Ins Engelbecken, einen wunderbar gepflegten See in Berlin-Mitte, wurden Schildkröten und fremdartige Fische ausgesetzt. Den ganzen Tag über wird Brot für die Schwäne hinein geworfen, wodurch das Wasser schlecht wird. Jetzt ist das einst üppig wuchernde Schilf vollständig verschwunden. Die Lebenswelt der Schwäne und Enten schrumpft. Verschwörungstheoretikerinnen machen gegen das Bezirksamt mobil, das eigentlich die Situation zu retten versucht. Ich soll das alles angeordnet haben. Seit heute hängt ein Mobilmachungs-Flugblatt an den Häusern und Bäumen – siehe unten.
Und darum geht es: Seit heute, also Sonntag, dem 12. Juli 2020, hängt hier überall an den Haustüren und an den Bäumen dieses Flugblatt mit Aufruf zur Mobilmachung, denn „alle Fische und Schildkröten werden getötet … aber auch die jungen Schwäne werden dann entsorgt … Anschließend werden Raubfische eingesetzt. Seit einigen Wochen hat das Engelbecken einen extrem niedrigen Wasserstand. Die Ursache hierfür ist nicht bekannt.“
Was war passiert? Vor vier Tagen schrieb Frau A:
Hallo, war grad am Engelbeckenteich. Kinder, mit dem sinkendem Wasserstand stimmt was nicht…. Der Wasserstandsanzeiger an der Uferböschung unter der großen Weide ist weg….? Der Wasserstand ist von mir eben persönlich in der Höhe des Wasserstandsanzeiger gemessen worden und beträgt lediglich noch 45cm, so niedrig wie noch nie.
Ich habe (mit nichtwissen!) das Gefühl, dass das Bezirksamt irgendwo ne Stelle hat, wo die heimlich das Wasser abpumpen, um später sagen zu können, dass das nun alles sowieso nichts mehr mit dem Teich wird…etc.pp..
Die haben schon lange vor, den Teich, der für sie eine Kloake ist, wie sie selbst sagen, trockenzulegen. Und weil sie das nicht offen machen können, da sie wissen das dann hier bei den Anwohnern in der Umgebung die Luft brennt, machen die das heimlich, denke ich … „
Der Wasserstandsanzeiger ist noch da, wo er immer war. Hier mach ich ihn gerade sauber, weil er voller Algen war. Das war vor zwei Jahren. Jetzt ist einfach allmählich die Farbe abgeblättert.
Hier kann man das (etwas später) schon sehen.
Das Wasser wird nicht heimlich abgepumpt. Wie soll das passieren? In den nächsten Mails wird das auch deutlich. Auch, dass die Wasserleitung, nicht Abwasserleitung, einfach zu einem Wasserhahn zum Gießen führt.
Die Diskussion geht über Whatsapp und Mails.
Aber zunächst Frau B dazu:
„Betreff: wasserstand
hallo leute, gegen 9 uhr habe ich mit herrn XOXOX vom grünflächenamt mitte telefoniert, mit der nachfrage, warum am engelbecken wasser abgepumt wird.
antwort: am 14.7. soll eine „abfischung“ (vom fischereiamt ) stattfinden.
ich sagte ihm, daß der wasserspiegel pro tag ca. 10 cm sinkt und daß, wenn es gestern nicht zufällig geregnet hätte, das engelbecken am wochenende leer gewesen sei !Kann jemand diesen Irrsinn stoppen?
Frau C:
Die These ist: Ich, Wieland Giebel, sehe die Männer vom Fischereiamt und statt mich vorzustellen und zu fragen, um was es geht (eine Analyse des Bestands), gebe ich die Anweisung, dass Schildkröten und Fische umgebracht werden. Das Fischereiamt kommt dem nach, der Bezirk Mitte auch, die Bezirksvertretung Mitte sowieso – es scheint mir, als läge hier ein sehr eingeschränktes Demokratieverständnis vor, wie so etwas in Deutschland, in Berlin, im Bezirk entschieden wird. Statt dessen bin ich der Puppet Master, der hinter allem steckt und die Fäden zieht.
Die Untersuchung der Wasserqualität läuft jedoch bereits seit weit mehr als einem Jahr.
Dieses Foto ist aus dem Jahr 2019. Es handelt sich um eine Probebohrung, durch die festgestellt werden sollte, wie der Boden beschaffen ist und ab wann die Mergel-Schicht beginnt. Einige Zeit später wurden Wasserproben entnommen. Das muss mehrmals geschehen. Klar ist aber, dass das Engelbecken sehr gut mit Sauerstoff versorgt ist, nämlich mit 9,8 mg/l (sofern ich mir die Maßeinheit richtig gemerkt habe).
Wie eigentlich immer kümmert sich das Grünflächenamt mit Zuneigung um die Entwicklung des Engelbeckens. Man merkt das ja auch schon daran, wie intensiv die Grünanlagen gepflegt werden und mit welche Intensität die Müllbeseitigung mehrmals in der Woche vorgenommen wird. Frau Tielscher vom Grünflächenamt, die das Engelbecken aus eigener Anschauung und seit vielen Jahren kennt, antwortet am 10. Juli 2020, vor zwei Tagen – und das Schreiben wurde sofort an alle Beteiligten weitergeleitet:
„Sehr geehrte Frau D,
auf Ihre Anfrage möchte ich Ihnen antworten :
Der Wasserstand im Engelbecken ist, wie bereits vor längerer Zeit
aufgrund vorhandener Unterlagen dargelegt, seit der letzten
Wiederherstellung / Vertiefung unmittelbar grundwasserabhängig. Dies
wird durch die vorhandenen Zwischenablesungen der an allen Ecken
eingebrachten Beobachtungsrohre bestätigt. Deren Messwerte M
korrespondieren mit der nahe gelegenen
Grundwasserdauerbeobachtungsstelle 585 der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz. Kleinere Abweichungen nach oben im Becken sind auf kurzzeitige Niederschlagsereignisse zurückzuführen, die sich aber wie im System der verbundenen Gefäße wieder mit dem allgemeinen Grundwasserhorizont ausnivellieren. Insofern ist auch eine
Beaufschlagung von Grund- oder Leitungswasser wirkungslos. Bei einer
Erhöhung um 20 cm müssten immerhin ca. 2 Mill. Liter herein gepumpt
werden, die dann wieder im Untergrund verschwänden. Das dürfte auf die
Dauer weder nachhaltig noch finanzierbar sein. Der Grundwasserspiegel
und somit auch der Wasserspiegel im Becken sind seit März
kontinuierlich um ca. 25 cm gefallen. Das darf bereits jetzt
festgestellt werden, auch wenn die Untersuchungen des tieferen
Beckenuntergrundes und die Beprobung des beckennahen Grundwasserstandes bzw. des Wasserstandes im Becken noch nicht abgeschlossen sind. Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden Ende dieses Jahres mit den bereits seit Herbst 2019 vorliegenden geologischen Untersuchungen sowie zur Wasserqualität und Schadstoffbelastung des Sediments ausgewertet.
Danach ist die Vorstellung im Ausschuss Umwelt, Natur, Verkehr und
Grünflächen der Bezirksverordnetenversammlung vorgesehen.
Eine Probebefischung durch das Fischereiamt ergab einen völlig
überhöhten und unausgewogenen Fischbestand. Allein bei dieser
Befischung wurden bereits über 150 Tiere ermittelt, darunter auch
Exoten, wie der Afrikanische Zwergwels. Gegenwärtig finden mit dem
Fischereiamt Abstimmungen statt, um die Abfischung und einen moderaten
Raubfischbesatz vorzubereiten.
Im Hinblick auf Schildkröten gibt es noch keine abschließende
Entscheidung, sie wird in Abstimmung mit der Obersten Behörde für
Naturschutz und Landschaftspflege zu treffen sein.
Mit freundlichen Grüßen
Heike Tielscher
Bezirksamt Mitte von Berlin, Abt. Weiterbildung, Kultur, Umwelt,
Straßen- und Grünflächenamt“
Die MitarbeiterInnen des Cafés am Engelbecken haben mehr als 50 Schildkröten gezählt. Diese haben keine natürlichen Feinde, fressen aber viel Grünzeug und Wurzeln.
So wie die Chinesische Wollhandkrabbe wurden auch andere Tiere ausgesetzt. Ich dachte, es seien japanisch Koi, also Zierkarpfen. Es ist aber eine andere, ähnlich Art (vergessen).
Auch die zuständige Bezirksstadträtin für Umwelt von Mitte, Sabine Weißler, hatte bereits am 18. Mai 2020 erklärt:
„Zur Bewertung der Wasserqualität gibt es sich keine Änderung gegenüber früheren Einschätzungen. Es handelt sich um ein polytrophes/hypertrophes Gewässer mit deutlich erhöhtem Phosphatgehalt, also mit sehr hoher Nährstoffbelastung. Phosphat gelangt primär durch Fütterung und Wasservogelkot ins Engelbecken und verschwindet nicht ohne weiteres daraus, sondern wird regelmäßig aus dem Substrat remobilisiert. Ein Überschuss an Phosphaten ist der Hauptgrund für Algenblüten und das sogenannte Umkippen von Gewässern.
Wie nicht anders zu erwarten, waren 2019 bei der Einmal-Messung auch die coliformen Keime etwas erhöht. Die tatsächliche Schadstoffbelastung hat sich seit den Messungen im Rahmen der seinerzeitigen Wiederherstellung etwas verringert, spielt aber, da partikelgebunden im Substrat fixiert, kaum eine Rolle.
In der seinerzeitigen Diskussion im Café am 5. März 2019 wurde seitens des Umwelt- und Naturschutzamtes bereits darauf hingewiesen, dass der von Bürgerinnen und Bürgern geplante Versuch zur Etablierung von Schilf äußerst geringe Erfolgsaussichten hat. Dies hat sich nun leider auch bewahrheitet. Die Gründe dafür sind:
– die Etablierung von Röhricht muss vom flachen Ufer aus bei minimaler Tiefe erfolgen, da sonst bei Beschädigung von Halmen Fäulnis eintritt
– die schlechte Wasserqualität begünstigt die Fäulnisprozesse
– Verbiss von Röhricht durch Wasservögel durch unzureichende temporäre Schutzmaßnahmen …“
Hauptursache der schlechten Wasserqualität ist das Füttern der Schwäne. Vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang werden Menschen Brot ins Engelbecken, ungeheure Mengen. Vom Verlag aus sehe ich das täglich. Durch freundliche Ansprache, Nachbarn haben das oft versucht, sind die Menschen nicht zu bremsen.
Das alles wissen die Aktiven. Um das Engelbecken kümmert sich traditionell der Bürgerverein Luisenstadt, dessen Mitglied ich bin und der entscheidend dazu beigetragen hat, dass das Gartendenkmalamt (Klaus von Krosigk und Klaus Lingenauber) sowie das Grünflächenamt Mitte so intensiv am Engelbecken und Luisenstädtischen Kanal gearbeitet haben. Daneben gibt es eine Reihe von Aktiven, die sich ums Engelbecken kümmern, aber nichts von Vereinen halten und sich über eine Whatsapp-Gruppe organisieren. Zusätzlich gibt es noch Anwohner, die beides nicht so leiden können. Meine Versuche, diese extrem individualistischen Haltungen irgendwie unter einen Hut zu bringen, nur irgendwie zu koordinieren, scheiterten.
Der Flyer, der heute verteilt, angeheftet und über möglichst viele Medien verbreitet wurde, hat für helle Aufregung gesorgt. Verbreitet werden Fake News, üble Verleumdungen oder man könnte auch einfach sagen: dummes Zeug. Verantwortlich werden auf dem Flyer namentlich genannte Menschen gemacht, bei denen man sich beschweren soll, die sich jedoch seit Jahren für die gute Entwicklung des Engelbeckens und des Parks Luisenstädtischer Kanal einsetzen.
Heute Morgen um 9 Uhr, als ich zur Arbeit lief und vom Flugblatt noch nichts wusste, sah es so aus:
Das macht nicht gerade einen verwahrlosten Eindruck. Morgen, am Montag, zum Zeitpunkt der auf dem Flyer angekündigten Aktion bin ich noch auf Arbeit, versuche aber zu berichten.