1,3 Millionen Ukrainer aktuell in Deutschland

57 % der Ukrainer in Deutschland sehen die Zukunft ihrer Kinder in Deutschland, nur 39 % in der Ukraine. Das könnte man als Lob für Deutschland interpretieren – vor allem im Gegensatz zu den Niederlanden, wo nur 29 % der Ukrainer die Zukunft ihrer Kinder sehen. Im Gegensatz zu den ewig nörgelnden Deutschen schaut fast die ganze Welt nach wie vor mit Bewunderung auf uns. Und das ist mit der Vorstellung verbunden, dass es toll wäre, in Deutschland zu leben. Das hat nichts mit Sozialhilfe zu tun. Nur deutsche Politiker mit Scheuklappen, die weder mit Menschen aus anderen Ländern reden noch sich in deren Perspektive hineinversetzen können, haben diese seltsame Vorstellung von der Einwanderung in den Sozialstaat. Andererseits: Wenn 57 Prozent der Ukrainer die Zukunft ihrer Kinder in Deutschland sehen, kann das zu einem massiven Braindrain in der Ukraine führen.

Dies sind die Schlüsseldaten zu Ukrainern in Deutschland und im Vergleich dazu in den Niederlanden:

 

 

Eine Million dreihunderttausend Ukrainer befinden sich derzeit in Deutschland. Das geht aus einer Studie hervor, die heute in Berlin vorgestellt wurde. Millionen von ukrainischen Flüchtlingen sind nach dem Einmarsch Russlands im Februar 2022 vor dem Krieg geflohen, heißt es in der Untersuchung. Die Europäische Union hat einen temporären Schutzstatus gewährt, sodass sich derzeit über 4 Millionen Flüchtlinge innerhalb ihrer Grenzen aufhalten. Deutschland und die Niederlande gehören zu den EU-Mitgliedstaaten, die mehr als ein Drittel aller Flüchtlinge aufgenommen haben. Seit August 2022 ist die Zahl der ukrainischen Flüchtlinge in Deutschland stetig gestiegen und erreichte im März 2024 einen Höchststand von über 1,26 Millionen. Auch in den Niederlanden ist die Zahl der Flüchtlinge gestiegen, wenn auch langsamer. Im März 2024 wurden dort fast 120.000 Ukrainer registriert.

Der Bericht präsentiert die Ergebnisse einer soziologischen Studie mit dem Titel „Das Potenzial ukrainischer Bürger in Deutschland und den Niederlanden erschließen“. Die Umfrage wurde von der EWL-Gruppe in Zusammenarbeit dem Zentrum für Osteuropastudien an der Universität Warschau durchgeführt. Ewald König hatte zu dieser Präsentation eingeladen.

Die vom 18. bis 30. März 2024 durchgeführte Umfrage erfasst die Antworten von 800 erwachsenen ukrainischen Staatsbürgern, die derzeit in Deutschland und den Niederlanden leben und ihre Erfahrungen als Arbeitsmigranten und Kriegsflüchtlinge beschreiben. Zentrale Themen:

  • Faktoren, die die Wahl Deutschlands als Zielland ukrainischer Bürger während des Konflikts beeinflussten
  • Beschäftigungsstatus und -möglichkeiten für ukrainische Bürger in Deutschland
  • Zugang zu finanzieller Unterstützung und sozialer Hilfe
  • Empfehlungen und Meinungen zur Arbeit und zum Leben in Deutschland
  • Durchschnittliche Monatseinkommen und Pläne für einen längerfristigen Aufenthalt
  • Interesse an Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten

67 Prozent der Ukrainer in Deutschland arbeiten, weitere 13 Prozent stehen davor, eine Arbeit aufzunehmen. Bei 85 Prozent handelt es sich um Frauen. Die UkrainerInnen in Deutschland verfügen über ein sehr hohes Bildungsniveau sowie über Sprachkenntnisse, die ihre Chancen verbessern. Vierundsiebzig Prozent der Befragten in Deutschland verfügen über einen Hochschulabschluss oder Hochschulerfahrung. Darüber hinaus gaben mehr als Hälfte der Ukrainer an, dass sie sich gut auf Englisch verständigen zu können, was ihre Integration in die Gesellschaft erleichtert. In Deutschland gaben 48 % der Befragten an, Deutsch zu sprechen.

Die Hälfte der Ukrainer in Deutschland gibt an, mit Kindern unter mit Kindern unter 18 Jahren eingereist zu sein. Mehr als die Hälfte davon nutzen beide Bildungssysteme. In Deutschland besucht rund ein Viertel (24 %) der ukrainischen Kinder ausschließlich das deutsche System.

63 % der Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland und 81% der Ukrainerinnen und Ukrainer in den Niederlanden erhalten finanzielle Unterstützung von ihrem Gastland. Diese Situation spiegelt
die Realität der Flüchtlinge wider, die oft keine ausreichende Einkommensquelle haben. Trotz der Tatsache, dass 44% der Befragten in Deutschland und 40 % in den Niederlanden angeben, eigentlich mit der finanziellen Unterstützung ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können, entscheiden sie sich für Erwerbstätigkeit. Dies ist ein sehr optimistisches Zeichen, dass die ukrainischen Bürger in der EU die sprichwörtliche Angel brauchen, nicht den Fisch.

 

Die Anzahl der UkrainerInnen in Deutschland ist nach der vollen Invasion der Ukraine durch Russland am 24. Februar 2022 stetig gestiegen.

Warum gerade Deutschland? Familie und Freunde haben gute Erfahrungen gemacht, es gibt bereits Freunde oder Familie in Deutschland – das sind die Hauptgründe.

56 % der Ukrainer in Deutschland sprechen Englisch, bei 52 % ist Deutsch auf einem Niveau, mit dem sie kommunizieren können. Die meisten Ukrainer, 85 %, haben vorher in keinem anderen Land gearbeitet. Von den 15 %, die bereits woanders gearbeitet haben, waren 58 % in Polen und 37 % in Deutschland. Es folgen Tschechische Republik mit 14 % und Italien sowie USA mit jeweils 10 %.

Das ist auch interessant, wie nämlich Arbeit gefunden wurde. 44 % fanden selbst einen Arbeitgeber, bei 22 % halfen Freunde und Familie, nur 17 % wurden durch eine Arbeitsagentur oder staatliche Stellen vermittelt. 4 % gaben an: „Der Arbeitgeber fand mich!“

Der durchschnittliche Nettoverdienst liegt bei 1.334 Euro im Monat, knapp die Hälfte liegt darüber. Es gibt kaum Klagen. Sehr gut oder gut fühlen sich 12 % bezahlt, 70 % durchschnittlich.

 

Das ist auch eine positive Bestätigung, wie die UkrainerInnen hier aufgenommen wurden – und auch ein Lob unserer Arbeitswelt. Drei Viertel der UkrainerInnen in Deutschland würden Freunden und Verwandten zu Hause sagen, in Deutschland arbeiten ist voll OK!

Dennoch stellt sich die Frage, was UkrainerInnen motivieren würde, wieder zurückzukehren: Mehr Geld zu Hause und bessere Arbeitsbedingungen, aber fast ebenso viele meinen, wenn die Ukraine in der NATO wäre oder zumindest in der EU – das wäre ein Grund, nach Hause zur Familie zurückzukehren.

Noch etwas zur Einordnung: Die Ukraine hat 38 Millionen Einwohner. Sie sind lange im Frieden aufgewachsen, relativ im Frieden, aber mit der völkerrechtswidrigen Besetzung der Krim Teilen des Donbas seit dem Frühjahr 2014. Wir dagegen feiern am heutigen Tag 75 Jahren Grundgesetz. Seit der bedingungslosen Kapitulation am 8. Mai 1945 haben wir keinen Krieg, dagegen ständig wachsenden Wohlstand. Die meisten Ukrainerinnen und Ukrainer bleiben im Land. Viele gehen an die Front, auch Frauen. Wir kennen Hebammen, Museumsleute, Ärztinnen, Tourismusfrauen, KfZ-Handwerker, Journalisten, Gastro-Mitarbeiter – wir kennen ziemlich viele, die alle in der Ukraine geblieben sind und an ihrem Platz kämpfen. Die meisten haben Kinder. Eigentlich alle. Dieser letzte Absatz ist kein Urteil gegenüber denen, die bei uns in Deutschland oder in der EU sind. Gefühle und Schicksale sind absolut individuell. Unsere Aufgabe ist es ganz einfach, dazu beizutragen, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnt.