Es geht bei dieser Konferenz vom 16. bis 18. März 2023 um den Bau und die heutige Nutzung von Bunkern in Europa. Ich lerne, dass Barcelona die erste systematisch bombardierte Stadt Europas war – lange vor dem Zweiten Weltkrieg. Die italienischen Faschisten zur Zeit von Mussolini wollten damit den spanischen Faschisten um Franco im spanischen Bürgerkrieg (1936 bis 1939) helfen.
In andalusien360.de heißt es: Vom 11. bis 18. März 1938 bombardieren italienische Bombenflugzeuge auf Befehl Mussolinis die Zweimillionen-Stadt Barcelona. Mussolini ist begeistert, „dass die Italiener einmal zur Abwechslung die Welt durch ihren Angriffsgeist in Schrecken versetzen, statt sie immer nur mit ihrem Lautenspiel zu amüsieren.“ Seine Militärexperten vor Ort sehen es nüchterner: „Der spanische Krieg hat gezeigt, dass die Zivilbevölkerung durch Luftangriffe nicht demoralisiert werden kann. Das Bombardement auf Barcelona war ein Fehlschlag.“
In diesem Beitrag geht es um die Tagung selbst, aber auch um Bunkertouren, die aktuelle Stadtplanung und zunächst um eine Menschenpyramide.
Am Abend des letzten Konferenztags, am Freitagabend, traf sich im Hof vor dem Tagungsraum eine Gruppe, die katalanische Menschentürme probte. Ich sah drei Durchläufe mit unterschiedlichen Akteuren von ESQUERDATS. Diese wenigen Minuten waren für mich das eindrücklichste Erlebnis in Barcelona. Hier sieht man einen dieser Menschentürme wachsen, einen dieser Castellers.
In meinen Augen strahlt dieser Menschenturm Stärke, Akrobatik und Mut aus, aber noch mehr: Das gegenseitige Vertrauen muss absolut sein. Man könnte das – unzureichend – als Teamarbeit bezeichnen, bei der sich jeder Einzelne voll auf seinen eigenen Beitrag konzentriert. Das Mädchen in der gelben Jacke macht das in höchstem Grad deutlich. Vergleichbar sind die Castellers mit Rudern und Chorsingen: Gleichklang verbunden mit individueller Höchstleitung. Macht nur einer einen Fehler, kommt beim Rudern aus dem Takt oder setzt im Chor falsch ein, schwindet das gesamte Ergebnis dahin. Katalanischer Menschenturmbau ist übrigens seit 2010 UNESCO-Weltkulturerbe. Im „Coordinadora de Colles Castelleres de Catalunya“ sind 60 Colles vertreten.
Der Kontrast zwischen denen, die hier auf dem Hof eine persönliche Herausforderung annehmen und denen, die dahinter im Saal EU-finanziert zusammenkommen, für die die Anzahl der veröffentlichten Artikel das Maß aller Dinge ist, erscheint mir eklatant.
Seltsamerweise geht es im Saal bei den Wissenschaftlern auch um body experience, nämlich darum, wie sich Bombenerfahrung im Körper festsetzt und über Generationen weitergegeben werden kann. We have all our body experience. How we experience with our body is very important. Das Beispiel von einer Frau, die nach dem Krieg bei jedem Flugzeug noch einen Bomber hört, oder, so ein britischer Forscher, was es bedeutet, im Bunker zu sitzen. Überhaupt, die Gefühlslage scheint eine besondere Bedeutung zu spielen. „Die Menschen sollen ein Gefühl dafür entwickeln, was es bedeutet, im Bunker zu sein.“ Geht das in unserer Wohlstands-verwöhnten, satten und wohlhabenden Gesellschaft? Ich kann nicht beurteilen, ob das eine Strömung der Geschichtswissenschaftler ist, die ich nicht so mitbekommen habe, oder ob es sich nur hier konzentriert. Mir erscheint das Thema ausgelutscht. Wir haben Bücher herausgegeben wie „Bomben auf Berlin“ 50 Berichten damaliger Kinder oder Jugendlicher im Nachhinein (Anfang 2000er) sowie zahlreiche Originaldokumente, Biographien von damals. In einem Punkt gleichen sich die Aussagen: Auch wenn sich die Autoren in der Bombensituation als Opfer sahen, war ihnen klar, dass der Krieg von Berlin ausgegangen war und nun nach Berlin zurückkam. Social Media Kanäle danach zu durchforsten, wie sich Menschen im Krieg heute fühlen, scheint mir eine der typischen Arbeiten junger Akademikerinnen zu sein. „Darüber habe ich viel veröffentlicht.“ Mit dem Allerwertesten im warmen Sessel verhaftet bleiben und dabei den Master über ein aktuelles Flüchtlingsproblem machen.
Erschlossen hat sich mir einiges nicht. Ich bewundere die Sprechgeschwindigkeit von Katalanen und besonders Katalaninnen.
Sie sind drei- bis viermal so schnell, wie die exzellenten Übersetzerinnen – und gnadenlos. Gnadenlos gegenüber den Frauen in der Übersetzerbox und rücksichtslos gegenüber dem nicht katalanisch sprechendem Publikum, das zu dieser internationalen Konferenz eingeladen wurde. So, als hätten sie noch nie auf einer Konferenz gesprochen.
Es scheint, dass ich generell allergisch bin gegenüber solchen steuerfinanzierten Wissenschaftlern und Veranstaltungen, die meinen, mir und den anderen Teilnehmern in einem Vortrag erläutern zu müssen, was der Unterschied zwischen Memory, Heritage und History ist. Vorurteil oder Empirie gegenüber gesellschaftlicher Untätigkeit hinter der Maske des unabhängig Forschenden? Ich weiß nicht. Ist mir eigentlich auch egal.
Interessant allerdings war für mich die Arbeit eines Fotografen, Richard Martinez, der Fotos von damals an Orte heute stellt. „Size matters„.
Neben der eher akademischen Beschäftigung mit Bunkern ging es in drei Fällen um echte, jetzt genutzte Bunker, alle drei in Berlin. Also wir, Berlin Story Bunker, unsere quasi unmittelbaren Nachbarn The Feuerle-Collection mit dem absoluten Kontrastprogramm sowie die Berliner Unterwelten.
In einer Präsentation von 15 Minuten alles vom Bau des Bunkers am Anhalter Bahnhof, Hitlers Regierungsbahnhof, über den Krieg, die Senatsreserve bis zu „Hitler – wie konnte es geschehen“, das Museum über Deutschland von 1945 bis heute, die Ausstellung über Memes sowie die Besuche von Botschaftern und Militärs zu berichten, den Panzer vor der russischen Botschaft und unsere Lieferungen in die Ukraine nicht zu vergessen, das ging – sehr gut vorbereitet.
Seltsam: die Historiker klagten zwar durchgehend, keinen oder einen zu niedrigen Etat für Projekte zu erhalten, fragten aber nicht, wie man so etwas finanziert. Ihnen kommt die Frage gar nicht in den Sinn, Projekte so anzulegen, dass sie gesellschaftlich relevant sind und sich finanzieren.
Ein Foto hatte ich allerdings leider vergessen:
Genau während meines Vortrags erhielt ich dieses Foto:
Aber das gehört echt gar nicht hierher. Weiter geht es mit unseren Nachbarn in Berlin, dem Feuerle-Bunker.
Die Wirkung des Feurle-Bunkers ist völlig anders als die des Boros-Bunkers in der Albrechtstraße in der Nähe des Bahnhofs Friedrichstraße, der zeitgenössische Kunst zeigt und dessen Inneres noch eher als Bunker zu erkennen ist – übrigens ursprünglich baugleich mit dem Berlin Story Bunker.
Berliner Unterwelten hat im selben Jahr begonnen wie die Berlin Story, sich aber als Mitgliederverein etwas anders entwickelt. Jeder hier auf der Tagung in Barcelona hat an Führungen der Berliner Unterwelten teilgenommen oder zumindest von ihnen gehört. Führungen und Entdeckung, Erhalt und Restaurierung von Bunkeranlagen stehen im Mittelpunkt der Tätigkeit. Wahrscheinlich gibt es keinen Verein in Europa, der so viele Führungen anbietet.
Zwei Bunker können wir uns in Barcelona ansehen, in der Stadt, die so stark unter der Bombardierung gelitten hat, deren Bevölkerung so intensiv beim Bau von Schutzanlagen zusammengearbeitet hat. Vor Refugi 307 erläutern Ausstellungstafeln an die Situation damals:
Der nächste Bunker befindet sich ganz in der Nähe der Kathedrale Sagrada Familia. Dort war eine Fabrik. Der Bunkerbau macht einen stärker professionellen Eindruck.
Auch diese Toilettenanlage wirkt zwar für unsere heutigen Verhältnisse gewöhnungsbedürtig, aber macht einen effizienten Eindruck.
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