Die Franzosen in Berlin 1806 bis 1808

Trostlos, hoffnungslos, ins Elend gestoßen
Am 27. Oktober 1806 verließ Napoleon gegen 15 Uhr Schloß
Charlottenburg, zog am späten Nachmittag durch das Brandenburger
Tor in die Stadt ein und ritt zum Schloß. Die preußische
Armee hatte in der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt in
Thüringen eine schwere Niederlage erlitten. Das preußische Heer,
siegreich unter Friedrich dem Großen, hatte sich nicht weiterentwickelt.
Napoleons Truppen dagegen waren modern, flexibel,
und sie fühlten sich dem Gegner moralisch überlegen. Napoleon
führte keinen Kabinettkrieg, bei dem abends die Flöte herausgeholt
und mit der Kapelle konzertiert wurde, seine Feldzüge waren
von rücksichtsloser Härte. Vom zweiten bis achten Dezember 1806
wurde die Quadriga vom Brandenburger Tor geholt. Das Ausmaß
der amtlichen (quittierten) und privaten Kunstdiebstähle war erheblich.
Berlin wurde geplündert. Die Lage der Stadt erschien den
180.000 Einwohnern trostlos und hoffnungslos. Der König und die
Königin waren mit Kindern, Familie und Hofstatt längst gen Memel
geflüchtet. In diesem Buch geht es darum, was sich genau in
Berlin abgespielt hat, solange die Franzosen die Stadt besetzt
hielten.

Fünf Bücher in diesem Verlag zu diesem Thema
In diesem Verlag erschienen bereits drei Bücher, die sich mit
dieser Zeit beschäftigen. In den Erinnerungen der Oberhofmeisterin
Sophie Marie Gräfin von Voss »Neunundsechzig Jahre am
Preußischen Hofe« berichtet sie, wie Königin Luise im Dezember
1805 ihr achtes Kind bekam, wie die Königin ihrem Gemahl ins
Feld folgte und schließlich Richtung Königsberg und weiter nach
Memel floh. Beim Gespräch zwischen Königin Luise und Napoleon
war Gräfin von Voß in unmittelbarer Nähe: »Er ist auffallend
häßlich, ein dickes, aufgedunsenes, braunes Gesicht, dabei ist er
korpulent, klein und ganz ohne Figur, seine großen runden Augen
rollen unheimlich umher, der Ausdruck seiner Züge ist
Härte, er sieht aus wie die Inkarnation des Erfolgs.« (S. 239).
Walter Schimmel Falkenau erzählt im Band »Kommen und
Gehen Unter den Linden« (S. 104), wie am 18. Oktober 1806 überall
in Berlin rote Handzettel verteilt wurden »Der König hat eine Bataille
verloren. Jetzt ist Ruhe die erste Bürgerpflicht. Schulenburg.«
Schulenburg war der Gouverneur, er residierte in der Behrenstraße.
Am Tag danach floh er, wurde von empörten Berlinern vor dem
Brandenburger Tor aufgehalten, ausgeschimpft und beschwor mit
Tränen in den Augen: »Ich lasse ja meine Kinder hier!«.
Am ausführlichsten jedoch schildert Johann Christian Gädicke
im »Lexicon Berlin 1806« die Situation Berlins ganz genau vor der
französischen Okkupation. Herausgeber Michael Bienert veröffentlichte
das Buch nach 200 Jahren erstmals wieder. Es gibt keine
andere Quelle, welche die Lage Berlins zu dieser Zeit auch nur
annährend ähnlich präzise schildert. Jedes Detail der Versorgung
kommt vor, wie die Fußboten-Post ganz genau funktioniert, wie
viele Hebammen, Gärtner und Schneider es gibt und was deren
genaue Aufgaben sind. Herausgeber Bienert beschreibt ebenfalls,
wie es unter »Napoleon in Berlin« war und was die Berliner von
ihrem König hielten, nämlich »Unser Dämel sitzt in Memel«.
Buch Nummer vier halten Sie gerade in der Hand. Parallel
erscheint ein Farbbildband mit dem Titel »Napoleon in Berlin«,
unser Buch Nummer fünf zu dieser Zeit. Dr. Frank Bauer, Historiker
aus Potsdam und Experte für die napoleonische Zeit sowie

für die antinapoleonischen Befreiungskriege, trägt darin alles
zusammen, was es über die Zeit zu sehen gibt und kommentiert
ausführlich, siehe Anzeige am Ende dieses Buchs. Wir werden
uns später um den »Aufstand gegen Napoleon« kümmern.
Was erwartet Sie in diesem Buch?
Der erste Hauptteil besteht aus einem ausführlichen Bericht,
den Hermann Granier im Hohenzollernjahrbuch 1905 veröffentlicht
hat. Die Hohenzollernjahrbücher gelten bis heute als eine
der solidesten geschichtlichen Quellen. Mehr dazu hinten in »Die
Hohenzollern-Jahrbücher«. Auch die beiden nächsten Beiträge
über die Flucht der Königskinder nach Memel aus der Feder von
Friedrich Wilhelm (IV.) als Kind sowie das kurze Kriegstagebuch
von Louis-Ferdinand stammen aus diesem Hohenzollern-Jahrbuch.
Louis-Ferdinand fiel am 10. Oktober 1806. Sein Tod löste
Entsetzen in Berlin aus. Sein Sarkophag steht im Berliner Dom.
Die 27 Berichte über die Jahre von Ende 1806 bis 1808 stammen
aus einer umfangreichen Veröffentlichung über das »Berliner Leben
« aus dem Jahr 1954 (Rütten & Loening), in der Ruth Köhler
und Wolfgang Richter die hervorragend gesammelten historischen
Quellen leider aus SED-Sicht kommentieren mußten. Der
»planmäßige Aufbau des Sozialismus« war ja in der DDR gerade
auf der zweiten Parteikonferenz beschlossen worden. Das reine
Quellenmaterial wollten wir unbedingt zur Verfügung stellen.
Nach unserem Wissen ist der handschriftliche Bericht von
Kammerdiener Tamanti noch nie veröffentlicht worden. Tamanti
begleitete Napoleon durch Potsdam. Er war dazu von Friedrich-
Wilhelm III. angewiesen worden, dem Gatten von Königin Luise,
dessen Kammerherr Tamanti im (Stadt-) Schloß in Potsdam war.
Wir erfahren wie aus keiner anderen Schilderung, was Napoleon
Tag für Tag, Stunde für Stunde unternahm und wie er sich zu seinen
Leuten und zu den Deutschen verhielt. Wie Napoleon sich feiern
ließ, wie er als sein eigener Marketingstratege fungierte, beschreibt
der Beitrag von Helmut Caspar über Münzen und Medaillen.
Wieland Giebel

 

 

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