Februar 2022. Der Knüppeldamm am Molkenmarkt wird freigelegt. Mit fast 100 Metern ist es die älteste, sehr gut erhaltene Straße Berlins, eine handwerkliche Spitzenleistung aus Eichen-, Birken- und Kieferstämmen, an der 1238 viele Menschen mitgearbeitet haben. Die Denkmalpflege Berlin lässt ein Sägemassaker zu und nennt es „fachgerecht bergen“. Eine Versorgungsleitung wird gelegt. Dafür werden 800 Jahre Geschichte zerstört.
800 Jahre alt ist das Exponat des Knüppeldamms in der Vitrine im Berlin Story Bunker – geborgen im Februar 2022 an einem Sonntagmorgen auf der verlassenen Baustelle. Das Stück Holz lag da herum und wurde so zum Ausstellungsstück.
Die Konstruktion des Knüppel oder Bohlendamms ist aufwendig. In drei Schichten liegen die gezimmerten Stämme übereinander. Ein einzigartiges Zeugnis der Stadtgeschichte wurde zerstört.
Ich hatte beim ersten Besuch den Eindruck, dass ordentlich untersucht und konserviert wird. So stand es auch in der Zeitung, so kam es im Fernsehen. Der Kultursenator sowie der oberste Denkmalschützer immer vorneweg, gut im Bild.
Hier geht es um einen kleinen Abzweig. Auch das alles ist hervorragend erhalten und wurde damals sorgfältig, gekonnt und offenbar mit großer Erfahrung verzahnt.
Bei meinem nächsten Besuch, als ich nochmal in Ruhe aus einer anderen Perspektive fotografieren wollte, waren die Stämme einfach abgesägt. Ein Massaker.
Frisch angeschnitten. Es hatte noch keiner gesehen. Ich informiere die Medien und Maritta Tkalec von der Berliner Zeitung nimmt die Geschichte auf – aus ihrem Urlaub heraus. Für sie ist es ebenso unfassbar wie für mich.
Berlin-Mitte – Es war der größte und bedeutendste Fund, der je aus der Entstehungszeit Berlins ans Licht kam: eine 800 Jahre alte, aus Eichen-, Kiefer- und Birkenstämmen geschickt in drei Lagen zusammengefügte Straße, die nahe der Spree eine sichere Passage vom Mühlendamm in Richtung Stralauer Tor über den sehr nassen Untergrund ermöglichte. Die Spitzenleistung der frühen Berlin-Erbauer überdauerte die Jahrhunderte in 2,50 Metern Tiefe im feuchten Untergrund. Bei den Grabungen am Molkenmarkt hatten die Archäologen mehrere Straßenschichten abgetragen, bis sie feststellten: Unter dem Asphalt liegen einzigartige Zeugnisse. Als der Fund im Januar der Öffentlichkeit präsentiert wurde, herrschte Begeisterung: „Dieser Straße sind ihre 800 Jahre definitiv nicht anzusehen“, sagte Landesarchäologe Matthias Wemhoff und Kultursenator Lederer: „Es ist wirklich ein echter Knaller, denn hier ist die Wiege dieser Stadt.“
Am Sonnabend früh machte Wieland Giebel, Leiter des Berlin Story Museums, das hier zu sehende Foto vom Sensationsfund: Auf etwa vier Fünfteln des insgesamt 80 Meter langen Holzwegs sind die langen Mittelteile der Bohlen herausgesägt. Nur ein kleines Stück blieb unversehrt: Rechts und links blieben die nicht ausgegrabenen Endstücke des etwa sechs Meter breiten, in drei Holzlagen errichteten Damms liegen. Wieland Giebel war entsetzt: „Da wird ein beeindruckendes Bauwerk zerstört“, sagte er der Berliner Zeitung. Vor allem die geschickten Verzahnungen der Hölzer nötigten dem Museumsmann Respekt ab. Nun vermisst er den Aufschrei der Archäologen, die das Bauwerk doch sichern müssten: „Das muss doch an anderer Stelle bewahrt werden, wenn es schon an der ursprünglichen nicht geht“, sagt Giebel verzweifelt und sieht auch Kultursenator Klaus Lederer in der Pflicht, sich um einen angemessenen Umgang mit dem Bauwerk zu kümmern. Tatsächlich machten die Zuständigen, darunter Matthias Wemhoff, bei einer Besichtigung am vergangenen Mittwoch am noch unversehrten Damm einen tief betrübten Eindruck angesichts der Erhaltungsperspektiven …
Der Verein für die Geschichte Berlins nimmt die Sache in der Mitgliederzeitschrift auf und richtet eine Protestschreiben an den Kultursenator – zu spät. Dieser Frevel ist nicht rückgängig zu machen.
Hier erkennt man gut die sorgfältig gearbeiteten Ebenen des Damms der offenbar für schweres Gefährt und sustainable, für lange Zeit gebaut wurde.
Die Berlin Story war bei zahlreichen Ausgrabungen dabei, hat Bücher dazu herausgegeben und Öffentlichkeit hergestellt.
September 2007. Die Archäologin Claudia Melisch zeigt Museumsdirektor Enno Lenze (weiße Hose) und MitarbeiterInnen der Berlin Story die Ausgrabungen an der St. Petri-Kirche, am Petriplatz, kaum 500 Meter vom Knüppeldamm entfernt. Gebeine von 3872 Personen, die zwischen 1200 und 1717 starben, werden gefunden. Wir bitten Claudia Melisch, für den Berlin Story Verlag ein Buchüber ihre Ausgrabungen zu schreiben.
August 2012. Berlins ältestes Schwein hat 1174 gelebt, also 50 Jahre vor der Ersterwähnung der Stadt. Es wurde nur 30 Meter südlich des Knüppeldamms unter dem heutigen Hotel Holiday Inn gefunden. Die Archäologen waren so freundlich, das Schwein für dieses Foto freizulegen. Wir schließen aus den verkohlten Stellen, dass Berlin mit einer Grillparty anfing.
August 2010. Vor dem Neptunbrunnen wird der Neue Markt ausgegraben. Ich war auf dem öffentlich nicht zugänglichem Turm vom Roten Rathaus, um diese Aufnahme machen zu können.
Sommer 1998. Franziska bietet Brötchen an – geschmiert und belegt in der Berlin Story Unter den Linden. Die Berlin Story hat dieses Fest zu 555-Jahre-Bau des Schlosses mitorganisiert – ein Beitrag, den Wiederaufbau des Schlosses populär zu machen. Während dieser Ausgrabungen haben wir zusammen mit dem Schlossverein von Wilhelm von Boddien Führungen durchgeführt. Wo auf dem Foto die Achterbahn zu sehen ist, steht jetzt das Schloss.
September 2011, Ausgrabungen am Jüdenmarkt, 50 Meter vom Knüppeldamm entfernt. Dort war das jüdische Viertel Berlins.
Führungen in den Ausgrabungen des Jüdenhofs, der zwischen dem Roten Rathaus und dem Stadthaus liegt.