an dicht …
… und später auf Drei-Etagen-Betten, damit mehr Internierte in jeder Baracke untergebracht werden konnten.
Ab 1942 wurde Auschwitz zum größten Zentrum der Judenvernichtung. Die beiden Krematorien lagen direkt am Konzentrationslager.
Vor den Brausen wurden die Kleider an nummerierten Kleiderhaken abgelegt, damit der Eindruck entsteht, man könne sie nachher wieder abholen.
Zyklon B wird als Granulat von oben in den Bunker geworfen. Es wird zu tödlichem Gift bei Temperaturen um 27 Grad. Zwanzig Minuten haben die Sonderkommandos noch Schreie gehört. Sonderkommandos waren jüdische Gefangene, die die Toten einsammelten und zum Krematorium brachten.
Die KZ-Menschen-Verbrennungsöfen stammten von der Firma Topf & Söhne aus Erfurt.
Die Villa von Lagerkommandant Rudolf Höß, wo er mit Frau und Kindern wohnte (siehe Pfeil) lag in unmittelbarer Nähe der Krematorien. Dort gehen die Besucher gerade hinein.
Koffer, Kinderschuhe, Eßgeschirr und Prothesen der ermordeten Sichtlich behinderte landetet unmittelbar im Gas.
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Am Nachmittag besuchen wir die Länderausstellungen in den Gebäuden. Wieder sind andere israelische jungen Menschen da.
Deutscher Terror in Griechenland.
In der von Yad Vashem gestalteten Ausstellung in Auschwitz sind auf diesen Bögen die namen von mehr als vier Millionen Juden aufgeführt, die von den Nazis umgebracht wurden. Bei den jungen Leuten aus Israel kehrt tiefes Schweigen ein und intensive Suche nach dem Familiennamen.
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Auschwitz-Monowitz. Von dem riesigen Industiegelände der IG-Farben und der Buna Werke ist nicht erhalten. Nur ein Mahnmal (links) am Rande eines Waldes. Monowitz ist weniger als sechs Kilometer von der Krematorien entfernt. Monowitz wurde bombardiert. Auschwitz nicht. „Es war kein Kriegsziel“, sagt Janos, der Guide. In „Hitler – wie konnte es geschehen“ im Berlin Story Bunker gehen wir darauf ausführlich und wenig diplomatisch ein. Die Amerikaner und die Briten wussten alles, auch wo die KZs standen. Es interessierte sie nicht so.
Es führt ein Gleis nach Ausschwitz-Birkenau durch das Tor. Innen teilen sich die Gleise. Die Gleise wurden erst im Sommer 1944 gebaut. Damals wurden die Juden aus Ungarn gebracht. 400.000 in 52 Tagen, in weniger als zwei Monaten. Sie kamen nahezu alle direkt ins Gas. Vorher mussten die Menschen einen Kilometer vom Bahnhof aus ins das Vernichtungslager laufen.
Dieses Bild ist uns eingebrannt.
Bauarbeiten. Erhaltungsarbeiten. Restaurierung einer Baracke.
Oder die Ruine bleibt erhalten.
Man kann sich vielleicht vorstellen, wie es gewesen sein muss, wenn einhunderttausend Menschen in und zwischen diesen Baracken lebten. Einzelne Viertel waren durch Stacheldraht- und Elektrozaun voneinander abgetrennt.
Fluchtversuch. Das sumpfige Gebiet sollte entwässert werden. Sumpf bedeutet auch Mücken in ungeheurer Menge, angezogen von Exkrementen und Schweiß. Sieben Gefangene konnten bei den Bauarbeiten entkommen. 20 wurden von der SS zur Vergeltung erschossen. Alle sieben wurden gefangen und umgebracht.
In einer der Steinbaracken kann man sehen, wie die Ermordung der Gefangenen durchgeführt wurde. Diese Baracke wurde von denSonderkommandos der Gefangenen „Sauna“ genannt.
Die Gefangenen kam in diesem Raum an und mussten sich entkleiden. Ihre Sachen wurden später eingesammelt und von anderen Gefangenen, den Sonderkommandos in ein Warenlager gebracht, genannt „Kanada“. Unter „Kanada“ stellte man sich ein reiches Land vor. Es waren zahlreiche Warenlager-Baracken. in denen die Sonderkommandos die Habselgkeiten sortierten. das meiste wurde ins Reich zur weiteren Verwendung für ärmere Volksgenossen geschickt.
Aus den Fenstern dieses Saals sieht man zum Wäldchen in der Nähe.
Am Kopf des Saals sitzt das Empfangs- und Registrierungskomitee – ebenfalls Gefangene. Sie lebten länger, wurden aber als Mitwisser später auch umgebracht.
Haare schneiden. Tonnenweise wurden die Haare verkauft und zu Filz verarbeitet. Das Abschneiden war entwürdigend – und der Kopf war nachher voller Wunden.
Eiskaltes Wasser, keine Seife, kein Handtuch – ab in den nächsten Raum zum Trocknen.
Die Desinfektionsanlagen mit Heißluft, mit denen Kleidung und Unterwäsche desinfiziert wurde – unweit der Gaskammern und Krematorien IV und V sowie in unmittelbarer Nachbarschaft der Magazine [Kanada], in denen die geraubte Habe der Opfer angehäuft wurde.
Links geht es eine Etage tiefer. Dort wurden Asche und Reste zusammengesammelt.
Mit diesen Karren wurde die Asche abgefahren. Sie wurde als Dünger verwendet, zum Ausfüllen von Teichen oder als Untergrund beim Straßenbau.
Für die Gedenkstätte wurden Fotos gesammelt von Menschen, von Familien, die hier verbrannt wurden.
Wie in Auschwitz I, dem Stammlager, sind einige wenige Besitztümer der verbrannten Menschen erhalten geblieben.
Die Kapazität an Vergasungen war höher als die zur Verbrennung. Das heißt, es wurden mehr Menschen umgebracht als in den Krematorien verbrannt werden konnten. Deswegen wurden von den Sonderkommandos, also von anderen Gefangenen, ganze Scheiterhaufen von Leichen angezündet. Davon gibt es überhaupt nur drei Fotos.
Der Scheiterhaufen befindet sich, wo man jetzt die Besucher stehen sieht. Diese drei Fotos wurden von einem griechischen Gefangenem namens Alex gemacht. Mehr wissen wir über ihn nicht. Er kam später auch um. Die Kamera wurde vom polnischen Widerstand eingeschmuggelt und auch wieder abgeholt. Alex fotografierte durch ein Fenster aus der Baracke. Auf dem Original, wenn es nicht so vergrößert ist, sieht man den Fensterrahmen.
Im Hintergrund dieses Wäldchens sieht man die „Sauna“ – so wie man aus dem Fenster der „Sauna“ das Wäldchen sieht.
An dieser Stelle warteten meist Frauen und Kinder, wenn Stau in der „Sauna“ war. Sie warteten, um in der Sauna dranzukommen, um ermordet zu werden.
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Der Fernsehturm. Eineinhalb Stunden Flug von Krakau. Als ich gerade bei Oskar Schindler in der Fabrik war, rief mich die Abendschau des rbb an, ob ich eine Führung an die Orte machen kann, an denen der Zweite Weltkrieg in Berlin geplant wurde. Möglichst morgen. Der 1. September sei ja schon gleich.