Meine Mutter Selma in Mukoma, Ruanda

Selma Giebel, geb. Fenner, über ihren Besuch in Mukoma im Dezember 1984 und im März/April 1986

Mehr über ihr Leben auf ihrer Internetseite Selma Fenner, im Aufbau.

Meine Kinder – ältester Sohn, Schwiegertochter und 3 kleine
Kinder – wohnen für 3 Jahre als Entwicklungshelfer in Rwanda.
Mich trieb die reine Neugier Ende Dezember 1984 für 6 Wochen
nach Rwanda, denn es ist – noch – eines der Länder, von dem
man recht wenig weiß und hört. Erst in letzter Zeit geht es
in allem aufwärts und zwar, wie ich sah, in Riesenschritten.
Ich borgte mir also Bücher und Berichte über speziell dieses
Land und war wenigstens etwas vorbereitet, als mein jüngster
Sohn und sein Freund mich nach Frankfurt zum Flugplatz brachten.
In Brüssel mußte ich umsteigen. Ich kann nur jedem raten, wenn er
eine solche Reise vorhat, sich ganz genau vorher bei mind.
zwei Reisebüros zu erkundigen und zwar bei solchen, die nicht
nur vorwiegend Pauschalreisen buchen. Es gibt eine ganze Menge
Flugmöglichkeiten. Fliegt man ab Brüssel, sind 30 kg Reise-
gepäck erlaubt; ab Frankfurt nur 20 kg. Ich hatte eine Menge
Ersatzteile besorgt zum Mitnehmen, Geschenke und bestellte
Bücher. Die schweren Sachen packte ich in meine Handgepäck-
tasche und konnte sie kaum heben. Es war eine Qual. Da machen
10 kg mehr erlaubtes Gepäck schon viel aus. Die afrikanischen
Länder gehn jetzt aber dazu über, auch das Handgepäck zu wiegen.

Zwischen den Jahren wurden so viele Flüge Ffm.-Brüssel ge-
strichen wegen zu geringer Fluggastzahl, daß ich weit früher
als vorgesehen fliegen mußte und 6 Stunden in Brüssel Aufent-
halt hatte. Kurz vor 24 Uhr flogen wir in Brüssel ab. 10 Stun-
den Flug, Ich bekam einen Fensterplatz, denn das Flugzeug war
nur zur Hälfte besetzt.

Wir hatten eine ganz klare Nacht und sahen unten die Lichter
blitzen und oben die Sterne. Gegen 5 Uhr morgens ging die Son-
ne bunt und schillernd über der Sahara auf. Ein richtig er-
greifender Anblick ganz abgesehen davon, daß die Sahara von
oben auch so schon eine Sensation ist. So weit man sieht, nur
bergiger zerklüfteter Sand und ausgetrocknete Flußbette.
In Nairoby (Kenia) landeten wir kurz zwischen. Erst als
Rwanda unter uns liegt, wird alles wunderschön grün. Liebli-
che Hügel wechseln sich ab mit hohen Gebirgsketten. Die
meisten Passagiere stiegen in Nairoby aus.

In Kigali, der Hauptstadt Rwandas, sind wir ca. 10 Leute
die aussteigen, und ganze 3 Passagiere fliegen weiter. Ich
schleppe mein Handgepäck über den Flugplatz zum Ausgang und
denke, daß ich mich auch lieber im Flugzeug hätte umziehn
sollen, wie es die meisten taten, denn der Temperaturunter-
schied zwischen Europa und hier betrug mind. 30 Grad. Gott-
seidank war es aber bewölkt.

Ich guck mich in der Zollhalle um, da stehn plötzlich meine
drei Enkelkinder und mein Sohn hinter mir. Wieland erledigt
nun alles für mich, zeigt den Impfpass, die Devisen, den Pass.
Inzwischen wühlen die Enkel in meinen Taschen und als wir zur
Zollkontrolle kommen, sagt W., die Enkel hätten das schon er-
ledigt. Es wird lächelnd akzeptiert. Als wir in den Camping-
bus steigen, kommt ein Zollbeamter hinterhergerannt. Ich
hatte meinen Mantel in der Halle vergessen.

Einmal die Woche fährt die Familie die zwei Stunden nach
Kigali um einzukaufen. Das bot sich also heute an, da sie
mich sowieso abholen mußten. Der erste Eindruck ist über-
wältigend und man sieht so viel Eigenartiges und Fremdes, daß
es gedanklich kaum alles zu verkraften ist. Ich sehe große
voll blühendeHibiskus- und andere grell und üppig blühende
-Bäume. Alles wimmelt und sitzt voller Rwander. W. kauft auf
dem großen Wochenmarkt ein. Hier bieten die Bauern ihre Ware
an. Auf der Erde sitzend und die Ware auch. Kinder kommen an
Auto und betteln (das habe ich übrigens nur in Kigali er- .
lebt), Die Geschäfte sieht man kaum. Es steht halt eine
Lehmbude neben der anderen, natürlich ohne Schaufenster, und
man muß erst in das dunkle Loch reingehn, um zu sehn, was
da an Ware feilgeboten wird, denn draußen steht nichts dran.
Nur die Banken, die Post, die Regierungsgebäude, natürlich
auch der Präsidentenpalast, sind richtige Häuser, so, wie
wir sie gewohnt sind. Ich bin ganz verwirrt von all dem
Gucken. Wieland kauft am Ausgang der Stadt noch eine leere
Öltonne und Autoreifen. Und nun fahren wir „heim“. Erst 1/2
Stunde auf der Asphaltstraße und dann fast 1 1/2 Stunden über
Pisten. Überall am Wegrand gehen und sitzen Rwander. Sie
bieten irgend etwas an oder unterhalten sich nur.
Rwanda liegt 120 km südlich des Äquators und ist von den
afrikanischen Ländern am dichtesten besiedelt. 195 Einwohner
pro qkm.

Über 40 % sind röm. kath. Die Amtssprache ist französisch,
aber die Landessprache (und 90 % verstehen kein französisch)
ist Kinyarwanda. Es gibt keine Eisenbahn. 1 Arzt kommt auf
27 000 Einwohner. Aus diesem Grund werden jetzt gerade ca.
20 Gesundheitszentren in den einsamsten Gegenden Rwandas ge-
baut. Ganz fertig ist noch keins (bis auf ein paar staatliche).
Die durchschnittliche Sterblichkeit ist 45 Jahre.

Seit 1978 besteht im Land eine neue Verfassung. Die Tutsis,
die herrschende Klasse, große schlanke sehr hübsche Menschen,
wurden gestürzt, und nun sind die Hutu, die Bauern, an der
Macht. Eine Volksverfassung. Der junge Präsident in Kigali
ist Generalmajor Juvenal Habyarimana. Gehandelt wird in
Rwanda-Francs. 100 Rwfrc. sind etwa DM 3,-.

Es gibt wenig Städte in Rwanda. Kigali hat 160 000 Einwohner.
Die Universitätsstadt im Süden, Butare, hat 26 000 Ew,
Ruheneri im Norden 16 000 EWwund Gisenyi im Westen 13 000 Ew.
Die anderen Städtekann man vergessen in Punkto Einwohnerzahl.
Die Dörfer bestehn meist aus 10 bis 20 (oft noch weniger)
Lehmhütten.

Sehr schlecht ist es noch mit den Straßen bestellt. Da geht
eine Asphaltstraße, vor 10 Jahren begonnen, von Nord nach Süd,
die einige Abzweigungen im Norden hat. Im Bau befindet sich
eine Ost-Weststraße und zwar wird sie, wie die meisten Straßen,
von den Rotchinesen gebaut, aber nicht finanziert. Von Kigali
nach Ruhangeri die Straße ist gerade dieser Tage fertig ge-
worden. Sonst sind die Wege sandig, holprig, wellig, ab-
schüssig und mit tiefen Löchern versehen. Man rumpelt die
Pfade entlang über Felsstücke und Wassergräben.

W. saust über all die Hindernisse hinweg. Ich klammere mich
angstvoll an dem lockeren Seitengriff fest und das Auto
rappelt, als fiele es gleich in sämtliche Bestandteile aus-
einander. Die 3 jährige Nele sitzt auf meinem Schoß und
schläft bei dem Gewackele, und der 2 jährige E. schläft eben-
falls auf der hinteren Bank. Der 6 jährige Till sitzt auf dem
Schoß seines Vaters und hilft mit lenken. Überall stehn die
Leute und winken und Wieland winkt fröhlich zurück. Es geht
bergauf, bergab durch wunderschöne Gegenden. Ich sehe Banane
bäume, Bambus, riesengroße Kakteen, Ziegen und Kühe (alle
rappeldürr) in Massen. Zum Schluß bin ich völlig durchein-
ander von dem unentwegten Gucken.

Die Pfade werden immer schmaler. Mal hängt das Auto steil
nach rechts runter, mal nach links und ich bin froh, als wir
endlich am entstehenden Gesundheitszentrum ankommen und meine
Schwiegertochter C. mich amüsiert lächelnd in die Arme
nimmt.

Nach dem Essen bekomme ich die Häuser gezeigt, die Gegend,
den Garten, das im Rohbau befindliche Gesundheitszentrum. Der
Gesamteindruck ist zwar da, aber es ist zu viel Neues. Na, es
wird schon werden.

Seit einem Jahr sind meine Kinder nun in dem Gesundheitszen-
trum MUKOMA nahe dem Dörfchen Kinazi, nachdem sie 3/4 Jahr in
le Chambon sur Lignon in Frankreich in einer Sprachschule
französisch lernten. Zwei amerikanische Missionare wohnen
auch im Zentrum. Ein Tierarzt und ein Agronom. Später sollen
noch eine ganze Menge anderer Experten kommen, besonders im
Gesundheitswesen. C. wird dann alles leiten – wenns
fertig ist. Vorläufig steht es seit 3/4 Jahr im Rohbau nebst
den dazugehörigen Wohnhäusern. Die Türen sind verschlossen,
und der Bauleiter lässt sich nicht blicken. Wird er gemahnt,
sagt er: Morgen! Nun wurde er aber drei mal schriftlich ver-
warnt (das muß vor einer Kündigung sein) und kurz bevor ich
heimfuhr, konnte er gekündigt werden. Jetzt wird erst ein
neuer Bauleiter gesucht.

Wenn die Sache mal fertig wird, dann ist das eine tolle An-
lage. Wöchnerinnenstation, Labor, ( Das Wort „Labor“ gibts
nicht, es heißt: Der Raum, wo das Blut untersucht wird. Ebens
„Apotheke” nicht: Der Laden, wo die Tabletten gekauft werden)
Untersuchungszimmer, Wartezimmer, Bäder, Küche, Waschküche,
Krankenzimmer usw. Im Laufe der Wochen sah ich eine ganze
Reihe solcher Gesundheitszentren. Eins davon war fait fertig,
die anderen sind ebenfalls im Bau oder werden gerade begonnen
Es ist schon eine große Hilfe für die Landbevölkerung. Sie
müssen zwar bis zu den Zentren z.T. auch viele Kilometer
laufen aber die Krankenhäuser, und nur da sind Ärzte, errei-
chen sie kaum in 1 Tag.

C. und damit auch die anderen Schwestern und Pfleger,
sind außergewöhnlich gut vorbereitet worden, und sie müssen
nun, ganz auf sich allein gestellt, die tägliche Praxis leiten und

verantworten. Das ist eine ganz enorme Aufgabe aber mit
sehr dankbaren Patienten.

In dem einen Jahr hat Wieland mit einem Rwander, der als
Gärtner fungiert, einen wunderschönen großen Garten angelegt
Es wächst alles so schnell wie in einem Gewächshaus, afri-
kanische Früchte wie europäische. Die Bananen tragen bereits,
die Marakutschas, Manioks, Mangos, Awokados, Rosenkohl, Kraut,
Süss- und andere Kartoffeln, Bohnen, Kräuter und Blumen,
reich blühend, in Fülle.

Eine Stallung aus Elefantengrasbambus steht mit einem Bambus-
zaun rund herum. Die gekaufte Milchkuh hat bereits ein Kälb-
chen. Die Milch bekommen jetzt kranke Kinder in dem Dispen-
saire (Praxis, „Arznei bereiten und abgeben“ heißt es wörtlich,
denn noch ist es ja kein Gesundheitszentrum). Ich sah in der
ganzen Zeit nur zwei unterernährte Kinder. Jeweils von ledige
Müttern. Enten wuscheln im Hof rum, Hühner gackern (legen
noch keine Eier),und in den Hasenställen, oben, unten und
Zwischenwände auch aus Bambus, spielen bereits junge Häschen.
Nun wartet man noch auf eine Milchziege und den dazugehörigen
Bock, der aber nur eine zeitlang geborgt wird. Ein „Kuchen-
haus“ steht vor dem eigentlichen Wohnhaus, ebenfalls von W.
und dem Gärtner aus Bambus, Lehm und Bananenblätterdach ge-
baut, eine große Laube – genau so gebaut – über dem Sand-
kasten für die Kinder. Erst ganz neu fertig geworden ist das
„Gästehaus“, bestehend aus 2 Räumen (selbstgepresste Lehm-
bausteine) und je einem kleinen Fenster ohne Glas aber mit
Moskitonetz. An der Ecke des Hauses steht eine selbstgebaute
kleine Zisterne, mit Wasserhahn unten dran, und oben auf dem
Hügel neben der Kirche baute W. mit einigen Leuten eine große
Zisterne mit vielen Kammern für ganz Mukoma.

Ich ziehe also in das eine Zimmer des Gästehauses ein, nach-
dem ich all meine Schätze ausgepackt und verteilt habe. Im
zweiten Zimmer wohnt Eugenie, die, eine Tutsi, die Mittel-
schule besuchte und gut französisch sprechen kann. Sie kocht
und putzt für die Familie und ist glücklich, daß sie Arbeit
hat. Sie ist ganz stolz, daß sie nun ein eigenes Zimmer hat.
Zu Weihnachten bekam sie ein Radio geschenkt. Radios haben hier

alle einigermaßen gut gestellte Rwander, denn es gibt
keine Zeitung und zu bestimmten Zeiten werden persönliche
Nachrichten durchgegeben; etwa, daß irgendwer krank geworden
ist und die Kinder heimkommen sollen, Treffen werden durchge-
geben und eben alles, was mit Terminen zu tun hat. Ebenfalls
sind sehr wichtig die Aufrufe des Präsidenten.

Eugenies Vater oder Bruder tauchen immer mal ganz unverhofft
auf, meist abends, und prüfen, ob sie sich nicht rumtreibt.
Täte sies, kriegte sie Hiebe. Aber sie ist eine Brave und
kocht sich abends ihr Essen mit dem Mädchen, der Marie, das
die Medikamente an die Leute ausgibt. Morgens und mittags
isst sie mit uns am Tisch. Es hat eine ganze Zeit gedauert,
bis sie es endlich tat. Eugenie hat ab Samstagmittag bis
Montagfrüh frei, wo sie oft die 16 km heimläuft, um auf dem
Feld der Eltern zu arbeiten. Auch in der Woche hat sie ge-
regelte Arbeitszeit und ist sozialversichert. Das ist nicht
überall so. Bei den beiden Missionarfamilien und nebenan beim
Pastor der Gegend (dessen Frau ausgebildete Schwester ist und
mit C. zusammenarbeitet) gibts kaum Freizeit und bei den
amerik. Missionaren essen die Arbeiter extra.

Abends sitzen wir noch lange auf der Terrasse bei Kerzenlicht
und erzählen. Das war aber eine Ausnahme, denn meist geht man
dort recht früh abends ins Bett, weil morgens um 1/2 6 aufge-
standen wird.

Elektrisches Licht gibts also hier noch nicht und bisher nur
in den Städten und im kleinsten Teil des Landes. Es wird aber
überall neu gelegt und nach ein paar Jahren gibts überall
Licht. Dafür ist die im ganzen Land verlegte Wasserleitung
fast fertig. Von Zeit zu Zeit ragen an den Straßen in 1 m
Höhe Wasserhähne aus der Erde mit einem winzigen Betonbecken
davor. Das ist für die Rwander eine ganz enorme Erleichterung.
Ich muß mich erst an die laute Nacht gewöhnen, denn hunderte
von Grillen zirpen und Nachtvögel schreien. Katzen miauen,
Hunde – immer dieselbe dürre rehbraune Mischrasse – bellen.
Auf dem Dach und im Zimmer raschelt es verdächtig. Es sind
aber keine Mäuse, sondern nur die kleinen und großen Geckos.
(Eidechsenarten).

Sie krabbeln zu Hauf überall rum und ich gewöhne mich
schnell an sie, denn sie vertilgen ja die Insekten. Hier in
Mukoma, 1.485 m ü.M., gibts aber keine Mücken, oder eben nur
ganz wenig. Ich habe umsonst ein Moskitonetz übers Bett mit-
gebracht. Dafür gibts Fliegen in Massen.

Vor dem nächsten Haus, dem profisorischen Dispensair, steht
ein Bambushüttchen, worin die zwei Nachtwächter von Mukoma
ihre Matte nachts zum ächlafen auslegen. Auch tagsüber sind
zwei andere Wächter angestellt, daß alles seine Ordnung hat,
jawoll! Aber jeder ist froh, wenn er irgenwelche Arbeit hat,
außer seine kleinen Felder zu bewirtschaften. Um 18 Uhr wirds
schnell dunkel, um 5,30 Uhr hell. Kurz vorher regen sich auch
die Nachtwächter und reden laut miteinander, Solange es
dunkel ist, passiert sowieso nichts, denn die Leute haben
eine panische Angst vor Geistern. Da hilft auch die Religion
nichts.

Der nächste Tag, Wochenende, ist wieder bewölkt und ich bin
recht froh. (Ca. 30 Grad Wärme). Obwohl geschlossen, kommen
unausgesetzt Patienten zu Cl. Die zieht dann ihren weißen
Kittel an, nimmt die Kasse mit dem sterzdreckigen Geld unter
den Arm und marschiert rüber ins Dispensaire.

Zum Wochenende kochen wir selbst. Auf dem Propangasherd.
Eugenie darf darauf nur Milch und Kaffee kochen. Die anderen
Gerichte kocht sie draußen im Bambuskochhaus, wo W. drei
Lehmöfen gebaut hat. Zwei oben passend für je einen großen
und einen mittleren Topf und einen für den „Waschtopf“,
bestehend aus einer halben Öltonne. Das Feuer in den Öfchen
wird ohne Papier angezündet und funktioniert sofort. Eben
Routine! Mit dem Gas, das ist, wie so vieles, eine Teufels-
sache. Da kann man loo mal zeigen und erklären wie schnell
das Propangas alle ist und daß man die Flamme klein stellen
müsse; es wird nie gemacht. Der kleinste Topf wird stets auf
die größte Flamme gestellt. Selbst wenn man aufhört zu kochen
und nach einer Weile wieder irgend etwas anderes kocht,
bleibt die Flamme eben solange an. Wie bei ihren Feuerchen
vor der Hütte. Das habe ich dann in anderen Familien mehrmals gesehen.

Am Anfang dachte ich bei verschiedenen anderen
Sachen: Na, wenn Dus richtig erklärst und besonders zeigst
und mitmachst, dann wirds doch verstanden werden. Nein! Sobald
alleine, machen sie genau ihren alten Trott weiter. Die
Zivilation ist halt schwer und wird, jedenfalls auf dem Land,
ungern angenommen, und das sind über 95 % der Bevölkerung.

Da C. etwas Malarie hat (es gibt viele Arten), fahren
wir ohne sie mit den Kindern zu einer anderen Deutschen nach
Catagare, einer Art Bethel, wo Krüppel wohnen und gepflegt,
werden, jedenfalls die, die das Glück haben, dort unterzu-
kommen. Catagare liegt in Richtung der Universitätsstadt
Butare. Wir sind dort zum Kaffee eingeladen. Fahrt: ca. 1 1/2
Stunden. Als wir hinkommen, hat Sylvia, die dort arbeitet,
ganz schwer Malaria, Sie ist steif, hat wahnsinnige Kopf-
schmerzen und muß sich dauernd übergeben. Ich hatte früher
viel Migräne und so kam mir das vor, Sylvias Mutter war ge-
rade 4 Wochen aus Deutschland bei ihr zu Besuch und sollte in
5 Tagen fahren. Wieland klappte das Bett im Campingbus aus
und wir fuhren gleich zusammen mit S. und ihrer Mutter zurück
nach Mukoma, wo Cl. ihr eine Spritze gab. Es dauerte noch 2
Tage, bis der Anfall abklang. Die Mutter war ganz verzweifelt
und weinte viel, weil sie ja nun heimfahren müsse und ihr Kind
so krank alleine bliebe. Das war zu verstehn, Ich ging mit
ihr spazieren und wir saßen zusammen in der Laube und er-
zählten uns unsere Lebensgeschichte. So war sie dann beruhigt.
2 Tage wohnte ich nun in meinem Besuchszimmer. Nun zogen
Tochter und Mutter ein und ich kam in Tills Zimmer und Till
zog auf eine Matratze zu seinen Geschwistern.

Als Cl. die Weisung bekam, in Mukoma mit der Praxis anzufangen
standen sie vor verschlossenen Türen, nur die Patienten war-
teten schon. Der Bauleiter ließ sich nicht sehen und war auch
wochenlang danach nicht aufzutreiben. Wieland stieg durch das
ihnen zugedachte Haus übers Dach ein, brach die Schlösser auf
und ab da „wohnten“ sie. Erst ohne jegliche Möbel. W. legte
Wasserleitung, ließ das Dach neu decken, weil keine Ziegel
übereinanderlappten, bastelte Möbel und bestellte dann bei
Mönchen, weitab von Mukoma, Betten, Stühle und Tische. Sie
wurden im Laufe der Zeit geliefert. Ausgesprochen stabil

und solide. W. lasierte sie und den Rest Tische lasierte ich
dann noch. Ab sofort stellten sich die Leute ein und wollten
Medikamente. Cl. hatte sich damals in Bochum bei der ev.
Kirche für Afrika beworben (fraglich in welchem Land) und
ist nun besoldet von den Eglises Baptistes. Weitere Verbände
wirken ebenfalls in Rwanda wie DÜ= Dienst in Übersee, DW =
Deutsche Welthungerhilfe, DED = Deutscher Entwicklungsdienst
usw. Die baptistischen Missionare aus USA sind hier sehr
vertreten und es fließt viel Geld in die Entwicklungshilfe.
Auch Medikamente werden reichlich zur Verfügung gestellt, die
man allerdings erst in Kigali holen muß. Die staatlichen
Dispensairs haben Medikamentenmangel. Sie reichen die ersten
10 Tage im Monat und dann werden die Patienten mit ihrem Re-
zept in die kirchlichen Dispensairs geschickt. Während ich
da war, wurde das plötzlich verboten und die Rwander nahmen
das der Cl. natürlich persönlich übel. Inzwischen ists aber
schon wieder so weit gediehen, daß die Sache stillschweigend
laufen kann.

Eines abends kommt der Till – hat gerade Ferien – und erzählt
daß er mit seinen amerikanischen Freunden nachts Zelten wird.
Till hat schon in Frankreich viel mit amerik. Kindern gespielt.
Es fällt ihm ganz leicht, abwechselnd deutsch, englisch oder
französisch zu reden, ebenfalls nun auch schon kinyarwanda.
Nachts um 2 höre ich ein wimmerndes Gewisper vor dem Haus
und Tills Stimmchen. Es ist eben doch zu dunkel draußen und
empfindlich kalt. Ich lasse den frierenden und taunassen Till
ins Haus und der Vater kümmert sich weiter um ihn.

Ich hatte von daheim großartig ein paar Tannenzweige mitge-
bracht und dachte, daß sich die Kinder schrecklich freuen.
Sie hatten aber schon auf ihre Weise für einen Weihnachtsbaum
gesorgt. Da stand nämlich im Wohnzimmer eine Zypresse, zier-
lich wie Filigran und behängt mit selbstgebasteltem Schmuck.
Wunderschön sah es aus.

Die Kirche am Sonntag ist für die Einheimischen ein Ereignis.
Sie sind sehr gläubig. Ich höre den ganzen Tag die eintönige
Trommel. Ein paar Bänke stehn in der Kirche aber die meisten
Leute sitzen auf dem Boden. Gewaltig tönt die Stimme des
jungen Pastors und gesungen wird viel und anhaltend. Die
Kirche ist aus selbstgeformten Lehmziegeln gebaut und ganz

schlicht ohne Fenster.

Trotz Sonntag erscheinen, wie schon gesagt, bei Cl. die
Patienten. Sie müssen, auch nachmittags, etwas mehr zahlen,
weil Cl. sonst nie Zeit hätte, im Labor zu arbeiten, das
Schriftliche zu erledigen und mal bei der Familie zu sein,
Die Leute nehmen es gut an. Im Haus muß Wieland viel erlediger
meist Reparaturen, auch am Wochenende. Der Abfluß von der
Küche hinaus nach dem Garten ist verstopft. Also alles auf-
graben. Obwohl unter der Gosse 3 Eimer stehn = 1 für Papier,
1 für den Komposthaufen, 1 für das Viehfutter, wird immer
alles lustig in den Ausguß geschüttet. Dann muß alle 2 Tage
in den Vorratstonnen das Wasser mit Aluminiumsulfat aufbe-
reitet werden. Das bindet den Dreck, der sich dann unten ab-
setzt. Ist die Tonne leer, wird sie sauber gemacht und neues
Wasser eingefüllt. Sämtliche Petroleumlampen müssen gefüllt
werden, ebenso der Kerosin-Eisschrank. Das Vieh muß versorgt
werden, noch trinkt das Kälbehen die ganze Milch. Deshalb
muß Trockenmilch angerührt werden für die Kinder. Die Tr.Milch
kauft man in großen Säcken, genau wie Mehl, Zucker usw.

Cl. muß ein Kind ins nächste kleine Krankenhaus fahren. Das
sind nur ca. 15 km. Ists was Schlimmes, muß sie weiter bis
nach Kigali fahren. Die Rwander bringen ihre Kranken meist
erst halbtot an, denn der Transport ins Krankenhaus kostet
etwas, wenn auch wenig. Außerdem findet sich zur Fahrt immer
die ganze Familie ein und will mit. 1 bis 2 Personen müssen
sowieso dabei sein, weil sie für ihre Kranken selbst kochen
müssen. In Kigali ist das nicht der Fall. Fährt Cl. mit dem
Auto, braucht sie genau so lange als wenn die Leute ihre
Kranken in einer korbartigen länglichen Trage, die sie zu vier
über die kleinen Pfade durch die Felder, Täler und Hügel
tragen, denn`die befahrbaren Wege umgehen sämtliche Täler
und oft sieht man das Ziel schon lange, bis man endlich die
vielen Täler umfahren hat. Außerdem ist das Tragen Viel sanf-
ter als das furchbare Rütteln im Auto. Trotzdem wollen die
Kranken ständig lieber gefahren werden. Wann sonst könnten
sie mal Auto fahren?

Sylvias Mutter, die nicht weiß, daß ihre Tochter im Mai ein
kleines schwarzes Baby bekommt, isst fast garnichts. Sie
ekelt sich vor allem und so geht es vielen Besuchern. Sie
nehmen in ein paar Wochen rapide ab. Das kann ich verstehn.
Aber wie man die vielen wunderschön schmeckenden und süßen
Früchte nicht essen kann, das ist mir ein Rätsel. Allerdings,
wenn man schon das Wasser sieht, kann einem der Appetit ver-
gehen. Ganz braun. So trinken es auch nur die Rwander. Bei
den Weißen wird es, wie oben beschrieben, aufbereitet und
dann nochmal durch einen Filtertopf getropft, der innen 4
durchlässige Steinsäulen hat, die man immer schön sauber
halten muß, daß sie porös bleiben, Man erhält fast klares
Wasser das nun jeder trinkt.

Morgens um 1/2 6 wirds draußen laut. Die Leute holen sich an
der Wasserstelle ihre Töpfe voll Wasser, lachen fröhlich und
unterhalten sich laut. Ebenso laut unterhalten sich die war-
tenden Patienten vor dem Dispensaire, Sie kommen in der Regel
von bis zu 15 km Entfernung angelaufen. Manchmal sogar von
20 km weit her. Die nimmt Cl, zuerst dran, daß sie noch vor
dem Dunkelwerden wieder zu Hause sind. Die gute Krankenver-
sorgung spricht sich schnell rum und Medikamente sind auch
genug da. Nur an Instrumenten jeglicher Art mangelt es.

Bei den Rwandern bin ich „die Alte”, ein ehrfürchtiger Titel.
Alte ruhen sich aus und man erkennt sie schon von Weitem da-
ran, daß sie einen langen Stock zum Abstützen bei sich haben.
Das ist wohl auch nötig, denn sie machen einen total abge-
arbeiteten Eindruck und viele sind ganz krumm. Deshalb wun-
dern sich die Leute, daß ich in der Küche rumarbeite, Wasser
hole, im Garten bin, und sie stehn und starren, Ganz unver-
standlich ist ihnen, so sagt Wieland, daß ich Auto fahre und
sie glauben nicht, daß ich seine Mutter bin. Dabei hab ich
noch nicht mal mein Haar gefärbt. Geh ich spazieren, wollen
mir alle Leute die Hand geben – mindestens – und versuchen,
rwandisch auf mich einzureden. Mit Mühe kann ich das Übliche
sagen: Guten Tag und danke usw. und: Ich verstehe nicht.

Ein junger Mann versucht es dann französisch. Aber da ists
bei mir auch nicht weit her und ich sage ihm das, Ah, strahlt
er, sprechen Sie englisch? Erfreut bejahe ich. Er: Aber ich
nicht! Und wir schütteln uns nach dieser aufschlußreichen
Unterhaltung lachend die Hand.

C. hat 8 Tage Urlaub genommen, den ersten richtigen seit
dem 1 Jahr Hiersein. Wir wollen zum Kiwusee fahren in ein
Sommerhaus, das die amerik. Missionare auf einer winzigen
Halbinsel für sich bauen ließen und auch mal andere gleich-
gesinnte Gäste aufnehmen. Die Reisevorbereitung für diese
Fahrt ist einmalig und der klapprige 1978er Campingbus muß
,viel erleiden.

Wieland packt 3 große Kanister voll gefilterten Wasser ein,
den Wasserfilter, Benzin, 2 flamm. Petroleumkocher, Kerzen,
Matratzen, Bettzeugs, Kochtöpfe, sämtliche Lebensmittel, Ba-
desachen, Schlauchboot, das die Kinder von meinem Nachbarn
in Kassel geschenkt bekamen und von Eugenie mit Trockenhefe
frischgebackene Weißbrote. Eugenie, der Gärtner und der Mel-
ker (er ist vom Dispensaire angestellt), kriegen genaue An-
weisung, was sie die Woche über in Schuß halten müssen. Es
ist nicht viel und sie freuen sich, mal allein zu sein.

Am nächsten Morgen rattern wir los. Erst bringen wir Sylvia
und ihre Mutter wieder zurück nach Catagare. Nun sind wir
noch 6 Personen. Die Reise soll 12 Stunden dauern, Es sind
ca. 220 – 250 km zu bewältigen. 12 Stunden, falls die Straße
trocken ist, Wir fahren über Butare, der Universitätsstadt,
wo Till zur Schule geht (jetzt hat er Ferien) und kaufen noch
allerlei ein. Von dort kommen wir auf eine im Bau befindliche
Ost-West-Straße, die die Rotchinesen im Eiltempo bauen«
Riesige Basaltfelsen, ca. lo-l5 m hoch, sind weggesprengt
worden längs des Weges und nun ist man gerade dabei, die
Straße zu ebnen. An drei Stellen wird an der Ost-West-Straße
gebaut, Ein emsiges Treiben und Wimmeln herrscht an der
langen Baustelle. Die Chinesen lenken schnell und geschickt
die riesigen Baumaschinen und die Rwander leisten an den
steilen Hängen die Hilfsarbeiten, dicht nebeneinanderstehend.
Seltsam anzusehen sind die verschiedenen Erd- und Sandschich-
ten an den Hängen. Gelbe, rote und braune Erde wird abge-

tragen. Sehr viele morastige Stellen müssen wir durchfahren,
was lange aufhält, oder wir überwinden Berge von Sand. Schön
breit wird die Straße mal und ich freue mich, wenn ich in
ein paar Jahren da nochmal entlang fahren werde.

Zweimal mußten wir lange warten, weil die Chinesen erst den
vielen Sand von der Straße räumen mußten. Inzwischen sammelte
sich noch andere wartende Fahrzeuge an. Z.B. der ganz noch
gebaute Linienbus, Vollgestopft voll Männer und Frauen und
ebenso volle Taxen. Sie steigen sämtlich aus und gucken zu,
wie wir uns Tee kochen. Wir dachten, den Sandberg beseitigen,
das dauert Stunden aber beide Male mußten wir nur ca. 40
Minuten warten ehe wir weiterfahren konnten.

Die Busse fahren je morgens und abends von Butare durch den
Urwald nach dem Grenzort (Zaire) Cyangugo. Die Sandberge auf
der Straße glichen oft zerklüfteten Dünen und die Autos lagen
beängstigend schräg. Diesmal aber kamen wir alle durch. Oft
ist das nicht der Fall. Dann eben nicht. Entweder bleibt man
stehn und wartet auf ein Wunder oder man versucht, umzukehren
Als es auch noch anfing zu regnen, rutschten wir mehr vor-
wärts als das wir fahren. Und der Bus und das Taxi vor und
hinter uns ebenfalls, Die Taxis verunglücken relativ oft.

Dafür sind sie billiger als die Busse. Die Leute werfen erst
ihre Packen und Kartons auf die Ladefläche nebst Tieren aller
Art und dann klettern sie obenauf und klammern sich am Gitter
drumherum fest, Wie die Heringe stehn sie meist und draußen
hängen auch noch welche. Da kippt so ein Ding halt leicht um.

Wir durchfahren den Urwald in Richtung Burundi, Zaire, und ich
staunte über die wunderschönen ganz grell blühenden Bäume
und Pflanzen, die langen Lianen und die Meerkatzen und Affen.
Sie guckten uns von den Bäumen aus neugierig zu, ebenfalls dj
Kakadus und die vielen metalligbunten Vögel. Wir überbrücken
zwei hohe Pässe der Bergketten, rauf und runter, wo wir auch
an einer der Nilquellen Vorbei kommen. Dann verließen wir
die im Bau befindliche Straße und fuhren die üblichen Pfade
entlang, wo man eine Abzweigung nur ahnen kann. Es gøß in
Strömen und zum Schluß blieben wir rettungslos hängen, nach«
dem ich X mal in Todesangst schwebte, weil der rutschende

Wagen beängstigend Nahe an die steilen Abhänge geriet. Die
drei Kinder, die die ganze Fahrt sehr artig waren, schliefen
oder sangen und hatten volles Vertrauen zu ihren Eltern, die
sich im Fahren abwechselten. Wieland kletterte raus und würgte
die Schneeketten um die Räder. Es dauert endlos, weil es in-
zwischen dunkel geworden war. Vollkommen verschlammt stieg er
wieder ein und ich verstand nicht, wie die beiden den Weg mit
ihren winzigen Abzweigungen, mit hohem Gras bewachsen, fanden.

Um 21 Uhr kamen wir endlich auf der kleinen Halbinsel an,
nachdem Cl. vorher noch den Schlüssel in Kibogora bei Kirambo
holte. Wir mußten aber dann noch eine endlose lange Bucht
umfahren. Hier in Kibogora ist für die Halbinsel auch die
nächste Wasserstelle.

Der Kiwusee gehört zur Hälfte nach Rwanda und der westliche
Teil ist schon Zaire. Er liegt 1 400 m ü.M. und ist 100 km
lang und 50 km breit, also ca. 4 mal so groß wie der Boden-
see. Hunderte von großen und kleinen, weit ins Land sich V
windende Buchten hat er und ist sehr tief. Das Ufergebirge
davor hat eine Höhe von ca. 2500 m.

Wir kommen vor ein großes Eisentor an der Halbinsel, das W.
auf- und hinter sich wieder zuschließt. Das Auto kriecht im
Dunklen über sehr hohes Gras und dann parken wir den Bus über
unserem Sommerhaus am Hang, Zwei Nachtwächter erscheinen und
gucken interessiert zu, wie wir die vielen Sachen im Regen
einen steinigen Patt runter auf die Terrasse tragen. Dann
verschwinden sie in ihrem Hüttchen bis es morgens hell wird.
Als Cl, das Haus aufschließt, wimmelt es voll Ameisen und die
Geckos verschwinden schleunigst über der Decke. Wir kehren
schnell die Räume durch: Ein Wohnzimmer, sehr groß, wo ich
schlafe, eine winzige Küche mit Propangas und ohne Wasser
und kaum Geschirr, zwei Schlafzimmer. Da schlafen die Eltern
und Kinder.

Nachts höre ich eine ganze Menge mehr Geräusche und Laute als
in Mukoma. Das Haus liegt etwa 50 m über dem See, der sich im
Mondschein spiegelt. Ich stehe morgens zuerst auf und räume
mein gebautes Bett von den zusammengeschobenen Bänken. Ich
ziehe die Vorhänge auf und will mich anziehen. Gottseidank

habe ich ein Nachthemd an, denn die zwei Nachtwächter stehn
so, daß sie sowohl in die zwei Fenster als auch auf diet
Terrassentür gucken können und jede Bewegung von mir beobach-
ten. Ich ziehe also wieder zu, suche den Badeanzug und mar-
schiere runter zum See. Grellrote Vögelchen und eine Menge
anderer bunter verfolgen mich neugierig und unten schlüpft
schleunigst eine Otter ins Wasser. Auf der kleinen Wiese
stehn Graureiher und Wildgänse und auf den Steinen im Wasser
Sitzen Kormorane. Ärgerlich fliegen sie davon. Schade!

Das Wasser ist wunderbar warm und wir vergnügen uns erst mal
lange darin, denn die Familie kam sofort nach. Beobachtet
jetzt von 4 Rwandern, den zwei nun abgelösten Nachtwächtern
und den zwei Tagwächtern. Ein junger Mann kommt um die Ecke
(wie kam er durch das Eisentor) und verkauft der Cl. 6 frische
Fische. Gerade geangelt. Sie heißen „ifi“ und sind eine Art
Wels. Auf dem See rudern schon die ersten Leute in ihrem
selbstgeschnitzten Einbaum= Pirogge, und singen immer die-
selbe Melodie,

W. fragt die beiden Tagwächter, ob sie gegen Entgelt die 2
Wassertonnen an der Küche und der Toilette mit Seewasser
füllen wollen. Freudig sagen sie zu und im Zeitlupentempo
brauchen sie den ganzen Vormittag dazu und holen sich dann
ihre Belohnung. Leider haben wir die Tonnen nicht nachgesehen
Die Küchentonne ist zur Hälfte voll und die obere nur yä.
Reingefallen! Also füllen wir selbst schnell fertig voll und
sagen nichts.

Am Wasser haben die amerik. Missionare sogar ein kleines
Sprungbrett bauen lassen. Sie tagen hier ab und zu in den
5 Sommerhäusern. Mit großen glitschigen Steinen ist auch eine
Art Kinderplanschbecken am See abgeteilt, daß die Kinder
also ganz alleine unten rumplantschen können. Zwei Schwal-
bennester kleben unter dem Terrassendach und die Eltern sind
sehr böse, daß wir nun die Fütterung der Jungen stören. Es
wird an diesem Tag sehr heiß, wie auch die folgenden aber
immer regnet es irgendwann zwischendurch und ich freue mich
über die Wolken.

Als wir gefrühstückt haben, gehe ich mit den 6 Fischen runter

zum Wasser und will sie putzen. Da kommt ein Tagwächter und
Zeigt mir, daß ichs sanz falsch mache. Er nimmt die Fische
und löst sehr geschickt und schnell an jedem Fisch die zwei
Filets ab› den Rest der Fische reiht er wieder auf dem Gras-
halm auf und geht von dannen. Als ich mit den 12 kümmerlichen
Filets oben ankomme, lacht C.« Ihr ist es das erste Mal,
als sie schon mal ganz kurz hier waren, genau so gegangen und
die Schwarzen lachen sich wahrscheinlich beim Braten der Rest-
fische ins Fäustchen. Na, das nächste Mal habeich den Mann
weggeschickt und die Fische so geschuppt und ausgenommen, wie
ichs gewohnt bin.

Hier auf den Bäumen wachsen als Schmarotzer riesengroße
Farne, Blattdolden, Kakteen und zierliche Blümchen„Zitronen
gibts und ca. 20 m hohe Kakteen. Die ersten Tage essen wir
viel Fische und unsere mitgebrachten Lebensmittel. Weil wir
nun aber Wasser brauchen, fahren wir zum Markt nach Kibogora.
Unterwegs treffen wir viele Leute, die mit ihrer Ware zum
Markt laufen. Zeit haben sie eine Menge und vor lo fängt der
Markt sowieso nicht an, zieht sich aber bis abends hin. Jedes
kleine Kind trägt schon irgend etwas auf dem Kopf. Sobald es
laufen kann, muß es eben helfen oder ein noch kleineres Ge-
schwisterchen tragen. Oft können sie das auf dem Rücken gar-
nicht und so tragen sie es seitlich auf der vorgeschobenen
Hüfte. Darum kommt es, daß auffallend viele Hüftleiden vor-
kommen.

Wir wollen mal andere Fische kaufen, aber am Hafen sind die
Fischer noch nicht eingetroffen. Dafür gucken wir beim Ziegen-
kauf zu, Sie werden dabei hin und her geworfen zum Begut-
achten, meckern ängstlich und ist der Kauf abgeschlossen,
nimmt der Käufer ein Vorderbein des Tieres in die Handund
geht flott, das hinkende Tier hinter sich, davon, So machen
sie es auch bei Kälbern. Wir gucken uns den Fleischmarkt an.
Hier sind die geschlachteten Schweine und Ziegen fein säuberli
aufgehängt, dick voller Fliegen. Auf anderen Märkten sah ich
die Sache nicht so sauber, Da lag das Fleisch einfach auf dem
Boden. Erst holen wir an der Sammelstelle Wasser, dann kaufen
wir Tomaten und Weißbrot ein. Die Leute verkaufen praktisch
alles. Leere Dosen, lebende halbtote Hühner, Bohnen, leere
Flaschen, Salz, Früchte, Plastiksandalen, und für alles Klein
muß man einen Behälter dabei haben, denn Papier gibts nicht,
Dazwischen sitzen die Schneider an ihren Nähmaschinen, z.T,
noch mit der Hand zu drehen, nachdem sie ihr zu Nähendes auf
dem Boden sehr geschickt und schnell zugâschnitten haben.
An der Seite sieht man eine Schmiede, ganz so, wie sie bei
uns in alten Büchern gezeigt werden und der Friseur schneidet
den Leuten mitten in dem Trubel die Haare, während daneben
jemand Kalebassen verkauft. Das ist eine kürbisartige Frucht,
die auch so wächst, aber birnenförmig ist, Sie werden ge-
trocknet, ausgehölt und als Wasserkrug benutzt oder die klei-
ñ\ l neren als Bierkrug mit Strohhalm in den Spelunken. Viele
Kalebassen sind wunderschön mit Ornamenten und Szenen aus dem
täglichen Leben beschnitzt.

Heimwärts kommen wir an einer Schule vorbei, wc in einer
Klasse ca, 60 Kinder auf dem Boden sitzen, Oft bringen sie vor
zu Hause auch winzige Bänkchen, extra dafür hergestellt, mit,
Kleiner als unsere Fußbänke, Sie sitzen auch oft vor der
Schule unter Bäumen„ Es wird ihnen alles i-m T-a-k-t b-e-i-
g-e-b-r-a-c-h-t und Hiebe gibts nicht nur beim Zuspätkommen.

Eigentlich sollte der Till in eine einheimische Schule ge-
schickt werden aber nach eingehender Besichtigung und dem
Stand des Lernens entschlossen sich die Eltern dann doch
schweren Herzens, ihn die Woche über in eine belgische Schule
nach Butare zu geben, wo ca. 10 Kinder in der Klasse sind und
jeder aus einem anderen Land. Die Sprache ist Franzöisch. Das
Schulgeld kostet dort umgerechnet DM 1.000,- im Vierteljdır
und das Kostgeld bei einer sehr netten Missionarsfamilie von
Montag bis Freitag DM 750,- vierteljährlich.

Als wir dann endlich wieder zum Halbinseltor kommen, passt
der Schlüssel nicht mehr. Die Wächter haben das schloß aus-
gewechselt, wahrscheinlich ärgerlich darüber, weil Wieland
ihnen gesagt hatte, sie sollen morgens wenn wir aufstehn
nicht unentwegt in die Zimmer starren.

Fledermäuse gibts hier sehr viele. Als ich als Kind in Thü-
ringen wohnte, gabs dort auch eine Unmenge und tagsüber
umschwirrten die Mauersegler die alten Gebäude. Wir freuten
uns, daß wir dadurch nie Mücken in den Zimmern hatten.
Schade, daß sie so gut wie verschwunden sind. Beide!

Cl. und ich fahren nochmal nach Kibogora, weil sie die Über-
nachtungen bezahlen will. Die Nacht umgerechnet je DM 2,50,
Kinder die Hälfte. Dann hat sie noch vom Nachbarn aus Mukoma,
dem Pastor, Geld dabei, dessen Bruder hier in der Nähe stu«
diert und in der Mission wohnt. Es ist ja üblich, daß immer
ein schlaues Mitglied der Familie von allen zusammen gefördert
wird. Ist der dann fertig, hilft er wieder anderen zum Auf-
stieg. Auch Eugenie, die bei Cl. u. W. arbeitet, muß ihr
ganzes Geld daheim abliefern und sie freut sich, wenn sie
als Geschenk kein Geld, sondern andere Sachen bekommt. Die
Mission, wo Cl. zahlt, liegt über dem Kiwusee an einer aus-
gesucht idyllischen Stelle. Die amerikanischen Missionare,
schon jahrelang hier (und werden auch dableiben), haben ein
Leben wie im Schlaraffenland. Wasser, elektrisches Licht,
Bedienstete in Fülle, eine schöne Gemeinschaft, alle elektri-
schen Geräte, großartige Häuser, gepflegte Gärten. Frau Cox,
die das Geld von Cl. bekommt, erzählt, daß die Wächter auf
der kleinen Halbinsel bei den Sommerhäusern zwar nachts nichts
zu tun hätten, aber am Tag. Deshalb wechselten sie ab. Sie
müssten die vielen Wege mähen und alles sauber halten und für
Ordnung sorgen. Anscheinend war Frau Cox lange nicht mehr
dort, denn sie machen keinen Schlag außer uns zugucken und so
siehts auch überall aus. Vollkommen verwahrlost.

In Kibuje holt sich die Cl. auch bei einer Bank Geld. Ein
Lehmhaus, bestehend aus zwei Räumen aber mit richtigen
Fenstern. In jedem Raum ein normaler Tisch mit allen Zetteln
und Formularen drauf. Dahinter eine Bank ohne Lehne für den
Bankangestellten und neben sich eine kleine Eisenkassette
mit dem Geld. Die Türe weit offen. Fertig!

Als ich mir abends am See die Haare wasche, bleiben mindesten
6 Piroggen stehn und gucken fasziniert zu. Wir schreien uns
“midiwei“ oder vornehmer „muraho“ (guten Tag) zu und sie
fahren erst Weiter› als ich wieder den Weg zum Haus hoch
gehe. In ihren kleinen Bootchen paddeln sie hochaufgetürmte
Ware über den See oder einen Berg Heu, daß man den paddler
garnicht mehr sieht oder sonntags schön angezogen in die
Kirche. Aber stets singen sie dieselbe Litanei mit Schnör-
keln und falls mal nachts einer den See überqueren muß
hört man das meilenweit, so laut singt er. Die Wassergeister
sind ja auch schwer zu vertreiben.

Schön war die Woche am See. Die Kinder bekamen Sonnenbrand,
besonders der E. hatte riesige Blasen auf den Schultern
und Rücken. Sie wurden aufgestochen und nach drei Tagen war
alles so ziemlich heil. Er ist da nicht empfindlich.

Heimwärts umfahren wir wieder die vielen lieblichen Buchten
und die kleinen Felder Rwander mit jeweils ihrer Hütte
darauf, ziehen sich vom Tal bis hoch in die Berge. Wie ein
Schachbrett sieht es aus.

Wir machen in Kibuje halt. Hier wohnen mehrere deutsche Fa»
milien. 2 Ärzte, Landwirte, Ökonomen, Agronomen. Wieland
verhandelt mit einer schweizer Familie über eine Milchziege,
die er eigentlich schon mitnehmen will, was aber nicht
klappt. Ich wundere mich immer, warum die Ziegen hier im
Land alle so dürr sind und keine Euter haben, ebenso die
knochigen Kühe – die Watusi-Rinder- mit ihren gebogenen
großen Hörnern. Milch ist was für Säuglinge und senile Greise
Kinder haben die Muttermilch und die Greise wollen keine Grei
se sein. Deshalb verachten sie die Milch. Da können die
Agronome und Ökonome noch so mit gutem Beispiel voran gehn
und helfend eingreifen; es gelingt ihnen nicht oft, Milchvieh
züchten zu lassen. Höchstens zum Milchverkauf. Die Rwander
trinken nie Kaffee oder Tee, nur, wer sich auch Zucker
leisten kann und das sind wenige. Außerdem ist Süsses nicht
üblich. Wasser wird getrunken!

Auch die schönen Früchte essen sie kaum selbst, Die Mangos
sehen aus wie große unreife grüne Kartoffeln. Sie haben einen
großen flachen Kern und sind wunderbar süß und saftig. Die
Marakutschas sehen aus wie große hutzelige Pflaumen, bläulich
grün. Man schneidet sie auf und isst mit dem Löffel das
Fleisch raus, das aussieht wie das Innere der Stachelbeere,
auch mit solchen Kernen aber ebenfalls süß. Die Groseilles
du caps sehen aus wie unsere Lampionblumen und haben auch die
Höhe. Wenn der grüne Lampion braun wird, ist die kugelige
Frucht darin reif. Schmeckt ebenfalls wie Stachelbeere.
Die Avokado ist fast geschmacklos, aber sie hat viel Vita-
mine. Man isst sie in Rwanda mit Zwiebel, Salz und Pfeffer.
Das Maniok wird am meisten verwendet. Die weißen Wurzeln
werden wie Kartoffeln gekocht oder getrocknet und zu Mehl
gestampft. Die Blätter nimmt man als Spinat oder für das
Vieh. Maniok dauert aber 3 Jahre bis zur Ernte (genau wie
Ananas). Das Maniokmehl wird sehr viel gegessen von den Ein-
heimischen neben den Bohnen. Es wird kochendes Wasser (jeden-
falls bei Eugenie kocht es) über das Mehl geschüttet, etwas
Salz zu, ein Laib geformt und jeder sticht sich seinen Teil
ab. Es sieht aus und schmeckt wie roher Klößeteig. Die
Bohnen werden, wenn sie reif sind, mit den Sträuchern ausge-
rufipft und auf großen Haufen getrocknet. Dann schlagen meist
Männer mit Stöcken lange und anhaltend auf die Haufen, bis
alle Bohnen rausgefallen sind.

Ja, und was gibt es noch so? Kaffee wird viel exportiert. Die
Büsche wachsen an den Wegen entlang, weil Kaffee die einzige
Pflanze ist, außer Tee, die mehrmals im Jahr gespritzt wer-
den muß, was die Gemeinde macht. Der Teeexport bringt nicht
viel ein, weil das Trockenverfahren in den Fabriken viel zu
aufwenig und damit kostspielig ist.

Bananen gibts dreierlei. Die winzige Essbanane, die Kochba-
nane mit ihren schwarzen Baumstämmen und die Bierbanane, das
„Usoga-Bier“. Erdnüsse werden viel angepflanzt, Tabak, Mais,
sehr viel Sorgo. Das sieht aus wie Mais und hat oben eine
dichte Dolde Körnchen, die wie Hirse aussieht. Dann wachsen
Kartoffeln, Süßkartoffeln, Fenchel, Apfelsinen, Zitronen,
Papaya, Papyrossa. Und nur der Tee wächst meist auf Plantagen,
alles andere auf den eigenen kleinen Feldern.

Vor ca. 10 Jahren haben die Rotchinesen gezeigt, wie man in
den wasserreichen Tälern Reis anbaut. Der kann gut verkauft
werden und auch davon bekommt jeder Rwander ein Stückchen.
Pflegt er sein Reisland, kann er Glück haben und noch ein
Stück dazu bekommen. Läßt ers verkommen, kriegt ers wegge-
nommen. So sieht man nur gut gepflegte Reistäler und enorm
viele und große Vögel tummeln sich in dem Morast.

Die Erdnüsse, die im Garten von Cl. u. W. gerade reifen,
pellt Eugenie aus: legt Sie auf ein Blech in den Backofen
und besprengt sie dauernd mit Salzwasser. Nach ca. 30 Minuten
sind sie bei ca. 220 Grad wunderschön knakkig,und wir haben
sie viel abends gegessen. Eugenie aber und die Rwander über-
haupt, zerstampft diese Erdnüsse in einem Holzbottig zu Bšzâå
und damit dickt sie Soßen, Gemüse, Süßspeisen. Es bindet
wunderbar den Geschmack, ist fett und nahrhaft.

Wir kommen im Laufe meines Urlaubs an vielen kleinen „Ziege-
leien“ vorbei, meist bestehend aus einem in den Berg immer
größer gebuddelten Lehmloch. Daneben werden gleich die Ziegel
in einer Holzform geformt, umgestülpt, gestapelt und in der
Sonne getrocknet. Die Leute freuen sich, wenn wir uns alles
genau angucken und längs des langen Weges winken wir uns,
wie immer, lebhaft zu, Manchmal halten wir auch und kaufen
irgend eine Kleinigkeit, z.B. für die Kinder lange Stangen
Zuckerrohr. Das Meter kostet ungefähr lo Pfennig. Man muß
dann mit viel Mühe Stückchen abhacken, die Sache schälen und
dann kaut man den Zucker raus und spuckt die Fasern aus.

Naja, nun zurück zu unserer Heimreise. In Kibuje übernachten
wir in eišâf sehr schönen Hotel auf einem Berg, Es heißt
„Home St. Jean“ und ist eigentlich von der kath. Kirche, die
gleich daneben steht, für die Freres (oder Peres), was eine
Art Mönch ist, zum Übernachten gedacht, denn sie kommen von
weit her. Daher ist das Hotel nicht so teuer und sehr sauber,
außer eben den Geckos. Hier kann man schönes Bier trinken,
Bei den evangelischen Missionaren dagegen sind hier Rauchen
und Alkohol verboten. Da haben wir ja Glück. Außerdem brennen
die meisten Rwander ihren Alkohol schwarz. Und was für einen
hochprozentigen.
Hier in Kibuje, wo auch ein Bus von Kigali täglich ankommt
und abfährt, gibts noch ein „Strandhotel“. Das ist wesent-
lich teurer und das Essen schlechter. Sowas spricht sich
unter den Weißen sofort rum. Es gibt viele Kigaler, die hier
ein paar Tage auf Ferien kommen, eben wegen der-Busverbindung
Zum Mittagessen gabs bei uns erst Spinatsuppe, dann über»
backene Kartoffeln (patates douces), gegrilltes Fischfilet,
Braten und Soße mit Bohnen und hinterher Mangos und kleine
Bananen, Zum Abschluß Kaffee, der hier überall sehr gut ge-
kocht wird. Ein wunderbares Essen und ich genoß es so richtig.
Mit uns isst ein Entwicklungshelfer (Arzt) aus Frankfurt,
der gerade seine Eltern, Schwester und Bruder zu Besuch hat
Jeder hat laufend Besuch!

Die schweizer Familie wohnt direkt am See und nachdem W. wegen
der Ziege verhandelt hat und die Frau währenddem ihr Baby
stillt, baden wir dort am warmen See in ihren Garten. Sie
heißen Siegentaler und lebten 5 Jahre in Tschad bis es
ihnen dort zu gefährlich wurde und sie hierher sich versetzen
ließen. Das hatte zur Folge, daß Frau S. nach 15 Jahren Ehe
endlich ihr Baby bekam. Wir erhielten sofort Kaffee, Saft,
Erdnüsse und selbstgebackene Plätzchen, denn wir waren nicht
der einzige Besuch, wie das oft der Fall ist.

Man vereinbarte, daß W. nochmal herkommt wegen der Ziege. Die
riesengroße Entfernung ist dabei kein Problem. Man kalkuliert
es ein. Im Garten von Siegentalers stehn Akkazien mit riesen-
großen blühenden Dolden. Überhaupt ist jeder Garten der Weißen
mit viel Liebe angelegt worden, denn viele bleiben im Land,
was ich durchaus verstehen kann» Bei den gegenseitigen Be-
suchen, auch wenn man sich kaum oder nicht kennt, tauscht man
vor allen Dingen Erfahrungen aus und empfielt sich weiter an
Leute, die vielleicht inzwischen irgend eine andere Sache in-
tensiver betrieben haben und Ratschläge geben können.

Gegen Abend besuchen wir noch eine Arztfamilie Geiselharz,
die Cl. u. W; kennenlernten bei dem Sprachkurs in Kigali. Bei
ihnen zu Besuch ist ein weiterer Arzt, der die nächste Woche
zurück nach Deutschland fliegt.

Die Kinder sind inzwischen totmüde und wir fahren zurück ins
Hotel. Seit 1 Woche haben sie dort elektrisches Licht. Überall
auch in Mukoma, gibts praktisch nur Zementfußboden. Er ist
wunderbar glatt und sieht oft aus wie Marmor. Man kann diesen
Fußboden halt einfach und gut sauber halten. Wir bekommen
erzählt, daß das Seewasser z.Zt. hier sehr dreckig wäre und
schon ein paar Leute krank geworden wären und ob ich noch
nichts gehabt hätte. Nee! Geimpft bin ich praktisch gegen
alles in Deutschland worden (obwohl nicht nötig) und hier
bekomme ich wöchentlich von C. die Malariatabletten.

Ich nehme auch an, daß viele Besucher hier vor Ekel krank
werden. Da muß man sich halt überwinden.

Am nächsten Tag, als wir weiter heimwärts fahren will W. an
der Straße Bananen kaufen. Die Staude, sagen sie, kostet 300
RwFrc und weil wir Weiße wären, 400, So ist das sehr oft.
Aber W. legt die Staude sofort wieder zurück und kauft wo-
anders welche, denn überall sitzen die Kinder oder Frauen am
Weg und bieten ihre Ernte an; selbst ganz oben auf den Pässen.

Wir fahren zweimal hoch in die Berge hinauf und Wieder steil
runter, immer spitze Serpentinen, aber solange es nicht reg-
net, geht es ganz schön. An einer Hütte, die Schweizer bauten
hoch oben auf dem Pass, frühstücken wire Es ist ein weiter
Weg aber immerhin kürzer als auf der Hinfahrt durch den Ur-
wald. Oben auf den Bergen sind die Felder weit gepflegter als
in den Tälern, Da wächst es halt nicht so schneil. Jedesmal
wenn wir anhalten, rennen von überall die Afrikaner herbei,
Erst tauchen die Kinder auf, dann die Erwachsenen.

Wir fahren über Gitarama und Ruhango bei Kigoma, Kinazi bis
Mukoma. In Ruhango steht auch die Post mit den Schließfächern
Vor dem Post abholen kaufen wir erst noch schnell auf dem
Markt ein. Dieser Merkf liegt, eh wunder, direkt an der
Asphaltstraße Cle bleibt mit den Kindern im Auto sitzen und
während W, und ich einkaufen (wir haben Kopfkissenbezüge da-
bei für die Ware), ist unser Auto umringt von Leuten, die
herreinstarren und die rothaarige Frau mit den 3 rothaarigen
Kindern angucken, die Wasserleitung, das Bett. Sowas ist ja
auch interessant. Wer hat hier schon ein Auto? Ein Fahrrad-
kauf enspricht etwa dem Kauf eines Oberklasseautos bei uns.
Zwar hat keins eine Lampe (Autos auch oft nur teilweise) aber
dafür sitzen oft 3 Menu drauf und noch ein Haufen Gepäck.

Auch bei W. Kauf von Kartoffeln und Tomaten bildet sich so-
fort, wie immer, eine Schlange Menschen um ihn. Neben den
Vielen Lebensmitteln sehe ich abgeschnittene Deckel der S0
begehrten Öltonnen. Die Rwander trocknen darauf allerlei, Auch
in Streifen geschnittene Autoreifen liegen rum, die als Gummi
um die Warenpacken gebunden werden oder über das Zeugs auf
dem Rad.

Der Kleider- und Stoffmarkt ist hier gesondert gelegen auf
der anderen Seite der Asphaltstraße. Diese Teile der Märkte
sind stets gut besucht, denn die Ware ist recht preiswert,
also für alle erschwinglich und die Händler verdienen daran
nur Pfenniåeø Die TeXfiílién kommen aus den Kleidersammlungen
in Europa. Die Männer tragen z.T. dicke Wollpullover und
Mäntel aller Art, besonders gerne Fellmützen, Anorakkapuzen
Kindersonnenhütchen usw.

Als wir wieder daheim ankommen, hat Eugenie Malaria. Das hat
Cl. schon vorher gesagt. Sie ist jedesmal krank, wenn die
Familie mal 2 Tage weg warn Sie hat vergessen, das Kerosin
im Eischrank nachzufüllen. Sie vergisst es immer und bekam
es deshalb extra aufgeschrieben. Sonst machen es meist W. oder
Cl. weils sicherer ist. Fleisch, Käse, Marmelade und beson-
ders die Medikamente, alles verdorben. Im Haus stinks wie lo
verweste Leichen. Noch nach 3 Tagen stinkt es trotz sofortigen
Waschen aller Dinge mit Essigwasser. Der Gaspard sollte in
der Woche in meinem Gastzimmer noch die Wand weißen. Er hat
es wirklich in den 8 Tagen geschafft, aber mein-Bettgestell ‚
rausgestellt und im Regen stehn lassen. Alles ist noch total
dreckig und auch da müssen wir erst mal schnell Ordnung
schaffen. Dabei hatte Gaspad noch eine Hilfe genommen. Die
Mentalität ist wirklich erstaunlich und wenn man sich jedesmal
ärgern würde, käme man den ganzen Tag nicht aus der Rage raus,
Der Hilfsarbeiter hat sich aber inzwischen einen oder mehrere
sehr schöne Klappstühle aus Wielands rarem Holz gebaut. Da
wir 1 Tag früher kamen, lag nur einer im Schuppen und wir
wußten nicht, ob die anderen schon weggeschafft worden waren.
Ändern ließ es sich sowieso nicht mehr Es nützt auch über-
haupt nichts, wenn man die Leute gut bezahlt. Sobald man nicht
mitarbeitet, gehts nicht.

Am nächsten_Tag muß Cl. wieder ins Dispensaire, wo die schwar-
ze Schwester, die Marthe, schon sehnsüchtig auf sie wartet.
Marthe bekommt im Mai ihr 3. Kind und dann ist Cl. ein paar
Wochen bei ca. 150 Patienten täglich alleine. Eine unmögliche
Sache.

Der Mann, der die Kuh melkt, Francoise, vom Dispensaire ange-

stellt, soll aus Bambusstäben im Kuhstall, der vorne offen
ist, einen Pferch für das Kälbchen bauen. Es wird nun langsa
abgewöhnt. Die Kuh gibt nun am Tag 5 Liter Milch und 3 Liter
sollen die kranken Kinder im Dispensaire kriegen und unsere
Kinder. Bisher wurde für die Kinder immer Trockenmilch ange-
rührt. Als der Pferch abends fertig ist, könnte man wieder
gleich wütend werden, Er ist so winzig, daß das Kalb sich da-
rin nicht mal umdrehen kann und Francoise zeigt stolz, wie eı
verhindert, daß das Kälbchen an der Mutter säuft, nämlich, ei
schmiert die Euter dick mit Kuhmist ein, Er ist richtig be-
leidigt, als er das untersagt bekommt. Vor dem Kuhstall
schwelt tagsüber unter einem Blech ein Feuerchen, das die
Fliegen von den Tieren abhält.

Ich geh zwei Vormittage rüber ins Disponsair zu Marthe und
C.. Sie sitzen an einem runden Tisch im Terrassenzimmer.
Türen und Fenster sind offen, denn oft sind die Patienten
nicht die saubersten. Sind sie zu dreckig, werden sie heim-
geschickt und müssen sich waschen. Auf der Terrasse und dem
Rasen davor sitzen, liegen und stehn die Patienten und wenn
man zuguckt, wird einem wirklich schlecht. Sie spucken un-
entwegt in der Gegend rum, wie das in ganz Rwanda Sitte ist.
Dabei sind ja die meisten barfuß und die Kinder spielen nur
auf dem Boden. Da braucht man sich nicht wundern, wenn lauter
Infektionskrankheiten entstehen. In einigen Gesundheitszen-
tren wurden Leute angestellt, die aufpassen, daß nicht ge-
spuckt wird und wenn, müssen sie Strafe zahlen, Es-nützt aber
herzlich wenig.

Da sind die weniger schlimmen Fälle, wie Bohnen in der Nase,
Schnitte usw. Es kommen grün und blau geschlagene Frauen,-
Männer mit riesigen Platzwunden durch Schlägereien im Wirte«
haus. Sie werden geklammert oder genäht ohne Betäubung und
sie verziehen keine Miene. Geschwulste aller Art müssen ge-
schnitten werden. Es fehlt sehr an den einfachsten Instru-
menten. Besonders an Spritzen. Die alten Spritzen werden imme
wieder ausgekocht und die Nadeln werden stumpfer und stumpfer.
Die Schwarzen haben weit festere Haut als die Weißen und es
kostet schon eine gewisse Kraft, da überhaupt eine Spritze
reinzubekommen, Aber auch das lassen alle gleichgültig über

sich ergehen, Sie sind ja froh, daß ihnen geholfen wird.
Sitzt man einige Zeit neben Cl. und M., dann sieht man an den
erklärenden Gesten der Leute schon ungefähr, was sie haben,
Jeder sitzt auf einem Stuhl neben der Schwester und die an-
deren Patienten gucken von außen rein, Der Patient sitzt aber
mit dem Rücken zu ihnen, daß er also immerhin seine Wehwehchen
klagen kann, ohne daß alles gehört wird. Die meisten haben
Malaria und Marthe weiß genau, wer vorher schon beim Gesund-
beter war, der viel teurer ist. Hier kostet eine Behandlung in
der Regel 20 RwFrc, das sind ca. 60 Pfennig mitsant Medika-
menten. Nur wer eine Penizilinspritze bekommt und noch irgend
etwas dazu, muß bißle mehr zahlen, Es waren Leute dabei, die
40 Grad Fieber hatten und von l5 km Entfernung angelaufen
kamen und auch wieder zurückmußten. Das war wirklich keine
Seltenheit.

Vor Malaria haben die Afrikaner panische Angst und obwohl alle
sehr gläubige Katholiken sind, spielt das bei dieser Krankheit
überhaupt keine Rolle. Dann erscheinen die Geister eben und
das ist viel schlimmer als die ganze Krankheit. In ihrem Fiebe
wahn steigern sie sich so in die Angst hinein, daß manche ricl
tig verrückt werden. Ieh habe das nebenan bei Marthes Kuchen-
mädchen miterlebt. Hinter dem Behandlungszimmer ist die
„Apotheke“. da gibt die Maria, eine gelernte Gekretärin, die
Medikamente durch das Fenster heraus. Wenn das Rezept also
geschrieben wurde, gehn die Leute außen rum zum Fenster und
holen sich ihre Sachen ab. Auch hier das große Dilemna, wie
die Säfte und Pulver zu überreichen sind. Diese Maria, die
außerdem diesen Monat, also Februar, sehr gut heiratet und
zwar einen Soldaten des 3000 Mann starken Heeres, wurde auch
malariakrank. Bei ihr wars genau dasselbe. Sie hatte Angst
alleine zu liegen wegen der bösen Geister und nahm ganz fest
an, wie alle, daß sie nun sterben müsse. In 3 Tagen war sie
gesund.

Die Patienten bekommen morgens Nummern. Zuerst gabs schöne
Pappschildchen. Die verschwanden aber sehr schnell und nun
sinds große Holzstücke mit Nummern drauf. Die kann man nicht

so leicht einstecken. Viele können nicht die Nummer lesen.
Entweder bekommen sie es von den anderen gesagt oder sie ver-
passen eben ihren Auftritt und warten bis zuletzt. Meist sind
es ältere.

Krätze gibt es viel, TBC und Lungenentzündung, Augen- und
Mundentzündungen und Syphilis. Auch da merkt man sofort an
den verstohlenen Gesten, was der Patien hat. Er muß mit ins
Nebenzimmer kommen, ins „Labor“, wo er gesagt bekommt, seinen
Partner mitzubringen. Tutser oder Sie nicht, wirds dem
Bürgermeister gemeldet. Sie kommen aber alle. Die Frauen
kriegen 2 kleinere Spritzen in je eine Pobacke, die Männer
1 große in eine Pobacke. Das tut ganz schön weh.

In den anderen Disponsairs oder den fast fertigen Gesundheits-
zentren, wo nicht nur Schwestern beschäftigt sind, sondern
auch Pfleger, werden sogar Zähne gezogen. Weils so schwer
geht, machen das nur die Männer. Ohne ‚Betäubung 20 Frc., mit
50 Frc. 95 % lassen sich zu 20 Frc. die Zähne ziehn.

Ist der Patient neu, wird für ihn ein Din A 6 – Zettel ausge-
füllt. Oben Name und Alter. Jedes neugeborene Kind bekommt
einen neuen Vor- und Zunamen. Z.B.:“Als der Vater nicht da
war“ oder „das 9. Kind“ oder „unter den Bananen geborener“
usw. Der Wohnort oder die Gemeinde ist schon schwieriger und
man muß da, genau wie beim Alter, scharf überlegen. Oft wills
und wills aber nicht kommen. Dann wird das männl. oder weibl.
Zeichen gemacht. Auf einer Strichliste wird täglich gestri-
chelt, wieviel neue Patienten kamen und was sie für eine
Krankheit haben, auf einer anderen, wieviel überhaupt kamen.
Denn der oben erwähnte Zettel dient auch als Rezept. Man
schreibt das Medikament auf und den Preis. Die Patienten
müssen sofort zahlen. Die Frauen knoten dann stets das vor
Dreck starrende Geld aus der einen Ecke ihres großen Tuches,
die Männer aus irgend einem Stückchen undeffinierbarem Papier
oder Blatt.

Es wäre weit gefährlicher, wenn die Marie, die die Medika-
mente ausgibt, das Geld einnähme, denn sie muß ja die Medi-
kamente anfassen. Und weiter ist niemand da.
Den Zettel nehmen die Patienten mit heim und müssen ihn je-
desmal wieder mitbringen, um neue Medikamente drunter zu

schreiben. Meist sind sie sehr sauber aber manchmal kann man
nichts mehr drauf lesen. All das soll anders werden, wenn
das Gesundheitszentrum fertig ist und genügend Angestellte
da sind nebst Platz für sie.

Die Kinder kriegen die Spritzen an Ort und Stelle, die Er-
wachsenen gehen hinter einen Vorhang, Ich habe in den ganzen
Wochen nur 2 unterernährte Kinder gesehn und zwar beide von
ledigen Müttern, die gerne wieder solo wären. Diese Mütter
mußten jeden Tag kommen, daß die Kinder Milch und Vitamine
bekamen. Sie müssen die Milch gleich trinken, ebenso wie die
meisten Patienten die Medikamente sofort nehmen müssen, weil
sie sonst, wie es mehrmals vorkam, dem Kind die Pillen für
1 Woche, obwohl genau erklärt, auf einmal geben. Da müssen
sie lieber alle 2 Tage kommen, Täglich erschien ein kleiner
3jähriger Junge. Er war sehr krank gewesen und bekam ebenfalls
seine Milch, Erst erschien er die 6 km Entfernung mit seiner
Mutter, dann mit seiner 5jährigen Schwester und nun lief er
jeden Tag die Strecke allein, freute sich auf die Milch,
spielte ein bißchen rum und gegen Mittag lief er wieder heim.

Sind sich Cl. u. M. über eine Krankheit nicht einig, bespre-
chen sie die Sache und machen Bhm-, Urin- und Kotproben,
Würmer hat so gut wie jeder Rwander und sie verstehn über-
haupt nicht, warum man was dagegen tun soll. Auch Erdwürmer
sind noch an der Tageordnung. Werden die nicht gleich raus-
gepult, schwillt erst der Zeh an und wird schwarz und schließ«
lich der ganze Fuß. E. hatte einen wahrend ich da war.
Die Patienten versuchen immer, zu Cl. zu kommen, weil Sie
nicht so burschikos ist wie Marthe, Es macht schon Spaß der
M. zuzugucken. Hochschwanger und dazu noch einen schlimmen
Fuß, winkt sie ihre Patienten zu sich heran, um ihnen eine
Spritze zu verpassen oder das Fieberthermometer unter den Arm
zu klemmen. Die allermeisten Patienten kriegen sowieso erst
mal das Fieberthermometer, wahrend die Personalien aufgenomme
werden. Anschließend wird die Spitze kurz in Alkohol (o.ä.)
gesteckt, und der nächste kriegts reingeklemmt.

Viele Frauen rauchen während des Wartens ihre Tonpfeife. Sie
fermentieren den Tabak selbst, In einer dunklen möglichst
kühlen Ecke werden die Blätter aufeinandergepresst und mit

Bananenblättern eingewickelt. Die Bananenblätter sind für
Viele Dinge unersetzlich, auch Kinderbälle werden davon ge-
rollt.
Auf den Märkten werden die Tabakblätter einzeln Verkauft.

In der Zwischenzfeit hat sich der Bauunternehmer Wieder mal
blicken lassen und stolz gesagt, daß er Ende März mit allem
fertig sei. Wann er denn anfinge? Morgen! Und damit verschwand
er für immer.

Ich habe dem Wieland mehrere Tropferschläuche gekauft und
mitgebracht. (Die man in den Krankenhäusern für den Tropf be-
nötigt) Er rennt mehrmals am Tag auf den Berg hoch zu dem
großen Wasserreservoir, das er für ganz Mukoma baute, Durch
mehrere Kammern, über Kies und Sand läuft das Wasser; Oben
legt er einen Kanister mit Aluminiumsulfat mit dem Tropfer
hin. Es ist aber fuchbar schwer, die richtige Menge rein-
tropfen zu lassen, weil der Wasserdruck sich unausgesetzt
ändert. Kommt zu wenig oder zu viel Sulf. rein, bindet es
nicht den Dreck, Dann hat W. nachgelesen, daß das Wasser
nicht von oben in die Zisterne reinlaufen darf sondern von
unten. Es klappt und klappt nicht. Inzwischen hat er in
Kigali einen Wasserbauingenieur getroffen, der demnächst mal
rauskommen will und die Sache mit ihm durchguckt.

Wenn sich jemand an seiner Hütte ein kleines Wasserreservoir
baut, dann bekommt er dazu den Zement gestellt, also das
Teuerste. Stroh und dünnen Bambus für das Flechtwerk hat er_
ja selbst. Aber wehe sie bauen es nicht fertig. Dann werden
sie empfindlich bestraft. Die meisten fangen aber garnicht
erst an. Ebenso ist es mit den Hasenställen. Die Bauern
sollen viel Kleinvieh halten, Hühner haben sie meist (um die
Eier an die Weißen zu verkaufen) aber mit den Hasen haperts
noch, Wer also einen Stall baut, bekommt 2 Häsinnen und einer
Rammler umsonst geliefert, um eine Zucht aufzubauen. Trotz
Nachprüfung und Bestrafung sind die Hasen eben meist eines
Tages aufgegessen worden oder verkauft.

Als der neue Bürgermeister sich vorstellen will, ist es für
alle Bürger von Mukoma und Umgebung Pflicht, ins Gemeinde-
haus von Kinazi zu kommen. Um 11 fängts an, aber erst um 2

erscheint er. Inzwischen erklärt ein Agrarmann, wie ein Kom
posthaufen angelegt wird und wie nützlich er ist. Wieland
hat zwar einen angelegt, wird aber ganz schön deswegen be-
lächelt.

Der alte Bürgermeister hat viel Geld unterschlagen. Bevor er
verurteilt und eingelocht wurde, haben wir ihn mal im Auto
von Kinazi mit heimgenommen. W. sagte, er.hätte in den 3 Wo«
chen mindestens 20 Pfund abgenommen.

Inzwischen werden diejenigen Leute von der Gendarmerie geholt
und in die Versammlung gebracht, die nicht freiwillig erè
schienen sind. Die Gendarmen kamen extra mit. Anschließend
wurden die Versäumer für eine Nacht eingesperrt und sie hattet
Glück, daß sie nicht noch obendrein Prügel bekamen, wie das
oft der Fall ist. Das führt ebenfalls die Gendarmerie aus.
Wenn z.B. einer Bier ohne Lizenz verkauft oder beim Schwarz-
brennen sich erwischen läßt, Geld unterschlägt oder auch seinı
Frau zu sehr quält.

W. hatte ja keine Ahnung von Garten und Landwirtschaft.
Erst recht nicht vom Bauen und noch unter solch primitiven
Umständen. Einen hübschen Gesamtüberblick gibt ihm da das
Buch: “Leben auf dem Lande“. Hier wird wirklich jede Tätig-
keit kurz und einfach beschrieben. Er hat sich aber auch eine
Menge Fachbücher besorgen müssen und ackert sie ganz alleine
durch.

Ich habe einen Gartenberiesler mitgebracht und sämtliche
Anschlüsse für sämtliche Zollstärken, weil ich ja nicht wußte
wie der Schlauch beschaffen ist und was er für eine Stärke
hat, Dann dachte ich auch, der Wasserdruck sei zu schwach.
Aber es funktionierte alles sehr gut und jetzt berieselt WO
das Neugepflanzte wenns nicht regnet und falls die Wasser-
leitung fuktioniert. Wenn er den Beriesler umsetzte, machte
er den Wasserhahn natürlich Vorher zu. Gaspard guckte dann
immer sehr interessiert zu und als er ihn dann mal selbst
umsetzen sollte, stellte er das Wasser vorher nicht aus und
wurde sehr ärgerlich, daß er total naß regnet, Aber er ver-
stand es dann nach nochmaligem Zeigen.

Zweimal die Woche kommt ein Mädchen und wäscht die Wäsche per
Hand. Die Anette, W. hat vor der Küche 2 Wasserbecken beto-
niert mit Wasserhähnen drüber. Die Anette braucht aber

furchbar wenig Wasser zum Waschen. Sie sinds nicht anders
gewohnt. Aber sauber wirds. Spülen tut sie 2 mal und auch da
sieht man das Wasser kaum. Dazu nimmt sie das einmal gerei-
nigte Wasser aus dem kleinen Reservoir. Gekocht wird die
Wäsche im Küchenhaus in der halben Öltonne. Naja, paar Rost«
flecken gibts schon. Noch bißle seifig wird dann die Wäsche
irgendwie über das Seil geworfen (die Rwander trocknen die
Wäsche auf Büschen und dem Rasen). Ich habe A. gezeigt, daß
man zumindest zum Spülen mehr Wasser nehmen muß und wie man
die Wäsche aufhängt, daß sie schön glatt wird. Sie hat sich
sehr gefreut und es das nächste Mal wieder 30 gemacht wie sies
gewohnt ist. Ich mußte dann schon immer im Vorhinein lachen,
wenn ich anfing, irgendwas ändern zu wollen, Es ist überhaupt
alles sehr schwierig und umständlich, wenn man das zu zivile
Leben gewohnt ist. Aber es macht ungeheuer Spaß. Wir wollten
Grünkohl im Kerosineisschrank einfrieren, Da gibts aber
weder Dosen noch Plastiktüten zu. Deshalb ist es wirklich an
gebracht, daß, wenn Sachen von hier geschickt werden, alles
1 kg- Eisdosen oder ähnlichem gepackt wird. Auch Installa-
tionsmaterial gibt es kaum, aber das ist viel zu schwer zum
Schicken.

Sendet man Gegenstände per Schiff, kann es bis V2 Jahr dauern
Per Flugzeug gehts schnell, nur ists sehr teuer. l kg kostet
per Flugpost DM 14,80. Mit der Anzahl der kg wirds billiger
und 20 kg kosten z.B. BM 198,-. Aber immer noch billiger als
das Reisegepäck, das Übergewicht. Da kostet 1 kg nach Rwanda
DM 39,-.

Im Sommer vorigen Jahres schickte ich einen großen Container
karton mit einer Spedition von hier per Flugzeug nach Kigali.
Das.klappte alles vorzüglich, nur stand der Karton dann 1
Woche in Kigali auf dem Lager, weil meine Kinder ja nur jede
Woche einmal dorthin fahren. Ich hatte fast alle Lebensmittel
in Dosen gepackt und die Kleider in Folie gewickelt, aber
eben nicht alles. In dieser einen Woche hatten sich die Ratte
durchgefressen und eine ganze Menge angeknabbert.

Wenn die Kinder also irgend ein schweres Ersatzteil brauchen
dann muß es der nächste Besucher als Handgepäck mitbringen.
Als ich fuhr, kamen mir die seltsamen Wünsche auch nicht zu

passe aber wenn man erst mal gesehn hat, wie schwierig alles
zu beschaffen ist und wie wahnsinnig teuer und obendrein
schlecht die Ware ist, versteht man diese Wünsche recht gut.

Cl. u. W. haben einen Weltempfänger und sie hören jeden Abend
die “Deutsche Welle“, um das Neueste aus der Heimat zu wissen,
Auch lassen sie sich 2 Zeitungen schicken, allerdings ist das
Porto dafür teuer. Man kann auch von Kigali aus nach Hause
telefonieren. Nur muß man wissen, wie es funktioniert. Die
Telefonistin schaltet jeweils um, wenn einer aufhört zu
sprechen und der andere anfängt.

Wenn Marthe ihr Kind bekommt, will W. der C. solange
helfen. Er lernt also eifrig die rwandische Sprache besser,
denn die muß dann perfekt sein. Da er im Ersatzdienst schon
als Pfleger gearbeitet hat (mit Zeugnis) und er Cl. auch nur T
hilft, wird die Sache hoffentlich anerkannt werden, Ansonsten
schreibt er Artikel für den Rundfunk und nun 14 tägig für eine
Zeitung hier in Deutschland, seit im Herbst der Minister Vogel
in Kigali war, denn Rheinlandpfalz ist ja neuerdings der
Schirmherr Rwandas. Inzwischen waren auch schon eine ganze
Menge Minister und Leute von dort in Rwo, um sich die Sache
anzugucken, Sie kriegen, neben dem Empfang, dann immer das
„Schöne“ gezeigt.

Es war in Rwanda praktisch so, daß mir den ganzen Tag über
etwas Neues auffiel. Man muß nur aufpassen, Die Blutgruppen
der Patienten z.B. können nur die Krankenhäuser feststellen,
Ist eine Blutübertragung schnell nötig, packt der Arzt oder
der Pfleger in seinen Combi nicht nur den Patienten sondern
von der Verwandtschaft so viele, wie überhaupt ins Auto rein-
passen. Er hofft, daß dann im Krankenhaus zumindest bei einem
die richtige Blutgruppe festgestellt wird. Combis haben die
meisten Weißen, denn es ist immer etwas zu transportieren. Di
Rwander können nicht verstehn, daß wir sie nicht mitnehmen
wenn sie winken und wir das Auto schon voll haben. Sie Würåer
sich halt auf den Boden quetschen und mindesten 5 nebenein-
ander.

Der W. bringt fast jedesmal, wenn er den Till nach Butare
bringt oder abholt (meist fährt irgendjemand von Mukoma mit,
um was zu besorgen) Erdbeeren mit, weil sie die noch nicht im

Garten haben. Es sind kleine, wässrige, die abends schon
anfangen zu gären. Man muß sie also sofort waschen und sauber
machen und verarbeiten, Ein paarmal habe ich einen Tortenbodel
gebacken oder Nachtisch gekocht. W. macht von den gegorenen
Erdbeeren sehr schönen Wein. Jeder Deutsche macht hier selbst
Wein, Brot und Marmelade. Im Container schickte ich einen 501
Ballon mit, der auch wirklich ganz ankam mitsamt allem Zube-
hör« Darin ist nun wunderschöner Ananaswein, der bei der
Wärme ja schnell fertig wird, Er steht, weil weitaus am
kuhlsten, im Besucherklo und es bedarf einiger Verrenkungen,
sich dort hinzusetzen.

E. und Nele sind bei den Kindern des amerk. Missionars zum
Geburtstag eingeladen; um 3 Uhr. Bereits um 3/4 4 erscheinen
sie schon wieder. Sie haben Fanta getrunken, Kuchen gegessen,
Lutscher und Luftballons bekommen, was sollen sie dann noch
dort?

Inzwischen bugelt die Eugenie die Wäsche auf der Terrasse.
Sie macht sich im Küchenhaus Holzkohle glühend (erstaunlich,
wie schnell das bei ihr geht – wenn ich da an unser Grillen
denke), klappt das Bügeleisen auf und schaufelt dort die
glühende Kohle rein, Na, denke ich, und warum legt sie nicht
schon wieder neue Holzkohle auf das Holz? Sie bügelt mit der
einen Ladung mindestens l Stunde. Rechts und links am Eisen
befinden sich 3 Löcher. Ab und zu geht Eugenie auf den Rasent
und schwenkt das Bügeleisen kräftig hin und her. Dadurch
kommt erstens die Kohle wieder in Glut und zweitens fliegt
die Asche raus, Gewußt wie!

Wieland baut inzwischen mit Gaspard draußen vor dem Bad einen
Badeofen. Schön hoch muß er sein, daß das Wasser gut fließen
kann. Er baut seitliche Kammern, daß die Warme gut drin bleibt
stellt oben Ä miteinander verbundene (Öl)Tonnen aufeinander,
mauert sie zu und ganz obenauf kommt eine dicke Schicht Kies,
daß keine Wärme verloren geht. Nun noch einen hohen Schorn-
stein, der bis über den Dachrand geht, daß die Wand nicht
schwarz wird. Fertigo Gaspard macht im Nu ohne Papier Feuer
und das Wasser bleibt mind. 1 1/2 Tage warm in den Tonnena
Außerdem kann man die Glut beiseite schieben und gut daneben
sein Brot backen. (Wir probierten es gleich aus). Das Wasser

in der Wanne ist zwar immer noch dreckig aber wenigstens warm
Gaspard bekommt für das schöne Helfen ein Extraobulus und
trinkt bei uns Kaffee mit frisch gebackenem Sträusselkuchen.
Auch Anette und wer halt so rumsteht, bekommt ein Stück. Warm
schmeckt er sowieso am besten.

C. hatte in Butare eine Versammlung. Als sie hinkommt,
ist der Verantwortliche nicht da. Er macht mal kurz ein paar
Tage Urlaub. Also fährt sie wieder die 2 Stunden heim.
Abends wird ein totkrankes Kind gebracht. TBC. Es ist schon
lange in Behandlung und immer, wenns ihm bißle besser geht,
erscheint der Vater nicht mehr mit seinem Sohn. Er ist einer
der Nachtwächter in Mukoma und ihm starben schon mehrere Kin-
der. Erstmal hat er sich einen Vorschuß genommen, daß er sein
Kind ins Krankenhaus bringen konnte. Leider hatte er das Geld
aber versoffen, bevor er dazu kam, das Kind wegbringen zu
lassen. Der Missionar von nebenan ereifert sich und sagt, daß
das eine große Strafe im Himmel gäbe, nee, in der Hölle. Das
Kind wird also von Cl. ins Krankenhaus gebracht.

Die Leute habens mit ihrer Religion nicht leicht. Jeder muß
mindestens 1/2 Monatslohn jährlich bezahlen, neben allem an-
deren, für den Bau der neuen Kirche. Sie tuns gerne, denn wer
weiß, was ihnen sonst von dem sehr strengen Gott noch alles
bevor steht.

Der alte Bürgermeister sitzt inzwischen im Gefängnis. Seine
Frau muß die veruntreute Summe aufbringen. Das passiert dau-
i ernd. Meist haben diese Leute schon genügend beiseite ge- A
schafft. Denken sie! Es wird ihnen aber bis zum letzten Vieh
4 und Stuhl alles konfiziert. Der Unterschied zwischen arm und
reich ist halt wiet größer als bei uns (noch größer?) und je-
der möchte gern mal reich sein und ein Auto haben.

Heute wollte eine Frau an der Tür 30 Eier verkaufen, Eugenie
macht dann immer den Frischetest, indem sie die Eier in ein
Wännchen voll Wasser legt., Die dann schwiıjıfmen, sind schlecht.
Es schwammen eine ganze Menge und als die Frau gefragt wurde,
wieviel Hühner sie habe, sagte sie: 2. Da hat sie aber ge-
sammelt, denn die Hühner legen bei Weitem nicht so viel wie
hier, weil sie sich ja nur selbst ernähren müssen.

Im Dispensair erscheint inzwischen ein fast verhungerter
Mann. Er kam vom Norden Rwandas, weil man ihm sagte, hier gäbe
es besser Arbeit. Er wurde krank und wußte nicht wohin.
Als erstes bekommt er einen Stärkungsbrei von Eugenie ge-
kocht mit einem Ei drin, dann schläft er eine Nacht im Dis-
pensair und am nächsten Morgen kümmert sich der Bürgermeister
um ihn.
Der Wieland bringt mich am nächsten Tag nach Kigali zu der
Familie des Architekten Singerhoff, der einen großen Teil der
hiesigen Gesundheitszentren baut. Er muß am nächsten Tag in
die Nähe von Byumba,und weil weder W. noch ich die Gegend
im Norden kennen, fahren wir also mit. Wir übernachten bei
S. und am nächsten Morgen gehts los. Mit dabei ist Herrn S.
Assistent und Nachfolger, Herr Camanda, der die Projekte über-
nimmt, wenn S, im Sommer zurück nach Deutschland geht. C. hat
in Deutschland studiert und auch dort den Führerschein ge-
macht.
Wir fahren durch tiefe lange Täler. Unterwegs treffen wir
einen Korbmacher, der gerade zum Markt will. W. kauft für
umgerechnet DM 8,50 den am schönsten geschwungenen Korb mit
Deckel als Wäschetruhe. Dafür läßt sich der Mann auch knipsen
ohne zu schreien: „l Amafranca“, wie das sonst der Fall ist.
Recht haben sie.
Wir gucken zu, wie die Teepflücker auf den Feldern Tee ernten.
Eine mühsame Arbeit. Mit einem Stock schlagen sie vor sich
auf die etwa 30 cm hohen Büsche, denn die grüne giftige Tee-
schlange sieht man nicht und durch das Schlagen soll sie weg-
krabbeln. Von jedem Busch werden nur die 3-4 allerobersten
frischen Blättchen gepflückt und hinten in den großen Korb
geschmissen, der an der Hüfte hängt. Mit einer ganz enormen
Geschwindigkeit pflücken sie und freuen sich, daß wir so
fasziniert zugucken. Alle 5 Jahre werden die Sträucher zum
Regenerieren ganz kurz geschnitten.
‚Das Gesundheitszentrum, wo wir ja hinfahren, ist schon fast
fertig gebaut. Eben werden noch 2 Häuser für die Angestellten
errichtet. Hier ist eine Wöchnerinnenstation und viele Kinder
mit Müttern sitzen und warten. Sie kommen zur Vorsorgeunter-
suchung.

Heike und Theo arbeiten hier. Krankenschwester und Pfleger.
Sie haben einen schwarzen Assistenten und schwarze Schwesterı
zur Hilfe. W. kennt sie ebenfalls von dem Sprachkurs in Ki-
gali her. Wir haben den Rietkes Butter und Wurst mitgebracht,
vorher in Kigali gekauft. Auch hier kommen die Mütter mit ih-
ren Kindern von weit her. Immer tragen sie ihre Babys auf den
Rücken. Wenn die Sonne scheint, spannen sie für die Kinder
einen Regenschirm auf. Die Mütter bücken sich nach vorne,
schieben ihr Baby auf den Rücken, darüber kommt meist ein
Ziegenfell (ärmere ein Tuch), das vorne über und unter der A
Brust fest zusammengebunden wird, Über alles wird dann das
schöne bunte lange Tuch geschlungen. Sie sitzen ruhig und
Pfeife rauchend auf dem Rasen, spucken unausgesetzt um sich
und meist warten sie aufeinander, daß sie dann den langen
Heimweg gemeinsam gehn können.
Während Herr S. u. C. den Bau besichtigen, setzen W. u. ich
uns auf einen kleinen Abhang am Weg und gucken den Bauarbeitern
zu. Sie stapeln sich 6-10 Ziegelsteine auf den Kopf und
laufen so zu der zu bauenden Mauer. Ein Bauarbeiter verdient
am Tag ca. 300 RwFrc. = DM 9,- und ein Hilfsarbeiter 130 RwFr.
Sie sind sehr zufrieden mit dem hohen Verdienst, denn wer hat
schon überhaupt Arbeit?
Als die Schulkinder hier vorbei kommen, stellen sie sich vor
uns auf und gucken uns ausgiebig an. Das können sie stunden-
lang. Wir sagen Herrn S., er soll das Bild mal von hinten
knipsen, aber als er seine Kamera hebt, läuft die Hälfte da-
von und die anderen Kinder drehn sich, wie die Sonnenblumen
nach der Sonne, anders rum, um nun die noch interessantere
Kamera zu besichtigen.
Theo und Heike verhandeln mit Herrn S., was ein Gesundheits-
zentrum an unbedingt nötigen Räumen braucht und Herr S. meint,
daß ein kleiner Operationssaal in so einer verlassenen Gegend
doch gut angebracht wäre. Aber Th. u. H. verneinen das ent-
schieden. Sie sprechen aus Erfahrung. Erstens ist die Erhal-
tung eines OP sehr kostspielig. Zweitens, wer soll operieren?
Sie könnens nicht und haben auch überhaupt keine Zeit dazu.
Ein Arzt würde niemals in ein Gesundheitszentrum gehn, es sei
denn, er würde mal strafversetzt. Es ist ihm viel zu viel
Kleinarbeit.

Die Eltern von Heike hatten sie gerade 3 Wochen über Weih-
nachten besucht. Der Vater, der sich nicht an das seltsame
Essen gewöhnen konnte, hat in diesen Tagen ganz enorm an
Pfunden verloren.
Heimwärts erzählt uns C., daß hier die Hochzeitsreden ganz
afldefs sind als in Deutschland. Man redet nicht über die
Jugendzeit der Brautleute und deren Vor- und Nachteile, son-
dern über die Verhandlung der beiden Väter vor der Hochzeit
in Punkto Brautpaar. Das geht nach einem ganz genauen Ritual.
Das 1. Mal treffen sich die Väter nur kurz bei einem Bananen-
bier. Es folgen anschließend mehrere Treffen. Man handelt mit
einander aus, was die Braut wohl für einen Wert hat und der
Brautvater erhält 1 Kuh oder 2. Je nach dem Verhandlungser-
gebnis. Dafür müssen die Brauteltern aber die Hochzeit aus-
richten. Die Braut wird am Hochzeitstag vom Brautführer dem
Bräutigam zugeführt. Stets in weiß und mit möglichst langem
Schleier, der auch über das Gesicht fallen muß.

Wir fahren heimwärts noch einen kleinen Umweg, weil Herr S.
sich noch an einem Schieferbruch erkundigen will, ob er zu-
geschnittene Schiefern erhalten kann. Man verhandelt ausgiebig
und lang und schließlich muß Herr S. erst mal einen ganzen
Stapel Schiefer (etwa 1×1 m) kaufen, von denen die Probe-
schiefern geschnitten werden. Herr Singerhoff hat gleich ein
Brett dabei, das die angemessne Größe angibt und darauf
schreibt er seine Adresse, was er haben will und was er schon
bezahlt hat. Die Leute verstehn sowieso nicht, wie man auf
Häuser Schieferplatten machen kann und sie schütteln völlig
ungläubig den Kopf, wenn sie erzählt bekommen, daß so ein
Rieddach, wies hier nur die allerallerärmsten Rwander auf
ihren Hütten haben, in Deutschland was Superteures ist.

Bevor W. u. ich am nächsten Tag wieder heimfahren, kaufen wir
noch eine lange Liste in Kigali ein. Erst mal wird getankt.
Wenns überläuft, ist der Tank voll. Wir haben aber trotzdem
Glück, denn oft ist das Benzin einfach alle. Man muß also
stets einen großen Benzinkanister dabei haben. Son Einkaufen
dauert lange. Überall sucht und verhandelt man. Was die Ge-
schäfte anbieten ist ja nie von außen zu sehen aber W. kennt
sich aus und steuert die richtigen an. Es fragt sich nur, ob
das Gesuchte gerade da ist. Oder es ist so schlecht, daß es

in ein paar Tagen wieder kaputt ist. (z.B. bei den Installa-
tionssachen). Dafür ists teuer. Nägel werden auch nur lose
verkauft und wir freuen uns, daß unsere in einen Plastík-
beutel gepackt werden. Wenn die Geschäfte zu voll sind, bleibe
ich lieber draußen. Die Schwarzen haben einen recht strengen
Eigengeruch (wir für sie sicher auch) und in einem Gedränge
wirds mir dadurch ganz übel. Vielleicht gewöhne ich mich noch
dran wie die anderen auch. Besonders auf den Märkten muß man
die Preise genau im Kopf haben sonst wird man als Weißer un-
weigerlich übers Ohr gehauen. Die Händler versuchen fast
jedesmal, das Geld falsch herauszugeben und wenn man sagt, es
wäre zu wenig, verstehn sie auf einmal überhaupt nichts mehr.
Da muß man schon recht konsequent sein.

Als es fast Mittag ist, gehen wir in die kigaler Molkerei und
kaufen uns jeder ¼ l Buttermilch in einem Blechbecher. Der
sieht recht sauber aus. Am Eingang steht ein Mann an einem
kleinen Tisch und verkauft eine Art Einback. Als wir rein-
kommen, bricht er gerade ein Stückchen ab und isst es. Währen
W. die Milch und dann Butter und Käse kauft, stochert der Mann
unausgesetzt in seinen Zähnen rum. Wir kaufen uns aber trotz-
dem jeder ein Stück Einback. Was solls! Inzwischen will eine
Weiße geschnittenen Käse kaufen. Die 3 Verkäuferinnen geraten
ganz schön in Schwulität. Jeder schneidet mal ein Scheibchen
ab und die Waage ist ja auch ein verkniffeltes Ding. Der Käse
wird von den dreien scheibenweise draufgelegt und wieder ab-
genommen, bis sie sich mit dem Preis einig werden.

Als W. anschließend auf der Bank Geld holt, sitze ich dem
Kassierer gegenüber und warte. Er hat gerade nichts zu tun,
lümmelt auf seinem Stuhl herum und popelt ausgiebig. Als er
merkt, daß ich ihn angucke, lächelt er freundlich und popelt
weiter.

Sämtliche Autowerkstätten haben noch irgend einen Handel dabei,
der garnichts mit Autos zu tun hat. Als es mal in Kigali keine
Kühlschränke gab, ließ z.B. ein kleverer Geschäftsführer von
Fiat schleunigst eine Reihe davon einfliegen. Sowas spricht
sich ungeheuer schnell rum in die entferntesten Winkel Rwandas
und Cl. bekam damals auch einen davon.
Die meisten Geschäfte haben sowieso alles. Seife neben Tonnen

voller Palmfett, Schnürsenkel neben Zigaretten und Zucker,
Lebensmittel genau neben dem Waschpulver usw. Als W. in der
Apotheke die bestellten Medikamente abholt, liegen auf der
Theke Porreebündel und lose Kartoffeln und darunter 2 tote
Hühner. Na, denke ich, das ist aber wirklich zu stark. Aber
sie wollen die Sachen nicht verkaufen. Eine Verkäuferin hat
sich die Sachen nur zum abends Mitnehmen dahin gelegt. Achso!

Kigali ist in den allerletzten Jahren ganz enorm gewachsen.
Hügelauf, hügelab stehn neue Häuser und in der Stadtmitte
entstanden sogar 3geschossige Mietshäuser, eine Sache, die
die Rwander bis dahin überhaupt nicht kannten. Man hat schöne
breite neue Zufahrtsstraßen gebaut (und tut das noch) und
zum Flughafen wollte man unbedingt eine 8 spurige Straße
bauen. Es wurde aber nichts, denn der Autoverkehr dorthin ist
mäßig. An einer der Baustellen trafen wir einen deutschen
Straßenbauingenieur, den Werner Hohenwald, der mal in Waren-
dorf gearbeitet hat, wo wir 6 Jahre in der Nähe wohnten und
die Kinder zur Schule gingen. Na also. Da kennt man sich ja
schon gut und gleich wird vereinbar, daß ich die nächste
Woche mit Frau Singerhoff mit ihm in Richtung Vulkane nach
dem Nordwesten fahre, wenn er an seinen Baustellen die Löhne
auszahlt.

Bei Cl. war inzwischen nachts eine stark blutende Frau ge-
bracht worden, die der 4. Fehlgeburt entgegen sah. Auch sie
kam stets im allerletzten Moment. Cl. fuhr sie ins Krankenhaus.
Das macht sie stets sofort – wenn sies weiß. Der Mann der Frau
wurde nämlich erst von den Nachtwächtern angehalten, die sag-
ten, daß C. nachts nicht zu stören sei. Der Mann schlich
sich nach einer ganzen ängstlichen Zeit an die Haustür und
klopfte. Nachher stauchte Cl. die Nachtwächter gehörig zu-
sammen.

Monatlich muß sie die Einnahmen und Ausgaben bei dem med. Vor-
stand in Kigali abliefern. Nun macht sie die Sache aber auch
zu schwierig. Auf einer Seite schreibt sie die Ein- auf der
anderen die Ausgaben. Damit kann man auf der med. Stelle über-
haupt nichts anfangen. Sie soll alles schön untereinander
schreiben. Wie dann der Saldo ausgerechnet wird, bleibt dahin-
gestellt.

Am nächsten Morgen gehe ich mit Wieland 2 Stunden um das
Tal von Mukoma herum und an Gaspards sehr sauberer Hütte vor-
bei. Wieland knipst sie und als er ihm dann das Bild schenkt,
erkennt er sein Anwesen lange nicht. Plötzlich erhellt sich
sein Gesicht und er freut sich unbändig. Morgens läuft er von
zu Hause den Hügel durch die Felder hinunter bis ins Tal und
auf der anderen Seite wieder rauf bis Mukoma. Das dauert bei
ihm 15 Minuten. Er hat lange auf ein Fahrrad gespart und den
Rest gaben ihm Cl. u. W. dazu. Ganz stolz kommt er nun mit
dem Fahrrad. Da kann er aber die kleinen Pättchen zwischen
den Feldern nicht langfahren und muß einen großen Umweg ma-
chen. Stolz erzählt er, daß er nun bloß noch 12 Minuten
braucht.

Neben seinem Anwesen hängt in einem Baum ein Bienenkorb. Eine
lange hohle Rolle aus Bananenblättern und Bambus. Die Bienen
sind hier halb so groß wie in Europa. Wird der Honig geerntet,
es hängen überall und viele solcher Rollen herum, wird der
Honig mitsamt Waben und Bienen einfach ausgeschüttet. Die
meisten Bienen fliegen zu einem neuen Korb. Das andere wird
so verkauft. Man pult halt das Wachs und die paar Bienen he-
raus und der Honig schmeckt prima.
Wir laufen heimwärts auch den Pfad, den Gaspard immer ent-
langgeht. Ich keuche hochwärts wie ein Walroß und wir brauchen
½ Stunde dazu.

Abends fahren dann Cl., W. und ich zu einer Geburtstagspartie
nach Uyabisindu in der Nähe von Kigoma. Dort sind mehrere
deutsche Famflien zusammen. Sie arbeiten beim GTZ = Gesell-
schaft für technische Zusammenarbeit. Lauter Agraringenieure.
Sie sollen den Bauern helfen, wie sie was am besten anpflanzen.
Es klappt aber nur in einzelnen Fällen. Genau wie die An-
schaffung der Milchkühe- und Ziegen. Sie halten den Bauern
Vorträge über den Anbau der gesunden Sojabohnen, zeigen es
ihnen natürlich auch. Die Bauern sind begeistert aber bei den
nächsten Anpflanzung ist keine einzige Sojabohne dabei. Einige
der Ingenieure arbeiteten schon in anderen afrikanischen
Ländern und sie erzählen, daß es dort wieder völlig andere
Schwierigkeiten gäbe. Die Grenze nach Burundi z.B., wo sie
öfters mal drüber fahren müssen, wird abends punkt 18 Uhr ge-
schlossen bis zum Hellwerden des nächsten Morgens. Ebenso ist

die Grenze dicht in der 2 stündigen Mittagspause. Da muß man
eben Geduld haben. Immerhin höre ich bei der interessanten
Diskusion heraus, daß diese Agrarleute sich große Mühe geben,
den Bauern zu helfen.
Und am nächsten Abend passiert für die Mukomer etwas Einzig-
artiges. Die missionarische Station rückt mit einem Film an.
Die kleine Leinwand wird auf dem Weg vor der Kirche oben am
Hügel aufgebaut. Man kann den Film auf ihr von beiden Seiten
verfolgen. Von weit her kommen sie mit ihren Laternen ange-
laufen und setzen sich dicht bei dicht rundherum. Dieses Er-
eignis wurde in der Kirche angesagt. Ca. 1000 Leute kommen.
Es wird, verteilt auf 3 Abende, die Leidensgeschichte Jesus‘
gezeigt. Ein amerikanischer Film, wozu ein rwandischer Evange-
list auf Tonband dazu erzählt. Es war für die Leute eine ganz
große Sensation und die meisten wunderten sich, wo die Stimme
herkam. Zuerst einmal wurde laut und anhaltend gebetet und
die Stimme des Predigers hörte sich an, als stände der Gene-
ral vor seiner Kompanie, besonders das fortwährend heraus-
gebrüllte Haluleja. Wir saßen dazwischen und Eugenie über-
setzte uns das Wichtigste. Es war eine wunderschöne Szene. Der
Mond schien und wurde ab und zu von vorbeiziehenden Wolken
verdeckt; vor der Leinwand wackelte ein Zedernzweig hin und
her, Die Grillen zirpten und die Frösche quakten. Die Gemeinde
sang sehr viel und schön, der Pfarrer verdonnerte diejenigen,
die rauchten und tranken und sagte, wie glücklich die Leute
sein könnten, so einen lieben Herrn zu haben, der den Kranken
und Armen helfen würde usw. Nach einer endlosen Litanei folg-
te dann der erste Teil des Films und die Leute freuten sich
wie die Kinder über die Schafherde, wie der Herr den Sturm auf
dem Meer zur Ruhe bringt, wie das Brot nicht alle wird. Er
vollbrachte Wunder über Wunder. Das störte die Leute weniger;
sie nahmen eher die Bilder in sich auf und wie sich alles so
schön bewegte. Zwischendurch wurde wieder ausgiebig und laut
gebetet, ehe das nächste Stück Film folgte.

Die Leute rückten vor lauter Begeisterung immer näher an mich
ran und ich konnte nicht mehr auf dem Boden sitzen. Außerdem
verbreitete sich wieder der Eigengeruch zu stark. Ich stand
deshalb auf, balancierte über die Leute hinweg und wollte
heimgehen. Das klappte aber nicht, denn oben vor der Kirche

erwischte mich der alte Pastor, ließ den einzigen Stuhl aus de
Kirche holen und er setzte sich auf die gebrachte große Trom-
mel neben mich. Ich mußte weiter zugucken. Er sprach unaus-
gesetzt auf mich ein und rückte mit seiner Trommel immer
näher. Ich nickte und lächelte und verstand nicht ein Wort.
Dann ließ er mir noch eine Wolldecke holen und legte sie über
mich. Es war wirklich sehr lieb gemeint. Wenn gesungen wurde,
sang mir der Pastor ins Ohr hinein, gab mir ab und zu die
Hand und freute sich. Am Schluß wetterte der Evangelist noch-
mals, was die Leute alle nicht tun dürften, denn dann kämen
sie nicht in den Himmel. Wer rein wolle, solle die Hand heben.
Sie hoben sie alle und nach einem donnernden Haluleja gingen
sie zufrieden heim.

Als der Film am nächsten Abend auf dem Hügel weiterläuft,
geht C. mit den Kindern hin und sie wird ebenso nett
von dem Pastor empfangen wie ich am Vortag. Diesmal blitzt
und donnert es aber in der Ferne. Wetterleuchten war sowieso
fast jede Nacht. Als der Film zuende ist, fragt ein etwa 6
jähriger Junge die Cl., wo es zum Dorf soundso ginge? Er
war daheim weggelaufen, um das Wunder Film zu sehen und das
6 km weit weg im Stockdunklen. Es fanden sich dann Frauen, die
denselben Weg gingen.

Beim nächsten Einkauf fuhren wir auf den Markt des nächsten
Örtchens. Nach Kinazi. Nur 20 Minuten zu fahren. Das Auto
wurde wieder sofort umlagert von Neugierigen. Mir verging der
Appetit auf Fleisch, als ich es liegen sah.
Auf den meisten Märkten wird morgens ein Rind geschlachtet.
An Ort und Stelle. Wenn Cl. u. W. Fleisch kaufen wollen, gehe
sie stets ganz früh (vor 9 fängts aber nicht an) und kaufen
Stücke von dem Fleisch noch ehe sie übersäät sind mit Fliegen.
Die Kuh wird also getötet, das Fell abgezogen und ausgenommen.
Dahn legen sie die Kuh auf das Fell samt den Innereien dabei.
Will einer Fleisch kaufen, so wird die Machete genommen und
irgend ein Stück abgesäbelt. Gehts nicht ganz, wird mit den
Händen nachgezerrt. Ein richtiges Zerlegen kennt man nicht,
Abfall und Hörner werden mit Schwung weggeworfen; die großen
krähenartigen Vögel warten schon drauf.
Wie oft habe ich bei so einem Anblick gedacht: Nee, das kannst
Du ganz bestimmt nicht essen! Es ging-aber doch und schmeckte

sogar und bekam obendrein noch.
Wir kauften noch schnell für Marthe Palmöl, das ganz gelb und
dickflüssig, mit dem Löffel aus einer großen Tonne auf ein-
Papier geschmiert wird, Weil wir eine Dose für das Fett dabei
hatten, wurde sie auf der Waage erst mit Nägeln aufgewogen,
ehe das richtige Gewicht draufgestellt wurde. Lange hats ge-
dauert, bis das Gewicht stimmte, aber es klappte. Man konnte
in dem Laden so sehr schlecht sehen, weil er sich inzwischen
total verdunkelt hatte, denn innen und außen standen wieder
mal die Leute und guckten, was wir kauften.

Auf jedem Markt werden auch von weisen alten Männern Zauber-
mittel verkauft. Und sie gehen gut. Auf dem Boden ausgebreitet
liegen verschiedene getrocknete Wurzeln, Häufchen von mehreren
Pulvern. Auf einer Decke verkauft ein Mann eingewickelte
Bonbons. Das Stück umgerechnet ca. 4 Pfg. Er verdient so gut
wie nichts, denn sie sind viel zu teuer und außerdem sind
die Rwander überhaupt keine süssen Sachen gewohnt. Auch das
Zuckerrohr kauen sie selten selbst.

Zum Schluß kaufen wir noch einen geflochtenen großen Deckel,
wo wir das Korn drauf trocknen wollen, ehe es zu Schrot gemah-
len wird in einer Handmühle, denn die Gemeindemühle ist noch
nicht fertig. Die Frau freut sich, einen Bastdeckel loszu-
werden und greift nach dem vereinbarten Geld. Der Mann ist
aber schneller. Er fasst von hinten zu und schnappt das Geld,
womit er sofort verschwindet. Die Frau jammert, daß er es nun
wieder versöffe und sie für die ganze Arbeit nichts hätte. W.
gibt ihr dann noch eine Kleinigkeit.

Auf jedem Markt sind auch ein paar Kneipen. Meist sitzen die
Männer, auch Frauen, meist alte, davor und trinken ihr Bananen-
bier mit dem Strohhalm aus einer kleinen Kalebasse. Morgens
arbeiten die Männer meist in der Woche über auf ihren Feldern.
Mittags aber muß die Frau allein weiter machen, weil die Män-
ner dann ihr Sorgo-Bier trinken gehn.

Friedhöfe gibts in Rwanda nicht. Selbst in den Städten nicht.
Jeder vergräbt seinen Angehörigen auf dem eigenen Stück Acker
und das sehr tief vonwegen der Geister. Wenn ich dabei hier an
die Beerdigungskosten denke!

Am nächsten Abend fahren Cl. und ich erneut nach Kigali. Ich
will ja mit Frau Singerhoff mit Herrn Hohenwald zu den Vul-
kanen fahren und C. muß am nächsten Morgen ihren weite-
ren Besuch am Flugplatz abholen. Einem französischen Ehepaar
aus Le Chambon sur Lignon, wo sie ¾ Jahre auf der Sprach-
schule waren. Ich fahre mit zum Flugplatz, weil wir erst am
übernächsten Tag die Fahrt machen. Erst bringt mich Cl. in ein
neues Hotel nahe dem Flugplatz. Da ist eine Ausstellung von
winzigen handgefertigten Tonfiguren. Jede Figur stellt ein
anderes einheimisches Handwerk vor. Die Gesichter sind wunder
schön ziseliert und ich kaufe eine ganze Menge für meine
Kinder. Sie werden vorsichtig in viel Papier eingewickelt und
sogar ein Karton findet sich.

Anschließend gehts zum Flugplatz. Die Air France kommt auch,
sehr voll, pünktlich an. Es sind so viele Fluggäste, daß
keiner der wartenden rein darf in die Halle. Unser Besuch
rückt und rückt nicht vor und zum Schluß sind sie noch ganz
alleine in der Halle. Sie haben ihren Impfpass vergessen.
In anderen Ländern kann man nachgeimpft werden, hier nicht.
Erst sollen Isabelle und Pierre überhaupt nicht rausgelassen
werden. Dann doch, weil sie mit Cl. in die Botschaft fahren
sollen. Ich werde bei Singerhoffs abgeladen, weil wir noch
zusammen in die Stadt bummeln wollen und die drei fahren zur
Botschaft. Dort kann man ihnen nicht helfen. Sie müssen zu-
rück zum Flugzeug und abends mit ihm wieder heimfahren.
Cl. wartet, bis sie in der Vorhalle sind und fährt ganz trau-
rig die 2 Stunden heim.

I. u. P. marschieren also ins Flugzeug und kurz bevor es weg-
fliegt, erscheint ein Mann und holt sie doch raus. Der Impf-
pass darf per Diplomatengepäck nachgeschickt werden. Sie über-
nachten bei einem franz. Botschaftsangehörigen und mit viel –
Mühe kriegt der raus, daß die Bekannten von Cl. u. W. in
Kigali Singerhoffs sind. Den Namen wußten sie nicht, nur daß
er Architekt ist, sie im Dispensair arbeitet und daß sie 2+
Kinder haben.

Am nächsten Morgen wird also Viktoria S. angerufen und sie
unterbricht ihre Arbeit und holt die beiden heim. Sie fahren
dann am nächsten Tag mit uns und Werner H. die Tour mit, weil
Wieland sowieso abends kommt und mich abholt. Welch eine
Gastfreundschaft!

Wir kaufen dann zusammen ein, denn gleich 3 neue Gäste, da
muß Vorrat rangeschafft werden. Sauerkraut kostet DM 3,20 das
Kilo, exportiertes = DM 8,50; 1 Dose Kondensmilch = DM 3,-,
Butterfett 5 kg aber nur DM 23,-; 1 kleine Flasche Ketchup =
DM 4,-; 1 Tafel Schokolade 100 g = mind. DM 6,-; Nutella =
DM 15,-, dafür Zigaretten, Wurst, Kaffee, Tee, ein ganzes
Stück billiger als bei uns daheim. Dann trinken wir in dem
einzigen schönen (nach unserer Ansicht) Kaffee einen Saft.
Von der Terrasse kann man über einen großen Teil Kigalis
schauen und weit in die Berge hineinsehn. Es ist ganz euro-
päisch mit einer Art Ikeamöbel ausgestattet, schön sauber,
denn der Besitzer war mal Botschafter in Bonn. Hier sitzen
Schwarze und Weiße ganz durcheinander.

Ein Junge passt derweile wieder auf unser Auto auf und be-
kommt ein paar Francs dafür. Hier im Stadtinneren wird ge-
klaut, was nicht niet- und nagelfest ist. Es sind ganze Ban-
den, die auch an den Autos Ware anbieten und sie kennen die
Weißen genau. Nimmt man ihnen ab und zu was ab, dann wird
man verschont, ansonsten guckt keiner hin wenn das Auto auf-
gebrochen wird. Victoria weiß genau, wo sie das Auto so stehn
lassen kann und wo sie einen Aufpasser bezahlen muß. Sie
kauft eine Menge Palmkerne (das gelbe Palmfett wird davon ge-
macht). Daheim werden diese pflaumengroßen gelben Früchte
weich gekocht und das bißchen Haut und Fleisch um den großen
Kern abgepult und durchgerührt. Hiervon kocht V. dann auf
rwandisch „Huhn in Palmfett“, nur daß bei ihr die Sache sämi-
cher ist durch das Fruchtfleisch. Weil ich so schön abgepult
habe, werde ich gleich für den letzten Abend vor dem Flug zu
so einem Huhn eingeladen.

Ich gucke auch genau beim Brotbacken zu, denn Eugenies Sauer-
teigbrot krümelt viel zu sehr und schreibe mir genau das Re-
zept auf. Daheim backe ich das Brot 2 mal mit Eugenie und es
gelingt gut aber als sie es selbst backt, krümelt es wieder
genau so. Mit der Zeit wird sies schon hinkriegen.

Übrigens, als Isabelle und Pierre nach ein paar Tagen ihren
Impfpasse abholen, erzählt man ihnen, daß nach ihnen 7 Leute
zurückfliegen mußten. Es soll nun so gehandhabt werden, daß
der Impfpass schon beim Abflug geprüft wird. Hoffentlich

setzt sich das durch, denn wer ist nicht total geschafft,
wenn er seinen schönen Urlaub sausen lassen muß und obendrein
noch das viele Geld.

Am nächsten Tag kommt der Straßenbauingenieur Werner Hohen-
wald vorbei und läd uns Vier in seinen ganz neuen VW-Bus. Ich
darf vorne sitzen und er erklärt uns unterwegs alles sehr
schön.

Wir fahren die ganz neu fertig gewordene Straße nach Ruhan-
geri, das nordwestlich bei den Vulkanen liegt. Man ist gerade
dabei, die Plastikleitpfähle einzugraben und heimwärts leuch-
ten sie neu und vorschriftsmäßig, daß man schön zügig fahren
kann. Werner erzählt uns, daß vor 5 Monaten ein anderes Teil-
stück fertig geworden ist. Nicht an einem Leitpfahl wäre mehr
ein Katzenauge. Das haben sich durchweg die Rwander für ihre
Fahrräder und sonst irgendwas geholt. Auch diese neue Straße
wird wieder von den Rotchinesen gebaut; der Bauherr ist dies-
mal die Bundesrepublik. Früher fuhr man die Strecke in 8
Stunden, jetzt braucht man 1 ½ Stunden für 150 km. Herr H.
erzählt, daß, wenn die Straßen alle fertig seien, eine ganze
Menge kleiner Flugstrecken abgesetzt würden, weil die sich
dann nicht mehr lohnen.
Wir fahren wieder über einen Pass von 2 300 m ü.M. mit vielen
Chininbäumen. Chinin wird ausgeführt und aus dem Bergbau
Rwandes das Kassiterit und Wolfram. Dann ist noch ein großes
Exportgut das Pyrethrum, das für hiesige Insektenvernicht-
tungsmittel verwandt wird.

Viele Sorgofelder sehn wir. Hieraus wird Mehl und Bier gemacht.
Die Pflanze sieht aus wie Mais und oben drauf eine Dolde, die
wie Hirse aussieht. Weiter fahren wir an einem Wasserfall
vorbei, wo eine Menge Ibisse und Nimmersatts (Störche) davon-
fliegen. Die sehen wir auf dieser Strecke noch oft.

In Ruhangeri, auf der Landkarte groß gemalt, aber ein winziger
Ort, steht eine neue pädagogische Hochschule.
Hier fahren wir östlich ab, immer am Horizont die Vulkane, bis
zur Steinbrechanlage, wo W. die Löhne auszahlt. Ach, denke
ich, er meint ein Schotterwerk. Dem ist aber nicht so. Die
Steine werden erst mal – Lawagestein – gesprengt, dann werden

sie von Arbeitern mit riesengroßen Vorschlaghämmern klein
gehauen und erst dann laufen sie durch die Schottermaschine.
Ist mal was kaputt, auch an der dann von uns angefahrenen
Teeranlage, dann wäre erst mal Sense, denn Ersatzteile gibt
es nicht. Die Ingenieure müssen sehr findig und geschickt
sein, um die Maschinen mit provisorischen Ersatzteilen wieder
in Gang zu bringen.
Im Fluß an der Steinbrechanlage, den wir, während ausgezahlt
wird, auf der Holzstammbrücke (wie alle) überlaufen, haben die
Rwander vor ½ Jahr ein großes Krokodil getötet.
Hinter der Brücke arbeiten viele Leute in einer großen
Ziegelei. Die Ziegel werden in der bewußten Holzform geformt
und dann auf Haufen vorgetrocknet. Danach wird davon eine
große Pyramide, innen hohl und mit Löchern an der Seite ge-
baut und unten drin ein Holzfeuer gemacht. So werden sie ge-
brannt. Daneben stehn Arbeiter auf Baumstämmen und zersägen
sie längs. Bis die da durch sind!

Der Karisimbi ist der höchste Vulkanberg von den fünfen.
Hier im ganzen Höhenzug gibts noch Gorillas und Elefanten.
Man kann die Berge mit Führern erklimmen.
Dazu biwakiert man erst mal auf halber Höhe. Auf den 2 höch-
sten Gipfeln liegt Schnee.
Wir fahren an der Zairegrenze entlang zum Kiwusee nach
Gisenyi. Dies ist der vornehmste Badeort am ganzen See. Schö-
ner Sandstrand (wahrscheinlich aufgeschüttet) und hinter der
Promenade stehn noch sehr schöne alte Villen aus der Kolonial-
zeit. Sie hatten sich wirklich eine sehr schöne Stelle am See
ausgesucht. Wir picknicken am Strand auf einer Steinbank und
sofort umringen uns wieder die Händler. Nachdem W. eine rie-
sengroße gestückelte Felldecke (Wasserratte) gekauft hat für
umgerechnet DM 260,-, jagt er sie fort, daß wir uns umziehen
können und baden gehn. Diese Decke, so erzählt Werner, wurde
ihm jedesmal angeboten. Er nahm sie nie und sie wurde immer
billiger„ Jetzt war sie ihm genehm und die jungen Burschen
freuten sich. Vorne im Ort am Kiosk verhandelt er noch ewig.
Er kennt alle und ist scheints sehr beliebt. Er kauft eine
Menge runder Käse (aus Zaire), Obst und geschmuggeltes Bier.
Diesen letzten Verkäufer kennt er scheints besonders gut und
meist kauft er ihm ebenfalls Käse ab. Das letzte Mal hatte der

junge Mann ihn gefragt, ob er vielleicht etwas Käse mitnehmen
könne nach Kigali wenn er mit seiner Arbeit fertig sei. Jaja,
sagte Herr H. Am verabredeten Ort standen dann die Schwester
des Jungen und die Mutter mit einen Haufen Rollen Käse, die
sie in Kigali weit teurer verkaufen wollten. Für den gesamten
Transport bekam er 5 Käse geschenkt. Irgendwie kamen Mutter
und Tochter dann schon wieder zurück.

Unterwegs kauft er dann noch Kartoffeln. Sie werden in einer
Art Netz aus Bananenblättern verkauft. Ca. 28 kg pro Packen.
Außen die großen, innen die kleinen und schlechten Kartoffeln.
Der Mann klemmt sich das Netz zwischen die Knie und hängt es
dann an so eine kleine Hängewaage. Ruckzuck, es sind mind.
4o kg. Werner kennt das schon und lacht.
Das angefahrene Zementwerk, es ist schon Abend, hat dann lei-
der geschlossen. Hier soll der Zement halb so teuer sein wie
in Kigali und das nächste Mal will W. für alle Bekannten in
einem Laster Zement mitbringen lassen.
Ich will unterwegs einen Bastläufer kaufen, aber auch da ist
geschlossen. So verkaufen mir am Schluß Singerhoffs einen,
sie können sich ja wieder einen neuen holen, Sehr schön dicht
gewebt mit einem schwarzen Zackenmuster drauf. Ca. 80 X 200 cm
groß und kostet 450 Rw.Frc. = DM 13,50.

Wieland wartet schon auf uns. Der Sohn Erk und Herr Singer-
hoff haben ihm inzwischen erzählt, daß Isabelle und Pierre noch
da sind. Da W. ja nur mich vermutete, kam er mit dem kleinen
Suzuki an. Der ist so eng, daß hinten kaum jemand sitzen kann
und gefedert ist er so gut wie überhaupt nicht. Wir quetschen
uns aber alle rein mitsamt dem Gepäck von I.u.P. Als wir
heimkommen, hat W. den Hausschlüssel nicht dabei und braucht
lange, bis er die C. geweckt hat, so kaputt ist sie.

Till hat inszwischen von seinen Missionseltern, wo er die
Woche über wohnt, einen ganz jungen niedlichen Hund mitge-
bracht. Er pinkelt auf Schritt und Tritt und darf deshalb
nicht ins Wohnzimmer. 2 Nächte lang heult er ganz jämmerlich
im Stall, dann hat er sich dran gewöhnt, außerdem bekam er
dann einen alten Pullover in seinen Kasten. Die Katze beo-
bachtet ihn argwöhnisch und hat Angst vor ihm, er frisst ihr
auch im Eiltempo alles weg.

Ein paar Tage später packen wir abermals den Campingbus und

fahren in den Nationalpark L’akagera. Er liegt östlich in
Rwanda und ist 260 ooo ha groß und ohne Zaun drumrum.

Unterwegs machen viele Rwander „Umuganda“ = Gemeinschaftsar-
beit. Das müssen sie überall (wer keine Arbeit hat) jede Woche
einmal mitmachen. Meist bessern sie Wege aus. Einer neben dem
anderen stehn sie und hacken oder graben.

Wir holen den Erk Singerhoff ab, 14 Jahre, der schon oft mit
im Park war und ganz besondere Augen für das Wild hat. Es
macht eben die Übung. Genau wie das Pilzesuchen. Wieland
fährt, dann sitzen noch im Bus Isabelle, Pierre, die 3 jäh-
rige Nele und der 6jährige Till und ich.
Unterweg essen wir in einem rwandischen Restaurant Fleisch-
spieße (Ziege) mit Bilibili drauf (roter Pfeffer) und dazu
in Palmfett gebackene Bananen. Es dauert und dauert. Diese
rwandischen Lokale sind immer schön mit Sesseln ausgestattet,
meist schmierig und alt und ich spür schon immer den Floh
vorher. Wir warten eine ganze Stunde. Neben uns sitzen 6
Rwander und trinken Bier. Nele und Till gehn in die Küche,
um zuzugucken und kommen, jeder einen Fleischspieß in der
Hand, wieder raus. Da werden die Rwander furchbar böse und
schimpfen auf die Weißen, die immer zuerst bedient würden,
verhauen den Kellner fast und gehen wütend raus. Und das ist
ja die richtige Kundschaft des Lokals und uns sehr peinlich.
Dabei wären wir garnicht zuerst drangekommen, sagte man uns
dann. Die Fleischspieße sind zwar zäh aber schmecken gut.
Die Bananen sind nicht ganz mein Fall. Trotzdem esse ich
welche. Man muß eben alles probieren. 1 Fleischspieß kostet
30 RwFrc. und die Bananen 5. (loo Frc = DM 3,-)

Beim Weiterfahren tanken wir erst mal. Das Benzin wird noch
mit einer Handpumpe reingepumpt. Wir fahren zwischen lauter
Riesen-Lkws und es kommen uns auch dauernd welche entgegen
auf dem nun wieder schlechten Weg. Sie kommen von oder nach
Uganda, von der Küste aus Mombasse, aus Äthiopien, Zaire.
Auf der Hauptstrecke ist schon lange eine Brücke kaputt und
alle fahren nun diesen holprigen Weg entlang.

Fast an der Grenze von Uganda sehen wir ein enorm großes
weißes Zeltlager von ugandischen Flüchtlingen. Es zieht sich
weit über die Hügel hin.
Dann sind wir endlich am Park, Es gehen nur 3 Straßen rein
und raus und an Jeder ist ein Wachhäuschen. Pro Person

kostet das Befahren des Parks für 3 Tage DM 20,-; Kinder
nichts, Hier in Gabiro steht ein ganz modernes Hotel. Wir
fahren aber erst mal los und hinein in die Savanne und zwar
in nördlicher Richtung, Wir sehen sehr viele Vögel, große und
kleine, auch Geier, enorm viele große Termitenhügel (wovon
sehr gerne Ziegel gemacht werden, weil die Erde so fest zu-
sammenhält), Topis, Zebras, Springböcke, Impalas. Hier gibts
leider auch die Tsetsefliege in Massen, Im Laufe der 2 Tage
stechen mich 5 Stück und ich passe genau auf, ob sich der
Stich entzündet. Tut er das, kann man die Schlafkrankheit
kriegen und das sogar erst bis nach lo Jahren, Es entzündete
sich keiner!

Erk entdeckt einen Leoparden zwischen dem hohen Gras, baut
sein Stativ auf und läßt uns der Reihe nach durch sein Fern-
glas gucken. Der Leopard beobachtet uns zwar genau, rührt
sich aber ansonsten nicht.
Um 17 Uhr fahren wir zurück zum Hotel, wo ein Schild steht:
„Zum Zeltplatz!“. Es geht ca. 2 km weiter durch ganz hohes
Gras, bis mal ein kleiner etwa 50 qm großer Fleck kommt mit
wenig Gras und einer Feuerstelle, bestehend aus ein paar
Steinen. Der Zeltplatz. Die Kinder bauen Erks Zelt auf. Hier
werden er, Pierre und Isabelle schlafen. Wieland mit den
beiden Kindern schläft dann im Campingbus nebenan. Nachdem
wir uns das Abendessen bereitet haben, fahren wir alle zu-
rück zum Hotel, wo ich ein Zimmer bekomme mit Terrasse. Es
kostet die Nacht ohne Frühstück 3.100 RwFrc, ist aber schön
sauber mit Bad und extra Klo. Nachdem wir zusammen ein Bier
getrunken haben im exklusiven Lokal, fahren die Kinder zu
ihrem Campingplatz. Isabelle und Pierre können die ganze Nacht
vor Angst nicht schlafen. Ich will im Bett lesen, aber um
24 Uhr geht (bis morgens 6) das Licht aus.

Die Familie will mich schon um ½ 7 abholen. So brause ich
morgens kalt, denn warmes Wasser ist auch noch nicht da. Das
Zimmer muß sich ja lohnen und als die 6 erscheinen vor der
Terrasse mit dem Auto, wird erst mal das ganze Essen auf
den rausgeholten Tischchen des Zimmers verteilt. Die Stühle
holen wir raus und kochen auf unserem Kocher Tee. Während-
dem verschwindet einer nach dem anderen im Bad und braust
mit dem jetzt warmen Wasser. So machen sie es immer, erzählt

Erk. Der älteste darf im Hotel schlafen.
Um ½ 8 packen wir ein und fahren in östlicher Richtung los.
Oben auf dem großen Gepäckträger werden 2 Matratzen gelegt
und Erk, Isabelle und Pierre krabbeln mit ihren Kameras und
Ferngläsern hoch. Manchmal dürfen auch Till und Nele rauf.
Pierre wechselt sich mit Wieland ab. Ich bleibe lieber unten.
obwohl sie mich unbedingt hochhieven wollen.
An diesem Tag sehen wir enorm viel Tiere. Der Park ist ja so
groß, daß man l Woche darin Urlaub machen kann. Manche über-
n&Cht6n auch im Bus mitten im Park, um keine Zeit zu verlie-
ren. Das ist aber so eine Sache. Der Freund von dem Straßen-
bauingenieur tat das. Nachts mußte er mal, war aber zu fault
und schlief wieder ein. Am Morgen saßen 2 Löwen neben dem
Wagen und guckten neugierig.
Eigentlich wundere ich mich, daß die Tiere nicht doch irgend«
wann weglaufen, aber sie haben hier so viel Futter und so viel
Ruhe, daß sie da bleiben. Wir sahen 2 mal Löwen, Hipos = Nil-
Pferde, afrikanische Büffel, Zebras, Affen, Riesenwaldschweine
und Pinselschweine, viele Arten Antilopen, Wasserböcke.
Zuerst entdeckte Erk an einem Hang Löwen. „Fahr mal da rauf“,
sagte er zu W. und er fuhr von dem schon unmöglichen Pfad ab,
den holprigen Abhang hinauf. Das Auto hing ganz schräg nach
der Seite und wir naherten uns den Löwen immer mehr. Sie
fühlten sich sehr gestört, standen gemächlich auf und ver-
schwanden. Wir wieder den Hang runter gewackelt auf den Weg.
Nee, dachte ich, wenn wir jetzt gekippt wären und den ganzen
Hang runtergekullert wären und die vier oben auf dem Dach!

Zwischen einer Topiherde (Tier zwischen Hirsch und Rind)
frühstückten wir in herrlicher Sonne. Der Weg wurde immer
matschiger. Dann fragte uns ein holländisches Ehepaar (wir
trafen aber so gut wie keine Autos), wo die Löwen seien?
„Bleiben Sie nur immer hinter uns” sagten wir. Und wirklich
erspähte Erk noch einmal welche. Wieder gings vom Weg ab
auf die Löwen zu und das Ehepaar hinterher. Schön langsam und
vorsichtig. Es muß ja auch eine Plage für die Löwen sein.
Sie erhoben sich und verschwanden unter einem Busch wo sie
sich ganz sicher fühlten. Ich habe nur eine billige Box und
die meisten meiner Bilder sind wahre Suchbilder geworden.

Es wurde Mittag und E. dirigierte uns zum einzigen Picknick-
platz im ganzen Park, dem Hypo-Plage. Kurz vorher erspähten
wir 2 Hypos im dichten hohen Gras. Wir schnurstracks wieder
Vom Weg ab, aber da trauten wir uns nicht so nahe dran, denn
es sind ja mächtig große Tiere. Die Nilpferde im See wurden
dann eine richtige Enttäuschung. Zwar lagen genug drin aber
kein einziges erhob sich mal richtig. Hier hatten sich auch
ca. 20 Menschen angesammelt, 2 amerikanische Familien im
vorschriftsmäßigen Traberlook (nur die Sporen fehlten) mit
ihren Boys, 1 Taxe mit Rwandern und wir. Wieland kochte flug:
wieder Tee und wir schmierten uns Brote und aßen die von
Viktoria mitgegebenen Schnitzel. Anschließend kletterte wieder
die Hälfte von uns aufs Dach und weiter gings.

Ich rechne, wahrend wir die Affen und Springantilopen bewun-
dern, die Kilometer einer Nebenstrecke auf der Karte aus, 17
km sind es weniger. Nee, sagt E„, der Weg ist ganz bestimmt
noch schlimmer als dieser, denn wir schleichen nur so durch
ausgefahrenen Matsch. Trotzdem fährt Pierre den Nebenweg und
siehe da, er ist lange nicht so ausgefahren.

Als wir über einen Damm von ca. 10 m Länge fahren, brüllt W„
plötzlich: Stop! Neben uns im sumpfigen Wasser, den Kopf unter
Pflanzen, liegt ein Nilpferdo Auf meinem Foto ist natürlich
wieder nichts zu sehne W. klettert vom Dach und sammelt
Steinchen, denn das Tier soll sich doch mal erheben„ Jeder
wirft auf den Rücken, bis ein Steinchen den Kopf trifft, Da
entsteht ein gewaltiges Brausen und Krachen, 2 Nilpferde
tauchen mit Getöse auf und kommen den Abhang rauf auf uns zu„
So Angst habe ich noch nie gehabt. Ca. 3 m war der Abstand
und ich sah uns schon auf der anderen Seite des Dammes im
Sumpf liegen, ganz zertrampelt. Pierre gab Gas und fuhr los.
Ca. 10 m den Berg hoch – denn streikte der Motor und blieb
stehn. Und oh Wunder, die Nilpferde wälzten sich rum und
verschwanden wieder im Morast. So leichtsinnig ist man und
noch nicht mal ein Foto obwohl W„ auch das versucht hat aber
wahrscheinlich hat er den Himmel getroffen.
Gegen Abend an dem Nebenausgang ist kein Wächter. Hier kommt
sowieso niemand rein und raus. Also öffnen wir uns Selbst die
Schranke und fahren heim.

Einen Hügel von Mukoma entfernt wohnt ein alter „reicher“
Tutsi. Er kommt oft zu C. ins Dispensaire und läd uns
ein, mal seinen Hof anzugucken. Also marschieren Isabelle,
Pierre, Eugenie und ich eines Morgens los. Eugenie wie eine
Gazelle vorneweg, dann wir und hinter uns junge Rwander, die
sich ausschütten vor Lachen, wie wir den Trampelpfad entlang
ballancieren und über die Wassergräben hüpfen. Erst den Hüge
runter und drüben wieder rauf, Dann noch ein Stück geradeaus
und um die Ecke liegt schon der Hof. Wirklich groß! In Form
eines Vierecks liegt der Wohnraum, die Schlafräume, die Kü-
che und der Stall, alles schön eingezäunt. Das Plumpsklo
liegt außerhalb in einem Strohhüttchen.

Zuerst folgt die lange Begrüßung und wir überreichen 1 L von
W. hervorragenden Ananaswein, dann werden wir ins Wohnzimmer
gebeten. Darin steht eine Bank, ein wackeliger Tisch, 4 Klapp-
stühle und ein Bananenstrohteppich. Ein winziges Fenster ohne
Glas erhellt außer der offenen Tür den Raum. Ich sitze da mit
hochrotem Kopf und schwitze. Das Erzählen ist recht schwie-
rig, denn Eugenie übersetzt uns auf französisch, was der
alte Mann sagt und Pierre übersetzt es mir dann ins Engli-
sche und umgekehrt.
Etwas später erscheint die Ehefrau mit einer großen Kalebasse
Ugwagwa = Bananenbier und drei großen ½ Liter Plastikbe-
chern. Wir bekommen jeder einen vollen Becher und Eugenie
sowie die anderen trinken aus kleinen Kalebassen. Schon nach
dem 1. Schluck merke ich, wie stark das Zeugs ist. C.
erklärte mir mal, daß diese schnellen Biere sehr stürmen,
der Rausch aber nach ½ Stunde bis 1 Std. wieder nachläßt.
Ich dachte voller Grauen an den Heimweg hügelauf und brachte
es nicht fertig, mehr als ¼ Becher zu trinken„ Nun darf man
aber als Gast nichts stehn lassen und ich war in großen
Schwulitäten. Da tauschte der Pierre heimlich unsere Becher
und trank meinen auch noch aus. Der arme Kerl! Aber ich war
ihm sehr dankbar.
Wir bekamen noch die Tochter mit Kind vorgestellt und eine
Elevin, die auf diesem Hof die Landwirtschaft lernt. Ein
außergewöhnlich hübsches Mädchen. Als wir uns mit viel
Gestik verabschieden, erscheint ein abgehetzter kleiner
Junge mit einer Plastiktüte. Er hat irgendwo 3 Flaschen
Fanta gekauft für uns, eine ganz enorme Sache. Wir bekommen

sie mit nach Hause und winken uns zu, bis wir um die Ecke
verschwunden sind. Die 3 Fantaflaschen bekam die Tochter des
Tutsi dann an einem der nächsten Tage mit, denn Flaschen sind
sehr kostbar. Dieser alte Mann bringt der C. auch wö-
chentlich als Geschenk eine Staude Bananen oder irgendwas
anderes von seinen Feldern. Cl. muß dann jedesmal ein Gegenge-
schenk geben und sie gibt möglichst das, was hier nicht ange-
baut wird, daß die Leute auch ihre Freude haben. Kennen tut
der Mann alles.

Der Abschied naht nun bald für mich und ich schenke der Eu-
genie, der ich ein Kleid mitgebracht hatte (Cl. schrieb die
Größe) mein Silbernes Kettchen mit einem Topasanhänger. Die
Anette bekommt ein neues Seidenkopftuch (tragen sie alle) und
der Gaspard kriegt meine neuen Herrensandalen. nachdem ich
erst mal geguckt habe, ob er vielleicht meine Größe hat. Sie
passten genau. Ich hatte mir eingebildet, man müsse schöne
feste Schuhe dabei haben und erstand daher daheim diese San-
dalen nebst ein Paar Holzschuhe. Die Holzschuhe waren für den
Matsch ganz brauchbar.

Die letzten Tage gießt es hier wer weiß wie und die Leute
freuen und wundern sich, denn es ist seit 1 Monat Trockenzeit.
Einmal hagelt es große Körner und die Rwander schmeißen sich
voller Wonne mit Schneeballen. In 5 Minuten ist die Pracht
vorbei. Weil schon seit ein paar Tagen (als ich wegfuhr,
waren es 5) kein Tropfen Wasser aus der Wasserleitung kommt,
fängt W. Regenwasser auf. Er hat seine Plastikdachrinne ver-
längert, daß das Wasser in seine kleine Zisterne fließt und
stellt längs der Dachrinne Wannen und Töpfe auf. Die Dach-
rinne nämlich ist so dekrig, daß sie nach außen umkippt und
auf der anderen Seite des Hauses ist noch keine angebracht.
In 2 Tagen hat W. Zisterne und alle Tonnen voll Wasser. Die
Rwander finden das sehr interessant, stehn herum und gucken zu
aber keiner denkt dran, mal für sich selbst Wasser aufzu-
fangeno W. fährt zum Bürgermeister und fragt, was denn los
ware. Weiß ich auch nicht, sagt der, es kommt eben kein wasser
Nun wissen wirs! Ich überlege, was die Leute ganz ohne Wasser
machen. Eugenie sagt, die liefen über 2 Hügel zum Fluß. Ein-
mal hats 6 Wochen kein Wasser gegeben und kein Mensch wußte,
was los war.

C. ist inzwischen nach Kigali zum Zahnartz gefahren
und meldet auch gleich Wieland an, Sie haben Glück, daß sie
nur 2 Stunden zum Zahnarzt fahren müssen, Manche, die noch
weiter abseits liegen, brauchen 8 Stunden dazu Sie hat von
P.u.W. entwickelte Passbilder für J.S. dabei. Sein Sohn hat
lhn mehrmals åeknippäf und W. machte Auszüge daraus in Pass-
bildgröße. Es ist ja alles recht umständlich aber eigentlich
machts Spaß. Morgens bei der Abfahrt nimmt Cl. einen Kranken
mit ins Krankenhaus, aber der Campingbus springt nicht an.
Sofort versammeln sich eine Menge Leute drumrum und lachen
höhnisch. Dabei ist jeder froh, wenn er mal mitgenommen wird
falls er was in Butare oder sonst wo zu tun hat. Cl. nimmt
also den kleinen Suzuki und W, bastelt so lange am C. Bus
rum, bis er wieder fährt.
Dann reparieren W. u. Gaspard im strömenden Regen erst mal
die Dachrinne. Kaum ist das geschehen da merken wir, daß es
im Gästehaus ganz toll durchregnet. Die Betten sind schon
naß und im Wohnzimmer tropft es auch an 2 Stellen durch,
Das Gästehaus wird ausgeräumt, unter die lecken Dachstellen
Eimer gestellt und nachts schlafen I.u.P. im Wohnzimmer, bis
W. das Dach repariert hat. Eugenie hat Glück, da regnet es
so durch, daß sie noch in ihrem trockenen Bett schlafen kann.

Zum Schluß sind alle total naß durch die Räumerei. Wir kochen
Tee und Kaffe, ich schmiere eine Menge Marmeladen-Weißbrote,
und wir setzen uns zufrieden und fröhlich zusammen. Eugenie
und Gaspard tun sich mindestens 5 Löffel Zucker in ihren Tee
und G. isst alleine einen ganzen Teller Brote auf. Sie ver-
wenden ja daheim nie Zucker und ebenfalls kein weißes Mehl.
Als Cl. heimkommt erzählt sie, daß in Kigali ganze Straßen-
züge wegen Überflutung gesperrt waren, Dächer und Zäune he-
rumflogen und entwurzelte Bäume überall rumlagen.

Am Tag meiner Abreise (abends 23,50) werden morgens von einer
Deutschen aus Kigali der Vater, ein Arzt und Heilpraktiker,
und sein Sohn gebracht, die gerade von Deutschland auf Besuch
da sind. Sie wollen abends wieder mit zurückfahren. Ich wun-
dere mich, warum sie nicht mit der jungen Frau lieber übers
Wochenende kommen. Draußen versammeln sich die Mukomer und
dann kommt ein Taxi angefahren, vollgestopft voller singen-
der Rwander. Wieland hat die Sing- und Tanszgruppe des

Bezirks zum Abschied für mich bestellt. Sie alle wußten,
was da kommt, bloß ich nicht und die Leute freuten sich, daß
ich nichts gemerkt habe. Die Tänzer haben ihre Tanzkleider
nicht an, weil der Mann, der den Schlüssel für das Zimmer,
wo die Kostüme drin hängen, leider gerade nicht aufzutreiben
war. Macht nichts!

Die Tänzer gehen auf die Wiese im Garten und wir sowie die
Mukomer stehen drumrum. W. stellt seine große Buschtrommel
raus, wo der Takt drauf geschlagen wird und die Sänger legen
los. Sie singen vorwiegend Lieder der neuen Bewegung wie gut
sie es haben, was für eine firima Sache die Umuganda-Arbeit
ist, welch Glück, daß sie den Präsidenten Habyarimana haben,
der einer ihres Volkes ist und für sie sorgt, vom Abajam-
bere = Fortschritt und hüpfen und tanzen dabei sehr anmutig
und fröhlich. Die Gruppe erinnert mich sehr an die Bony M.
Gruppe mit ihrem ersten gelenkigen Vortänzer, nur eben viel
mehr Leute, W. nimmt den Gesang für mich auf ein Tonband auf,
Marthe und Eugenie schenken mir handgeschnitzte Sachen aus
dem Land. Zum Schluß bedankt sich erst W. und dann ich, was
nur aus mehrmaligen: danke, danke besteht, klatschen und freu-
digem Gesicht. Es reicht, denn sie klatschen ebenso freudig
zurück.

Abends, als wir losfahren nach Kigali, haben wir großes
Glück, daß der VW-Bus nach mehrmaligen Stottern anspringt.
C., die mir noch eine Menge Geschenke eingepackt hat,
und die drei Enkelkinder winken, bis wir über den Hügel ver-
schwunden sind. Frau Singerhoff hat das Palmfett-Huhn schon
fertig als wir ankommen. Es schmeckt, zusammen mit geschnit-
tener Kokosnuß, Reis, Salat und Grünkohl, wirklich sehr gut.
W. hat Zeit. Er schläft nachts bei S. und sagt, wir führen
nur 10 Minuten zum Flugplatz. Dann aber springt der Bus nicht
an. Sie probieren und probieren und zum Schluß fahren wir
mit S. Bus. Reichlich spät ists schon aber wir schaffens
gerade noch.

Im Flugzeug sitzt eine Deutsche neben mir, die ihre Tochter
in Kigali besucht hatte, Die Tochter ist mit einem Belgier
verheiratet, der in K. die Soldaten ausbildet. In Brüssel
gehe ich in den Transitweg lang, denn in einer Stunde fliegt das
Flugzeug nach FFm. ab. Ich sehe nicht, daß mein Sohn aus

Bochum wle verrückt 3 m über mir an die Besucherscheibe
klopft daß ich zum richtigen Ausgang gehen soll. Er läßt
mich dann ausrufen, aber da es eigentlich verboten ist,
dauert es sehr lange und ich darf nicht mehr raus, weil das
Gepäck bereits im Flugzeug wäre und in 15 Minuten der Ab-
flug ist. Ich rege mich ganz furchbar auf aber es ist nicht
zu ändern. Im Zug von Ffm. nach Kassel sitze ich mit einem
jungen Mann aus Elgershausen zusammen, der ½ Jahr in Mexiko
war und auch gerade heimkommt. Wir haben uns viel Interes-
santes zu erzählen und stellen fest, daß das Leben und die
Armut in beiden Ländern fast gleich sind, allerdings in
Rwanda viel gravierender. Er erzählt mir, mit welcher Flug-
linie ich viel billiger nach Rwanda fliegen kann. Zwar etwas
umständlicher aber was macht das schon.
In Kassel holen mich mein jüngster Sohn mit Frau und Kind vom
Bahnhof ab und abends erscheint noch der Sohn aus Bochum mit
Familie.

Die Hitze in Afrika, bis 40 Grad, hat mir sehr gut getan. Ich
hatte die ganzen 6 Wochen weder Kopfschmerzen noch sonst
irgendwas.
Auf dem Heimflug überwandt ich einen Temperaturunterschied
von 50 Grad, denn hier wars gerade sehr kalt, und ich hatte
keinerlei Schwierigkeiten. Naja, dann kann ich ja nach einer
Weile wieder hinfahren und weiter gucken.

 

Rwanda März und April 1986

Wir sollten das zweite Mal, so sagten uns die Kinder, zur Regenzeit
kommen, denn dann wäre die Vegetation enorm. Diesmal fuhr nämlich
unser Nachbarssohn und Freund meiner Söhne, Jens mit. Nach
seinem Abitur hatte er gerade die landwirtschaftliche Lehre hinter
sich und wollte nun in Witzenhausen tropische Landwirtschaft studieren.
Zuerst wollte er aber die „Tropen“ kennenlernen. Wir hatten
1/2 Auto in Form von lauter Ersatzteilen dabei und eine Menge gewünsch-
te Gegenstände. Um den großen Auspuff machten wir einfach ein Seil,
ebenso um die Puffer, daß jeder gleich sah, was wir mithaben. Infolge
der vielen Wünschen hatten wir unser Anziehzeug auf ein Minimum ein-
geschränkt. Eigentlich hätte ich so gerne meine Wanderschuhe mitge-
habt, aber das Reisegepäck war sowieso viel zu schwer. Wir mußten aber
freundlicherweise nichts nachzahlen.

In dem Flugzeug, der Sabena, haben wir sehr viel Platz und jeder
setzt sich natürlich ans Fenster. Ich sagte dem Jens, daß ich ihn
wecken würde, wenn der schöne Sonnenaufgang käme aber es kam keiner,
weils nämlich regnete. Vor mir saß ein junger Mann, der sich unausgesetzt
auf dem Kopf kratzte und dann guckte, was er an Schuppen unter
den Fingernägeln hat. Solche Menschen erlebt man ja wirklich überall
in den öffentlichen Verkehrsmitteln und mir wird immer ganz übel.
Schleunigst wechselte ich den Platz. Irgendwie scheinen die Flugzeug
zu fliegen wie sie wollen, denn diesmal flogen wir nicht über Kenia,
sondern erst mal westlich über Rwanda weg bis Burundi und erst dann
in einem Bogen nach Kigali. Der Flugplatz ist überhaupt nicht wieder-
zuerkennen, denn da steht ein hypermodernes Fluggebäude mit Ausguck-
plattform für die Gäste. Schade! Obwohl nun alles abgesperrt ist,
schafft es die C, die uns diesmal abholt, bis zum Zoll vor-
zudringen, denn da steht die Zöllnerin völlig ratlos vor unseren
Autoersatzteilen und dem riesengroßen Kofferradio (billigste). Ich
führe der Zöllnerin, mit Ton, vor, wofür die Lenkung, die Bremsseile
usw. sind und sie kriegt einen starren Blick voller Angst. Da packt
C den ganzen Kram vom Zolltisch weg, verteilt alles an uns und
meine Enkelkinder und das war wohl so das Beste für uns alle. Wir
müssen erst noch in Kigali einkaufen. Das war diesmal nicht vorge-
sehen, denn sie hatten 2 Tage vorher schon mal in der Hauptstadt in
der Apotheke zu tun gehabt. Leider ist aber auf der Heimfahrt der
große Kanister mit Petroleum umgefallen und sämtliche Lebensmittel
waren durchtränkt mit dem stinkenden Zeugs. Auch jetzt rochs noch
penetrant. Wir rumpeln also wieder die 2 Stunden bis Mukoma. Was ist
in dem einen Jahr aus dem Garten geworden, der nun das 2. Jahr steht:
Üppige hohe dichte grüne Pflanzen und Bäume lassen kein Stück Garten-
land durchgucken.

und es gibt in den folgenden Tagen ausschließlich Obst und Früchte
aus dem Garten. Dicke reife Papajas hängen im Kreis nach unten unter
den palmenartigen Blättern. Die Ananas sind zum Teil auf den Beeten
reif und um die Nebengebäude ranken sich die blauen und gelben Mara-
kutschas. Die Kuh hat ihr Kälbchen bekommen und gibt nun Milch für
die unterernährten Kinder. Vor dem offenen Stall schwelt unter einem
Blech das obligatorische Feuerchen, daß die Fliegenplage nicht so groß
ist. Daneben steht im neu erbauten Lehmstall eine trächtige Ziege.
Alles ist also enorm vorangekommen und gewachsen, bis auf die Haupt-
sache der ganzen Chose, nämlich das Gesundheitszentrum. Es steht genau
so wie im vorigen Jahr im Rohbau. Eugenie ist inzwischen im Gesund-
heitszentrum angestellt und der Küchenjunge heißt Atanas und wohnt
über 6 km weit weg. Morgens um 7 fängt er an und so um 3 läuft er
heim. Meist aber noch nicht, weil er noch mit den Kindern spielt.
Drüben im Disponsair hat Wieland jetzt auf dem Dach einen kleinen
Sonnenaggregat installiert und wenn das Licht hell genug ist, haben
wir abends im Wohnzimmer auch 1 Stunde elektrisches Licht, denn ein
langes Kabel ermöglicht diese Sache. Das Licht hat etwa die Stärke
von einer l5 Watt-Birne.
Bewölkt ist es nun meist bei ca. 25 – 28 Grad Wärme und die nächtliche
Gewitter sind enorm. Über mir über der Strohdecke wohnt irgend ein
größeres Tier im Besucherhaus. Ratten? Ich weiß es nicht. Vorsichts-
halber zieh ich mein Moskitonetz ganz stramm, denn die Strohmatte
ist schnell durchgefressen und wenn mir dann son Vieh auf den Bauch
platscht. Igittegitt. Ist aber nicht.
Ein paar Tage später ist im Disponsair Kinderimpftag. Das ist Pflicht.
Und siehe da, die Sonne scheint. Ganz früh morgens kommen wirklich
hunderte von Müttern an und setzen sich auf die Wiese rings um das
Haus. Sie rauchen und schwatzen und die Kinder brüllen. Wahrscheinlich
haben sie Durst. Wir stellen einen großen Pott voll Wasser hin, denn
der Gesundheitsdirektor aus Kigali erscheint nicht. Endlich um 10 Uhr,
fährt er vor. Wie ein kleiner Herrgott. Erst hat er aber eine furch-
bar wichtige Besprechung mit dem Gesundheitspersonal, wo er nur Mist
quatscht. Mittags fängt er dann an zu impfen und C darf helfen.
Bis abends sitzen die armen Babys mit ihren Müttern herum und keiner
wagt etwas zu sagen. Die Mütter wurden zwischendurch aber immer wieder
belehrt, wozu diese Impfungen gegen Diphterie, Masern, Tetanus,
Pocken usw. gut sind und als der Gesundheitsleiter, ein Schwarzer, zum
Schluß Stichproben bei den Müttern macht, ob sie noch wissen, warum
und wozu die Impfungen sind, weiß keine einzige warum. Der Tag war
aber trotz dem lauten Kindergeschrei interessant für sie, denn der
Impfer sprach mit Megaphon, das weithin schallte.
C hat 1 Zentner Sojabohnen gekauft. Sie werden 24 Stunden einge-
weicht und dann durch ein Tuch geschüttett Die Bohnen bekommt das Vieh.

Das sehr eiweißhaltige Durchgelaufene bekommen die Schwarzen – und
unsere Kinder als Milch.
Till wird 9 Jahre alt. Dazu kommen viele bekannte Familien aus Nah
und Fern. Auch Schwarze. Ich habe viele Kuchen gebacken und noch mehr
Weißbrot, denn die Schwarzen verschlingen lieber in unglaublich
kurzer Zeit eine Unmenge Weißbrot. Das kennen sie. Weil sies aber
selbst nicht haben, ist es eine tolle Sache. Kuchen aber gibts dort
ja gar nicht. Am Geburtstagsmorgen zogen Jens und Eugenie ins 6 km
entfernte Dorf zum Markttag und erstanden eine kleine Ziege für um-
gerechnet 45,- Mark, ein kleines Vermögen für den Verkäufer. Er (Jens)
schlachtete das Tier, zog es ab und löste das Fleisch im Groben von
den Knochen. Ich mischte eine Marinade aus Öl, Salz, Bilibili usw. ,
Atanas spitzte dünne Gerten an, schälte Zwiebeln und wir richteten
die herrlichsten Fleischspieße her, die es dann abends, gebraten
übern offenen Feuer, zu essen gab. Die Gäste schliefen dann, ge-
quetscht wie Sardinen, in ihren jeweiligen Campingbussen. Sämtliche
Ziegenknochen verschlang E.s Hund, fast ohne zu kauen. Unglaublich,
da zuzugucken.
Eugenie nahm Jens sehr oft mit, die Bauern zu besuchen. Und er
staunte, auf wie primitive Art sie ihre Äcker bestellen. Nur mit der
Hacke. Ein sehr kostbares Stück, wofür sie lange arbeiten müssen und
weil sie ja täglich benutzt werden, nutzen sie sich viel zu schnell
ab. Eugenie und noch ein paar Mädchen vom Gesundheitszentrum wohnen
zusammen, in einem halbfertigen Haus. Kein Wasser drin, natürlich auch
kein Licht, kein Klo, keine Möbel. Aber – es ist ein Haus und eine
Haustür ist auch vorhanden. Jetzt, wo sie Arbeit haben, nehmen sie
sich selbst sofort zusammen ein Hausmädchen, die für sie kocht vor
dem Haus und Wasser holt und Holz. Sie hat ein Baby. Platz ist ja
genug in dem Haus (wo später mal Arzt und noch Krankenschwestern
wohnen sollen), aber sie schlafen in nur 2 Zimmern und Hausmädchen
mit Kind mitten dabei. Sie haben furchtbare Angst vor Geistern und
nie schlief ein Mädchen allein. Sie sind es ja gewohnt, auf Matten
in ihrer Hütte auf dem Fußboden mit der gesamten Familie zu schla-
fen und nur ein paar reiche Bauern von früher haben 2 Schlafhütten.
Abends dauert es lang, bis die Mädchen bettfiertig sind. Sie flechten
nämlich ihr Haar in viele winzige Zöpfchen, weil sonst das Haar so
verfilzen würde, daß sie es nicht mehr auseinander bekommen.

Jens soll mal den jungen östreichischen Förster Günther ganz oben
im Norden des Landes besuchen. Er arbeitet in Niabisindu, hat aber
in Ruhango, der drittgrößten Stadt Rwandas, auch ein Haus von der
Entwicklungshilfe, daß er in seiner Freizeit nicht immer im Busch
bleiben muß. Das soll Jens kennenlernen. C bringt ihn das
größte Stück mit dem Auto und dann soll er mit der öffentliche Taxe

weiterfahren, um das mal kennenzulernen. Die bewußte Taxe, wo unten
im offenen kleinen Lieferwagengepäckraum alles voll Packen und Vieh
steht, drumrum ein Gitter und auf dem Gepäck und Tieren und außen und
innen am Gitter hängend, die Schwarzen. Es ist noch keinem Weißen
in Rwanda etwas passiert bis auf die Wissenschaftlerin in den Vulkanen
bei den wild lebenden Gorillas, die eines Tages vor ihrer Hütte er-
schossen aufgefunden wurde. – Ja also, 5 Förster gibts im Land, die
die Schwarzen ausbilden sollen. Praktisch wohnt in jeder Himmels-
richtung einer. 3 davon, auch Günter, hatte ich in Kigali kennenge-
lernt, wo sie immer was zu erledigen haben und mit ihren großen
Gelände-Motorrädern angebraust kommen. Der Günther, der sieht aus wie
ein Freak, ist aber ein schlauer und netter und sauberer Bursche.
Jens hats aber nicht bis hin geschafft, bzw. der Günter war gerade
in Ruhangoo Die ganze Sache war zu viel für Jens. So primitiv hat er
sich die „Tropen“ nicht vorgestellt. Er hielt die nächste Taxe an und
fuhr Richtung Mukoma. Unterwegs fischte ihn den amerikanische Missio~
nar auf (Es wird jedesmal genau geguckt, wenn man ein weißes Gesicht
erspäht) und brachte ihn abends wieder mit heim. Und was hatte er sich
alles vorgenommen. Nichts war. Jens war restlos bedient. Am nächsten
Tag ging er immerhin mit zu einer Besichtigung des tollsten Musterhofs
in der ganzen Gegend. Das Land: Ein etwa 30 m breiter streifen von
oben dem Hügel, wo auch die Hütten stehn, bis steil hinunter ins Tal.
Dort ists sumpfig und andere Bauern pflanzen dort unter Anweisung der
Rotchinesen Reis an. Der Bauer hatte immerhin 2 ha Land und alles
schön in Reihen gesetzt und mit Bäumen und Hecken (Bilibili) unter-
brochen, wegen dem oft sintflutartigen Regen. Man glitscht einen 20 cm
breiten Pfad hinunter und wieder hinauf. Die schwarzen, barfuß, in
einer ungeheuren Geschwindigkeit und wir keuchend hinterher, wir be-
kommen die vorbildlich gebauten Bambusziegen- und Hasenställe gezeigt,
den sauber gekehrten Hof zwischen den Hütten und mindestens 12 Kinder
umstehen uns mit offenem Mund. Ein normaler Bauer hat für 10-12 Per-
sonen meist nur 0,6 ha zur Verfügung. Dieser Bauer hat 14 Kinder.
Der älteste Sohn erscheint auch. Hat gerade geheiratet und seine
Strohhütte etwas abseits gebaut, aber in der Bilibilihecke. Er ist
ein stolzer, sehr großer und außergewöhnlich hübscher Mann. Ich muß ihn
immer wieder angucken. Der Bauer hat hohe Gewächse gezüchtet. Z.B
sorgo mit 3 Stengeln, was Ja dann auch 3 Hirsekolben gibt und da-
runter neue Bohnenzüchtungen, Süßkartoffeln, etwas weiter weg Maniok
und Bananen und ganz unten am Reisfeldweg, Kaffee. Als Belohnung
bekam der Bauer erst mal ein riesengroßes Schild an einen Baum ge-
nagelt, worauf die ganze Familie sehr stolz ist und dann 2 Hacken.
Ein tolles Geschenk.
Weil Rwanda ja genau in der Mitte Afrikas liegt, ist es sehr umständ-
lich, ware auszuführen. Erst mal auf mehrmals beschriebenen „Straßen”

1.700 km auf dem Landweg in uralten Lastern, die dauernd am Wegrand
stehen und irgendwie geflickt werden oder tagelang stehn und auf ir-
gendwelche Ersatzteile warten. Es geht über Uganda nach Kenia nach
Mombassa, der Hafenstadt Kenias am Indischen Ozean. Durch Putsche in
Uganda müssen die Laster aber oft und auch gerade jetzt, einen großen
Umweg fahren und zwar über Tansania. Dort wird dann das Exportgut
verladen. Aus diesem Grund gibts eben so gut wie keinen Export.
Holz, da sehr rar, wollen sie einführen, ist aber zu teuer. Rwanda
hat 5-7 % Waldbestand und z.B. die BRD 29 %.
Ja also, nochmal zurück zu dem Musterbauern. Als ich, schon voraus-
gegangen in weiser Voraussicht, den unendlich langen steilen Pfad
am Feld des Bauern wieder hochschlich, saß da eine überaus dreckige
Frau unter den Bananenbäumen und hatte einen Benzinkanister vor sich.
Drumrum ebenso dreckige und zerlumpte Männer. wie sich nachher raus-
stellte, Arbeiter von den umliegenden Feldern. Die Frau verkaufte
unsauberes Bier für ca. l Pfg. aus dem ebenfalls dreckigen Kanister
an die Männer. In ihrem Eifer sahen sie Martha nicht, die Kranken-
schwester des Gesundheitszentrums und Frau des Pastors. Sie ist außer-
dem zuständig, solche Fälle, wie sie, als nächste kommenden, eben
sah, zu melden. Das tat Martha denn auch, denn Seuchen und ganze
Epedemien entstehen durch solch Schmutz. Die Männer schlichen er-
bost mit ihren Hacken und Macheten davon.
Ein paar Tage erschien ein Bekannter meiner Kinder auf der Durchreise.
Herr Dr. K., Pfarrer. Nachts wurde in das Disponsair zu C eine
sterbende junge Frau gebracht, die aber sofort weiter ins Krankenhaus
nach Kigali (2 Std. Rumpelei) gebracht werden mußte. Wie sich das
gehört, erbot sich Dr. K., die Frau hinzufahren. Die Frau nebst ihrem
Vater wurden in den Suzuki gehievt – der sowieso kaum gefedert ist –
und los ging die Fahrt. Das ist sone Fahrt, die jede hochschwangere
Frau machen sollte, bei der die Geburt nicht vorwärts geht. Das
Baby kommt garantiert unterwegs schleunigst an. – Die junge Frau also
machte im Krankenhaus ihren letzten Seufzer und Dr. K. bekam gesagt,
die Tode nun mal wieder mit heim zu nehmen. Also wurde sie wieder
hinten in den Suzuki geschoben und der Vater hielt sie fest. Unterwegs
lief die Leiche aus irgendeinem Grund aus und bis zur Abfahrt des Dr.
K. schrubbte er unentwegt in seinem Auto rum. Es stank penetrand.
Vorerst besoff er sich aber erst mal sinnlos nach dieser Nachtfahrt,
die bis weit in den Morgen dauerte. Der Tote wird immer gleich am
nächsten Tag im eigenen Bananenhain odä. sehr tief begraben. Aber
die Seelen wohnen im Norden des Landes unter den Vulkanen und haben
da ihr high life. Ab und zu begleiten die Geister auch ihre Angehörigen.
Sie helfen ihnen oder tun Böses. Nur der Heiler kann die Seelen wieder
zurückbefördern unter die Berge, indem er erst mal ne Ziege oder Kuh,

meist ist das der sense Besitz einer Familie, bekommen muß. Ist die
Familie wohlhabender, dann erwischt der Heiler oft nicht gleich den
Geist oder den falschen; dann muß noch’ne Ziege dran glauben. Es ist
ungeheuer schwer für die einfache Landbevölkerung zu wissen, ob nun
ihre Geister, also ihr Gott oder der Gott im Himmel mehr zu bevorzugen
ist. Man kann ja nie wissen, wie die 2 reagieren. Also wird beides
hochgeehrt, wovon aber der eine Gott besser vom anderen nüscht wissen
darf. Ebenso ist es eben Arzt – Heiler.
Wie alt die Kinder sind oder die Eltern, wissen die Leute meist nicht.
Als ich mal dabeisaß, antwortete eine Mutter, nach dem Alter ihres
Babys gefragt: Na so 64 Oder 72 Jahre. Oder ein Vater behauptet, sein
Sohn wäre so 8 Jahre alt. Nee, sagt C, der ist doch viel älter.
Ach, jammert der Vater, der Sohn war laaahange krank, sonst müsste
er jetzt wirklich schon einiges älter sein.
Inzwischen rückte Ostern ran, aber der Till lag mit schwerem Malaria
im Bett und auch C erwischte es. Till fantasierte unentwegt und
am schlimmsten sind bei der Krankheit die großen Angstzustände.
Wieland und Jens haben inzwischen eine Brause mit einem Benzinkanister
gebastelt. Der große Kanister wird oben auf dem Gepäckträger des
Campingbusses festgemacht und wenn man brausen will, hängt man den
Schlauch außen am Rand vom Auto runter! Unglaublich mit wie wenig
Wasser man ganz schön brausen kann. Wieland wollte nochmal mit Jens
in den Park Nationale. Nebst den 3 Kindern. C ist für sowas ja
nicht zu haben und ich sagte, ich wäre schon da gewesen, denn es ist
ja ganz schön anstrengend. Nee, ich mußte mit, weil Wieland jetzt
mal ganz oben im Norden des Parks an die Spitze des Landes Rwanda,
wo der große braune Fluß L’akagera (später heißt er anders) die Grenz
zwischen Rwanda, und links Uganda und rechts Tansania bildet. Diesmal
wollen wir im Park auf einem Zeltplatz zelten. In der Karte sind 4
eingezeichnet. Nach dem ersten im vorigen Jahr zu urteilen, scheinen
die Schwarzen mit zunen Augen einfach 4 Punkte mit dem Finger zu
tippen und das ist dann der „Zeltplatz“. Ganz früh morgens fahren
wir los, rumpeln die mehr oder weniger schlechten Straßen lang, bis
wir im Park sind. Dies Jahr ist der Eintritt bald doppelt so teuer
wie das vorige Jahr. Wieland beeilt sich, denn bis zum Dunkelwerden
müssen wir am L’akagera den Zeltplatz gefunden haben und alles auf-
gebaut. Wir fahren meist durch Sawanne, aber auch durch dunklen Ur-
wald, durch Sumpfgebiete, an wunderschön hohen Bergen und dann grünen
Auen vorbei, bis selbst der kleine Pfad aufhört. Unterwegs flüchten
die üblichen wilden Tiere, nur die Löwen bekcmmen wir nicht zu Ge-
sicht. Endlich schuckern wir nur noch durch schütteren Wald und sind
fast angelangt, denn wir hören das laute Brüllen der Nilpferde. Mir
sinkt schon wieder das Herz in die Hose, Etwa 100 m vom Fluß entfernt.

suchen wir uns einen schönen fast runden grasfreien Platz aus zum
zelten. Und in 1/4 Stunde wirds dunkel sein. Sagen wir lieber: vollig
schwarz. Wir rennen noch mal schnell ans Ufer und sehen in der Kurve
des Stroms mindesten 30 Nilpferdköpfe, die röhren und weit schallend
mit dem Wasser prusten und planschen. Und das Jahr davor haben wir
uns um 2 kümmerliche Nilpferde bemüht. Irgendwie kommt die Sache
Wieland aber doch mulmig vor, denn während Jens und er das Zelt ganz
dicht neben dem Auto aufbauen und Tee kochen, feuert er uns scharf
an, so viel Holz wie möglich zusammenzutragen. Es liegt ja alles voll
davon, ganze Bäume und wir zerren einen beträchtlichen Haufen zusammen.
„Die Kolosse werden doch nicht etwa aus dem Wasser kommen?“ frage ich
zitternd meinen Sohn. „Nee, nee“ antwortet er prahlerisch. Wir essen
schnell was und dann kriechen die Kinder und ich in den Bus. Jens
schläft die 1. Hälfte der Nacht im Zelt und Wieland hält Wache und dann
umgekehrt, Vorher haben sie noch ein Feuerchen angemacht dicht bei
uns und ein Benzinkanister steht bereit, falls es ausgeht.
Ich kann natürlich nicht schlafen, denn das ist ja ein ganz schauer-
liches Geplansche und Gebrüll im Wasser. Auf einmal ists ruhig. Ich
setze mich auf und guck durchs Fenster, da hat Wieland inzwischen den
Jens wieder aus dem Zelt rausgeholt und beide halten ein großes
hohes Feuer im Gang. Ich guck durchs andere Fenster und mein Herz
bleibt stehn. Lauter dunkle Felsen schleichen dicht am Auto vorbei,
bleiben stehn, schleichen weiter. Man hört absolut nichts. Ich zittere
raus vor die Tür und merke, daß die beiden Männer auch Angst haben.
Besonders, was die Riesen hinter dem Auto im Dunklen anstellen und
ob sie da vielleicht angreifen. Ein Ruck und das Auto liegt um und ist
zertrampelt. Die Viehcher grasen ja nachts. Wir Idioten!! Wir sitzen
steif und mäuschenstill zwischen Auto und Feuer und ab und zu legen
wir möglichst große Äste obenauf. Dann fängt ein anderes schauerli-
ches Gebrüll an. Löwen. Sicher angelockt durch das Feuer, sie ver-
schwinden aber immer weiter weg, als die Nilpferde im Sekundentempo
so nach und nach wieder ganz dicht an uns vorbeischweben und mit einem
Platsch im Fluß verschwinden. Sofort fängt das Gebrüll im Wasser
wieder an und wir hörens sehr erleichtert. Als es kurz drauf anfängt
hell zu werden, schmeißen wir den ganzen Kram samt uns ins Auto und
verduften schleunigst. wir hatten mitten auf einem Kreuzungspfad der
Nilpferde gezeltet. wir fahren einen Berg hoch, kommen aus dem Wald
heraus und landen an einer sehr schönen Ausguckstelle am steilen
Hang, wo wir direkt auf unseren Lagerplatz herabsehen können oder
vielmehr erahnen, wo er zwischen den Bäumen am Fluß ist. Wir stehen
auf dem im der Karte eingezeichneten Zeltplatz. Ringsrum aber auch
hohes Gestrüpp und wir hielten uns wegen des nächtlichen Löwengebrülls
lieber ganz dicht am Auto. Wieland klopfte dann das Gebüsch ab und
nun fühlen wir uns sicherer. Nacheinander gehen wir hintere Auto und

brausen, ehe wir das Frühstück aus der Aluminiumkiste holen und
Tee kochen. Kurz drauf kommt noch ein Auto mit Amerikanern und früh-
stückt ebenfalls. Ich hatte am Tag vorher bei der Einfahrt in den
Park mal in das Anmeldebuch geguckt. Ca. 4 – 5 Autos fahren täglich _
in den riesigen Park ein und es ist schon ein großes Wunder, wenn man
mal jemanden trifft. – Wir fahren dann müde und zerschlagen weiter.
Und wieder hört der verdammte Pfad auf. Zurück kann man auch nicht.
Also rumpelt man vorwärts. Ungeheuer viel Paviane fühlen sich gestört
und sind böse. Schreiend verschwinden sie blitzschnell in der sawanne.
Plötzlich stehn wir einer riesigen Büffelmutter mit Kälbchen gegen-
über. Wieland bleibt sofort stehn und macht den Motor aus. Lange Zeit
stieren wir uns an, bis die Büffelmutter dann doch zur Seite weg-
schwenkt. 2 mal hatte sie bedrohlich den Kopf zum Angriff gesenkt und
mit dem Fuß gescharrt und jedesmal hielten wir die Luft an. Kurz drauf
standen uns noch 2 im Weg, aber sie machten sofort kehrt. Durch das
hohe Gras sieht man sie eben erst, wenn man praktisch schon davorsteht.
Endlich sahen wir wieder einen Pfad und ab da troddeten wir langsam
weiter und beobachteten die wilden Tiere. Nach unserem Mittagessen,
Nudeln und Tomatensoße und Würstchen, selbst gekocht und praktisch
alles aus Deutschland mitgebracht, machen wir uns auf die Suche nach
dem 2. Zeltplatz und finden doch tatsächlich ein Schild, das links
ab zeigt mit nem gemalten Zelt drauf. Es war der richtige Weg und
nach ca. 1 Stunde kamen wir am Ende des Pfades an, ebenfalls wieder
am Rand eines steil abfallenden Berges und unten nichts als Moor und
Morast, die Grenze zwischen Rwanda und Tanzania. Die östliche Seite
Rwandas. Kilometerweit und so lang man gucken kann, nur Sumpf. Na,
dachten wir, das ist so tief unten, daß wir hier wohl vor Mücken und
Tsetsefliegen verschont bleiben. Es ist so ein herrlich klarer und
naher Sternenhimmel (man meint, man wäre 1000sende von Kilometern
näher an den Sternen als daheim), daß Jens beschließt, auf einer Matra
tze auf dem Gepäckträger des Autos zu schlafen. Wieland kriecht ins
Zelt und wir 4 verschwinden im Auto. Kaum sind wir am Einschlafen,
alle furchtbar müde, fängt das Auto an, wie verrückt hin und her zu
wackeln. Jens tobt irgendwie über uns herum. Zum Schluß brüllt er:
“Millionen Mücken” und verschwindet bei Wieland im Zelt. Er ist jedoch
kaum drin, da geht ein entsetzlicher Wolkenbruch nieder. Wenns reg-
net ists ja meist so. Es schüttet wie aus Eimern gegossen. Wieder ein
Rumoren und die beiden in ganz kurzer Zeit völlig durchnässten Männer,
Zelt, Schlafsäcke, poltern ins Auto. Nu ist ja son normaler VW-
Campingbus nicht groß. Till schlief immer auf den beiden Vordersitzen.
und ich mit den beiden Kleinen hinten auf dem Bett. Da quetscht sich
nun noch der Wieland dazwischen und der Jens kringelt sich auf der
winzigen Bodenfläche vor dem Bett zusammen. Vor seinem Gesicht in der

Ecke steht eine Blechbüchse, der Nachttopf der Kinder. Aber das weiß
Jens gottseidank nicht und wir denken nicht dran. Glücklicherweise
mußte in der letzten Nachthälfte aber kein Kind. Morgens weckt uns
ein ganz wunderschöner sonnenaufgang mit weitem klaren Blick tief
unter uns über das Moor nach Tanzania rein.
Als wir wieder in Mukoma ankommen, gießt es wieder unausgesetzt und
das Besucherhaus ist nicht mehr zu bewohnen. Lauter dünne Rinnsale ries-
eln oder tropfen auf die Betten und Kleider. Auch im Wohnhaus müssen
wir mehrere Eimer aufstellen aber im ganzen bleibts da doch trocken.
Also schlafen wir im wohnzimmer auf dem Boden und rücken mit der
Matratze ein Stück weiter, wenn uns das Wasser im Schlaf aufs Gesicht
tropfelt. Nach 2 Tagen ist das Besucherhaus wieder bewohnbar.

Bevor wir wieder heimfliegen, wollen wir, wie wir das eben vorhatten,
nochmal in den Norden Rwandas zu den Vulkanen und damit zu den Go-
rillas. Täglich sind ein paar Führungen mit ca. 5-6 Leuten. Jede
Führung sucht eine andere Gorillafamilie° C holt, als sie in
Kigali ist, Karten für den“Park des Volkans“. Pro Person umgerechnet
180,- Mark. Hier in den Vulkanen, Mondberge genannt, leben die einzi-
gen noch wilden Gorillas auf der Welt. Ca. 30 Stück, immer 4-5 in
Familien zusammenlebend. Viele Forscher und Wissenschaftler verbringen
Wochen in den Park, um die Tiere zu beobachten und zu sehen, welche
krank sind. Das kostet Unmengen Geld. Auch Prof. Gschimek war ja mehr-
mals dort. Jens, Wieland und ich fahren also morgens um 10 in Mukoma
los. Eigentlich hatte ich vorgehabt, meine Wanderschuhe von Deutschland
mitzunehmen, aber auch das verkniff ich das wegen dem Gewicht. Ich
hatte zwar feste Schnürschuhe an, aber… mit specksohle. Ich hatte mir
die Regenzeit ja auch nicht so schrecklich vorgestellt. Unsere Fahrt
geht nach Ruhango, der drittgrößten Stadt Rwandas, wo auch eine Univer-
sität ist. Dort, fast am Fuß der Vulkane, wollen wir in einem Touristen-
hotel übernachten, die irgendwelche baptistischen Padres führen.
Es sind 125 km und meist eine ganz neue Asphaltstraße. Durch die Piste
brauchen wir aber insgesamt doch über 3 Stunden. Ja, das Hotel, immer-
hin kleine Steingebäude, ist aber total überfüllt und nun stehn wir
da. Gottseidank fällt Wieland der Förster Günther ein. Er weiß auch,
wo er sein Haus hat. Jedes Haus hat ja einen schwarzen Wächter oder
meist zwei, sonst würde alles total rausgeklaut werden, wenn der Be-
wohner nicht da ist. Wieland kennt den Wächter und hofft, daß er uns
ins Haus läßt. Aber, oh Wunder, der Günther ist selbst da. Sein Haus
an der Arbeitsstelle kenne ich ja nicht aber das hier für seine Frei-
zeit ist ein Haus für eine 10 köpfige Familie. 4 große Schlafzimmer,
2 große Wohnzimmer, Brause, elektrisch Licht, Küche. Wir essen unser
mitgebrachtes Brot und jeder kann in einem extra Zimmer schlafen.
Ganz früh morgens fahren wir zu den Büros des Vulkanparkes. Die
Vulkane gehören grenzmäßig zu Rwanda, Uganda und Zaire.

Sie sind über 4000 m hoch und als wir bei klarer Sicht anfuhren,
lag auf zwei Spitzen der Kegel Schnee. Wir zeigten unsere Karten und
mußten noch steil bergauf 1/2 Stunde fahren, ehe wir zum Basislager
kamen. Dort standen wartend und schwatzend die „Führer„. Alles
furcheinflößend aussehende wilde Burschen. Zu allererst, ja wie denn,
mußten wir Eintritt bezahlen. Die teuren Karten waren nur für die
„Führung”. Ohne Führung kam man aber nicht rein. Sie wußten ganz
genau, daß man zahlt, wenn man schon mal den weiten Weg bis zum Ba-
sislager geschafft hat. Dann tappten wir los, nachdem der Bergführer
zweifelnd meine Schuhe angeguckt hatte. Außerdem hatte ich wegen der
Hitze ja keine lange Hose dabei, sondern nur Dirndelröcke, wovon ich
einen anhatte. Hinterher ging noch ein Schwarzer mit Gewehr. Wenn man
dann die bis 200 kg schweren und 2 m großen Riesen gesehen hat, weiß
man, daß das Gewehr ein Witz ist. Die Gorillas leben sehr organisiert.
Sie wohnen auf dem Berg praktisch überall und machen sich regelrechte
großer Nester zum faulenzen und schlafen im Gebüsch. Die größeren
Kinder dürfen mit bei den Eltern und kleinen Geschwistern wohnen.
Es sind die „blackbacks“. Sie müssen aufpassen und Nahrung ranschaffen.
Auch sprechen sie in verschiedenen Lauten miteinander, was sich so
anhört, als räuspern wir uns in verschiedenen Tonarten.
So, na wir liefen erst über Felder, wo ich schon hin und her rutschte,
denn, na wie denn, es regnete natürlich schon die ganze Zeit. Dann
marschierten wir durch einen hohen Bambuszaun und -Tor und weiter
auf einem winzigen Pfad entlang durch hohes Gestrüpp. Immer bergauf.
Nicht nur ich versank mit dem Bein im Matsch. Auch die anderen, aber
ich mußte jedesmal erst meinen Schuh wieder herausangeln. Und der
Führer hielt nicht an, denn bis zur „Siesta“ der Gorillas mußten wir
sie gefunden haben. Da sind sie friedlich. Der Wald wurde immer dichter.
Wir durften nicht sprechen. Nach kurzer Zeit sahen wir alle aus als
hätten wir uns im Dreck gewühlt und uns wurde klar (6 Mann), daß
man sowas zur Regenzeit nicht machen kann. Auf halber Höhe des Berges
machte der Führer dauernd Gorillalaute, daß sie antworten. Das taten
sie aber nicht. Ganz verärgert unterhielt er sich mit dem anderen
Schwarzen; ganz leise. Und weiter gings bergauf. Jetzt wurde der Pfad
erst mit der Machete geschlagen. Unendlich hohe schwarz aussehende Bäume
nahmen das Tageslicht weg, alles umschlungen von dicken Lianen und
Bärten und Schmarotzern. Wir stolperten hinter unserem Führer her,
rutschten, fielen, waren naß bis auf die Haut und hier oben wurde es
jetzt auch noch empfindlich kalt. Wir krochen unter umgestürzten reisen-
dicken Bäumen und deren Wurzeln auf Händen und Knien durch und ich
war am Ende meiner Kräfte. Aber umkehren konnten wir nicht, weil wir
einfach nicht gefunden hätten. Es gibt auf den Bergen außer den Go-
rillas noch Bergelefanten, Affen, Büffel. Und wenn wir mal einen Pfad

Jens kam recht gut mit, aber Wieland, der Gummistiefel anhatte, zog
und schob seine Mutter die ganze Zeit. Ich wäre sonst einfach liegen
geblieben, was mir im Moment ganz egal gewesen wäre. Er munterte mich
unausgesetzt auf, zeige mir die wunderschön grellbunten Blühten auf
den Bäumen, die Lianen und sagte immer wieder: “Du mußt dran denken,
daß Du die einzige von Kassel sein wirst, die bei den Gorillas war.”
Ich winkte nur resigniert ab. Endlich, in über 3500 m Höhe hatte der
Führer die Gorallas gefunden. Wir mußten auf die Knie und er schob sich
langsam vorwärts bis zu einer Gebüschmulde und nacheinander durften wir
herankriechen. Ich wollte nicht, so kaputt war ich. Mir waren die Go-
rillas völlig schnurz. Aber mit Hilfe auch noch von Jens, wurde ich nach
vorne geschoben und saß nun neben dem Führer. 1/2 m vor mir fixierte mich
ein sitzender mächtiger Gorilla. Neben ihn ahlten sich 2 Weibchen und
ein Jungtier. Dann bläckte das Männchen auch noch sein Gebiss. Jungejunge!
Vorsichtig durfte einer nach dem anderen vorkriechen und der Führer machte
dauernd die beruhigenden Gorillalaute. Vorher hatte er erklärt, daß man
bis 10 Min. da hocken darf. Die Führer spüren, ob sie rankönnen und wie
lange. Ich hatte meine 50 Mark Box (= Kamera) – wie üblich – dabei. Sonst gibts ja
schöne Bilder aber bei dem Regen und in der Dunkelheit hatte ich überhaupt
nichts erwartet. Der Führer machte damit ein paar Bilder und dann Wieland
hinter mir, daß man Gorilla vor Mutter sehn konnte. Schattenhaft ist tat-
sächlich alles zu erkennene. Dann rutschten wir langsam alle zurück und
irgendwie durch den Urwald bergab. Mein Rock hing nur noch in Fetzen um
mich und als wir wieder reden konnten, war mir das unmöglich. Am Basislager
konnte ich noch nicht mal wasser schlucken. Wir waren aber alle völlig fer-
tig und keiner konnte essen, obwohl wir ja den ganzen Tag nichts gegessen
und getrunken hatten. Mir war sauschlecht und ich dachte dauernd, ich
kippe einfach im Auto nach vorne. Die beiden Männer lachten und machten
Witze und nachher erzählten sie, daß sie Angst gehabt hatten, ich fall tot
um. Am Haus von Günter war außen eine Wasserleitung und wir zogen uns aus
und wuschen uns provisorisch. Anschließend konnten wir auch unser Brot
essen. Spät in der Nacht kamen wir in Mukoma an, denn der arme Wieland
mußte ja wieder heimfahren, so kaputt er auch war. Eins steht fest: ich
würde nie wieder sowas mitmachen, schon garnicht in der Regenzeit. Es war
wirklich alles falsch: Die Regenzeit, die Kleidung- und – mein Alter, denn
ich war mind. doppelt so alt wie die anderen Parkbesucher.
In der Nacht drauf hätte man ja eigentlich gut schlafen müssen. Taten die
anderen auch. Aber der Hund bellte plötzlich wie verrückt und hörte gar-
nicht mehr auf. Weil sich niemand rührte, dachte ich, daß das vielleicht
öfters so wäre und unternahm nichts. Am anderen Morgen hatte irgend ein
wildes Tier die Bambushasenställe kaputtgebissen, und es waren dicke
Stangen, und alle Hasen totgebissen. Und kein Mensch hatte das Gebell ge-
hört.

Am Tag regnete es Wieder so, daß ich das Wasser aus meinem Besucher-
zimmer kehren muß. Am Tag unseres Abflugs fahren wir ganz früh nach
Kigali. Wieland bleibt diesmal daheim. Wir wollen noch allerlei in der
Stadt kaufen und versuchen, kleine Tonfigürchen zu bekommen, die die
Schwarzen selbst formen. Wahre Kunstwerke an Klarheit und Schönheit.
Sie sind aber, da nicht gebrannt und die Mischung nicht richtig, so
zerbrechlich, daß man sie nach einer kurzen Zeit daheim kaum mehr an-
fassen kann, geschweige denn abstauben. Ich hatte das 1. Mal viele
solcher Figürchen an Kinder und Bekannte verschenkt. Na, der Weg, der
kürzere nach Kigali, war aber unpassierbar. Erst blieben wir 2 mal im
tiefen Matsch stecken, wo uns die Schwarzen gegen ein Obulus (wie sie
das – mit Recht – sowieso nicht anders machen) heraushalfen. An den
Reisfeldern war aber die Holzbrück fortgeschwemmt worden und bei den
arbeitssamen Schwarzen würde es Tage dauern, bis eine neue herge-
richtet wurde. Also einfach lauter dicke Balken, wie früher die Eisen-
bahnschwellen, nebeneinandergelegt. Fertig. Wir mußten also zurück und
einen riesigen Umweg fahren. Weil, wir wollten noch Fuchsens besuchen
bei der Deutschen Welle in Kigali. Ich hatte sie mit ihren beiden Kindern
inzwischen 2 mal gesehen und bei Tills Geburtstag hatten sie uns für den
letzten Tag eingeladen. Den Sender „Deutsche welle“ gibts überall im
Ausland, glaube ich wenigstens. Die Nachrichten werden rübergefunkt von
Deutschland, zusammengestellt und ab 6 Uhr abends kommen jede Stunde die
Nachrichten durch und dazwischen Musik. Der sender Deutsche Welle liegt
auf einem Berg über Kigali und ist ein großer Komplex. Nicht der Sender.
Der ist winzig klein. Aber die Riesen-Wohnhäuser dabei, wo die Techniker
mit ihren Familien umsonst wohnen mit Riesengärten drumrum. Das ganze liegt
in einem toll gepflegten enorm großen Park mit Grillhütte, Swimingpool,
Tennisplatz, Partihütte. 17 Häuser= 17 Familien. Und die Frauen langweilen
sich zu tode, denn sie kriegen ja alles von Schwarzen gemacht und rühren
keine Hand mehr. Auch die Männer sind wahrlich nicht überarbeitet und be-
ziehen ein fürstliches Gehalt. Fachkräfte, worunter C nicht zählt,
verdienen monatlich zwischen 10.000,- und 15,000,- Mark. Das Personal kostet
ja so gut wie nichts. Fuchsens z.B. hatten, wie das üblich ist, das ganze
Mobiliar in einem riesengroßen Container, 20 m lang, von Deutschland hierher
kommen lassen, kostet per Schiff 38000,- Mark und wenn mans eilig hat per
Flugzeug 60.000,- Mark. Und das ja hin und später zurück. Zahlt alles die
Deutsche Welle, gekoppelt mit der Entwicklungshilfe. Richtige Entwicklungs-
helfer verdienen zwischen 3.000,- bis 5.000,- Mark. wenn man beobach-
tet, was da alle verkommt und nicht fertiggestellt wird, wie mit den Geldern
geurscht wird, es kann einem schlecht werden.
Als wir bei Fuchsens endlich eintreffen, hat Frau Fuchs nichts vorbereitet.
Nach einer Zeit geht C in die Küche und kocht Kaffee und ich helfe
decken. Dazu gibts nichts. Das ist eben die Extreme der Geschichte.

Als wir zum modernen Flughafen kommen, kauft C uns allen erst
mal eine Art Milchbrötchen zum Essen. Was anderes gibts nicht. Aber
wir sind zufrieden. Diesmal fliegen wir wieder über Nairobi zurück
und als wir daheim ankommen, ists 7 Grad kalt. Also nicht so extrem wie
das Jahr davor. Gernot mit Frau und Kindern holen uns ab und meine
Schwiegertochter hat gekocht und Kuchen gebacken. Kurz drauf, wie
immer, erscheinen auch die Bochumer Kinder. Und es wird erzählt und
erzählt. Jens jedenfalls weiß, was er nicht studieren wird. Nämlich
tropische Landwirtschaft. Das war alles ein bißchen zu primitiv und
umständlich.
Ein Glück, daß wir nochmal die Kinder in Rwanda besucht hatten, denn
im Sommer wurde Wieland sehr krank. Er hatte neben Malaria-Tropika, der
schwersten Malaria-Art auch Fleckfieber und wurde schleunigst in die
Tropenklinik nach Tübingen geflogen, wo sie ihn wiederherstellten.
Es dauerte aber sehr lange, bis er sein volles Denkvermögen wieder hatte.
¼ Jahr später kamen plötzlich C mit den 3 Kindern auch nach Tü-
bingen. Sie und Till hatten ebenfalls Malaria-T
opika. Auf
abenteuerlichen Flügen und mehrmals Umsteigen waren sie in Deutschland ge-
landet, denn es muss ja schnell gehen. Wieland darf vorerst garnicht in die Tropen.

Daher passte er nach Genesung auf die Kinder auf und C
flog zurück, um alles aufzulösen. Obwohl das “Personal” versprochen
hatte, aufzupassen, war alles Vieh verschwunden, der Garten eine Wüste
und Ratten und Mäuse usw. im Haus. C packte das Nötigste in einen
kleinen Container und verschenkte den Rest. Das Gesundheitszentrum liegt
immer noch im Rohbau, nur daß immer mehr verschwindet oder verkommt. An
so eine primitive Stelle will auch kein Entwicklungshelfer, obwohl sie da
ja eigentlich nur und sehr nötig gebraucht werden.

1884 bis 1918 Deutsch Ost Africa = Rwanda, Burundi, ein Teil Tanzaniya

1918 bis 1.7.1962 Vereinigung Rwanda-Burundi, von Belgien verwaltet

1.7.1962 = Beide Länder werden unabhängig

Nachtrag 1998: Völkermord in Rwanda 1994 – 1996
zwischen Hutus und Tutsis

Wie in einem Besuchs-Bericht beschrieben, bekämpfen sich schon
lange die Hutus (ca. 80 % = Bauern) und die Tutsis (ca. 20 % =
Viehhirten und Bauern, aber große Menschen und weit intelli-
genter). Aber alles blieb in Grenzen bis die Europäer eingriffen.
Erst machten sie in ganz Afrika Kolonien und beuteten sie für
sich aus. Erst war Rwanda von 1896 – 1914/18 deutsche Kolonie.
Ab Ende 1. Weltkrieg hatten dies die Belgier als Kolonie. Rwanda
blieb, als die Kolonien endlich verschwanden aber unter belgi-
scher Regie bis heute.

1962 fand das erste Massakar zwischen Hutis und Tutsis statt. Das
wiederholte sich. Mal siegten die Hutis, mal die Tutsis. Die vor-
nehmeren Tutsis waren den Hutis stets ein Dorn im Auge. Aber unter
den Hutus verarmte das Land, weil sie es nicht gewinnbringend
regieren konnten. 1994 standen die Hutus abermals auf und wollten
nun endlich die Tutsis völlig auslöschen. Diesmal schlug jeder
jeden tot wenn sie annahmen (oder nicht), es wären Tutsis. Meist
mätzelten sie mit ihren Macheten. Die Rwander bekamen nun aber
auch von vielen Ländern immer mehr Waffen geliefert. Die Waffen-
händler wollten tüchtig verdienen, wie das schon immer so war und
es war ihnen wurst, wieviel Menschen erledigt wurden. Jugendliche
und viele Kinder schlugen wahllos andere tot. Ein Blutrausch ent-
stand.
Massen von Rwandern flüchteten in die benachbarten Länder. Unterwegs
und dort angekommen, hörte das grausame morden nicht auf. Von den
8. Mil. Rwandern wurden erst mal über ½ Mil. hingemetzelt. Als
der Völkermord langsam aufhörte, versteckten sich die Mörderkinder
usw. zwischen den Flüchtlingen. Daher wurden wenige Täter gefangen
und dazwischen, wie immer, eine Menge Unschuldiger. Jetzt fing die
Denunziation so richtig an. Die Gefangenen kamen zum großen Teil in
das mächtige Zentralgefängnis in der Hauptstadt Kigali und in Mi-
lizkasernen. In den Gefängnissen, ungeheuer überbelegt, dreckig und
versäucht, starben weitere viele Gefangene an Hunger und Krankheit.
Etwa jeder achte.
Die Uno und die vielen europäischen und amerikanischen Organisationen
wollten alles klären und helfen. Aber wo anfangen. Außerdem ging
alles lasch vonstatten, denn eigentlich interessierte es sie nicht.
Die rwandische Justiz (viele im Ausland studiert) wollte nun selbst
aufklären und verurteilen. Aber was stimmt? Jeder einzelne Gefange-
ne müsste ja verhandelt werden. Also keine internationale Hilfe.
Sie sagens nur, aber es passiert nichts.

Auf einem extra Friedhof in Kigali, alles schön pompös enstan-
den, wurden Riesenkisten mit Leichen beerdigt. Die Gerichts-
verhandlungen aber werden vertagt und vertagt, weil die gegen-
seitigen Denunziationen nicht aufhören und Richter verschwinden
einfach. Praktisch regieren nun wieder mal die Tutsis, die
untereinander aber auch Machtkämpfe ausführen.

Da, wo meine Kinder lebten, war ja eine völlig abgelegene
Gegend. Denn nur an solchen Stellen sollten ja die Gesund-
heitszentren entstehen. Von den Leuten, die ich kennenlernte,
wurden fast alle getötet. Nur die Eugenie überlebte, heiratete,
zog nach Kigali; die Stadt, die sie vorher nie gesehen hatte.
Sie hat inzwischen zwei Kinder, lebt in einer der größeren
Hütten mit ihrer Familie und arbeitet als Schwester im dortigen
Zentralkrankenhaus. Sie wurde finanziell von bekannten Deutschen
unterstützt. Das Geld wurde durch andere Bekannte der Botschaft,
die recht bald nach dem Massaker wieder zurückgingen, ihr gegeben.
Wieland bezahlte ihr damals, als er mit seiner Familie wegen
Malaria Tropika Rwanda verlassen mußte, der Eugenie die Schwes-
ternausbildung. Das war, als der Krieg noch nicht begonnen
hatte. Es kostete Wieland wenig Geld und half doch so enorm.

Februar 1998
Selma Giebel

 

Rwanda März und April 1986

Wir sollten das zweite Mal, so sagten uns die Kinder, zur Regenzeit
kommen, denn dann wäre die Vegetation enorm. Diesmal fuhr nämlich
unser Nachbarssohn und Freund meiner Söhne, Jens mit. Nach
seinem Abitur hatte er gerade die landwirtschaftliche Lehre hinter
sich und wollte nun in Witzenhausen tropische Landwirtschaft studieren.
Zuerst wollte er aber die „Tropen“ kennenlernen. Wir hatten
1/2 Auto in Form von lauter Ersatzteilen dabei und eine Menge gewünsch-
te Gegenstände. Um den großen Auspuff machten wir einfach ein Seil,
ebenso um die Puffer, daß jeder gleich sah, was wir mithaben. Infolge
der vielen Wünschen hatten wir unser Anziehzeug auf ein Minimum ein-
geschränkt. Eigentlich hätte ich so gerne meine Wanderschuhe mitge-
habt, aber das Reisegepäck war sowieso viel zu schwer. Wir mußten aber
freundlicherweise nichts nachzahlen.

In dem Flugzeug, der Sabena, haben wir sehr viel Platz und jeder
setzt sich natürlich ans Fenster. Ich sagte dem Jens, daß ich ihn
wecken würde, wenn der schöne Sonnenaufgang käme aber es kam keiner,
weils nämlich regnete. Vor mir saß ein junger Mann, der sich unausgesetzt
auf dem Kopf kratzte und dann guckte, was er an Schuppen unter
den Fingernägeln hat. Solche Menschen erlebt man ja wirklich überall
in den öffentlichen Verkehrsmitteln und mir wird immer ganz übel.
Schleunigst wechselte ich den Platz. Irgendwie scheinen die Flugzeug
zu fliegen wie sie wollen, denn diesmal flogen wir nicht über Kenia,
sondern erst mal westlich über Rwanda weg bis Burundi und erst dann
in einem Bogen nach Kigali. Der Flugplatz ist überhaupt nicht wieder-
zuerkennen, denn da steht ein hypermodernes Fluggebäude mit Ausguck-
plattform für die Gäste. Schade! Obwohl nun alles abgesperrt ist,
schafft es die C, die uns diesmal abholt, bis zum Zoll vor-
zudringen, denn da steht die Zöllnerin völlig ratlos vor unseren
Autoersatzteilen und dem riesengroßen Kofferradio (billigste). Ich
führe der Zöllnerin, mit Ton, vor, wofür die Lenkung, die Bremsseile
usw. sind und sie kriegt einen starren Blick voller Angst. Da packt
C den ganzen Kram vom Zolltisch weg, verteilt alles an uns und
meine Enkelkinder und das war wohl so das Beste für uns alle. Wir
müssen erst noch in Kigali einkaufen. Das war diesmal nicht vorge-
sehen, denn sie hatten 2 Tage vorher schon mal in der Hauptstadt in
der Apotheke zu tun gehabt. Leider ist aber auf der Heimfahrt der
große Kanister mit Petroleum umgefallen und sämtliche Lebensmittel
waren durchtränkt mit dem stinkenden Zeugs. Auch jetzt rochs noch
penetrant. Wir rumpeln also wieder die 2 Stunden bis Mukoma. Was ist
in dem einen Jahr aus dem Garten geworden, der nun das 2. Jahr steht:
Üppige hohe dichte grüne Pflanzen und Bäume lassen kein Stück Garten-
land durchgucken.

Und es gibt in den folgenden Tagen ausschließlich Obst und Früchte
aus dem Garten. Dicke reife Papajas hängen im Kreis nach unten unter
den palmenartigen Blättern. Die Ananas sind zum Teil auf den Beeten
reif und um die Nebengebäude ranken sich die blauen und gelben Mara-
kutschas. Die Kuh hat ihr Kälbchen bekommen und gibt nun Milch für
die unterernährten Kinder. Vor dem offenen Stall schwelt unter einem
Blech das obligatorische Feuerchen, daß die Fliegenplage nicht so groß
ist. Daneben steht im neu erbauten Lehmstall eine trächtige Ziege.
Alles ist also enorm vorangekommen und gewachsen, bis auf die Haupt-
sache der ganzen Chose, nämlich das Gesundheitszentrum. Es steht genau
so wie im vorigen Jahr im Rohbau. Eugenie ist inzwischen im Gesund-
heitszentrum angestellt und der Küchenjunge heißt Atanas und wohnt
über 6 km weit weg. Morgens um 7 fängt er an und so um 3 läuft er
heim. Meist aber noch nicht, weil er noch mit den Kindern spielt.
Drüben im Disponsair hat Wieland jetzt auf dem Dach einen kleinen
Sonnenaggregat installiert und wenn das Licht hell genug ist, haben
wir abends im Wohnzimmer auch 1 Stunde elektrisches Licht, denn ein
langes Kabel ermöglicht diese Sache. Das Licht hat etwa die Stärke
von einer 15 Watt-Birne.

Bewölkt ist es nun meist bei ca. 25 – 28 Grad Wärme und die nächtliche
Gewitter sind enorm. Über mir über der Strohdecke wohnt irgend ein
größeres Tier im Besucherhaus. Ratten? Ich weiß es nicht. Vorsichts-
halber zieh ich mein Moskitonetz ganz stramm, denn die Strohmatte
ist schnell durchgefressen und wenn mir dann son Vieh auf den Bauch
platscht. Igittegitt. Ist aber nicht.
Ein paar Tage später ist im Disponsair Kinderimpftag. Das ist Pflicht.
Und siehe da, die Sonne scheint. Ganz früh morgens kommen wirklich
hunderte von Müttern an und setzen sich auf die Wiese rings um das
Haus. Sie rauchen und schwatzen und die Kinder brüllen. Wahrscheinlich
haben sie Durst. Wir stellen einen großen Pott voll Wasser hin, denn
der Gesundheitsdirektor aus Kigali erscheint nicht. Endlich um 10 Uhr,
fährt er vor. Wie ein kleiner Herrgott. Erst hat er aber eine furch-
bar wichtige Besprechung mit dem Gesundheitspersonal, wo er nur Mist
quatscht. Mittags fängt er dann an zu impfen und C darf helfen.
Bis abends sitzen die armen Babys mit ihren Müttern herum und keiner
wagt etwas zu sagen. Die Mütter wurden zwischendurch aber immer wieder
belehrt, wozu diese Impfungen gegen Diphterie, Masern, Tetanus,
Pocken usw. gut sind und als der Gesundheitsleiter, ein Schwarzer, zum
Schluß Stichproben bei den Müttern macht, ob sie noch wissen, warum
und wozu die Impfungen sind, weiß keine einzige warum. Der Tag war
aber trotz dem lauten Kindergeschrei interessant für sie, denn der
Impfer sprach mit Megaphon, das weithin schallte. C hat 1 Zentner

Sojabohnen gekauft. Sie werden 24 Stunden einge-
weicht und dann durch ein Tuch geschüttett Die Bohnen bekommt das Vieh.

Das sehr eiweißhaltige Durchgelaufene bekommen die Schwarzen – und
unsere Kinder als Milch.

Till wird 9 Jahre alt. Dazu kommen viele bekannte Familien aus Nah
und Fern. Auch Schwarze. Ich habe viele Kuchen gebacken und noch mehr
Weißbrot, denn die Schwarzen verschlingen lieber in unglaublich
kurzer Zeit eine Unmenge Weißbrot. Das kennen sie. Weil sies aber
selbst nicht haben, ist es eine tolle Sache. Kuchen aber gibts dort
ja gar nicht. Am Geburtstagsmorgen zogen Jens und Eugenie ins 6 km
entfernte Dorf zum Markttag und erstanden eine kleine Ziege für um-
gerechnet 45,- Mark, ein kleines Vermögen für den Verkäufer. Er (Jens)
schlachtete das Tier, zog es ab und löste das Fleisch im Groben von
den Knochen. Ich mischte eine Marinade aus Öl, Salz, Bilibili usw. ,
Atanas spitzte dünne Gerten an, schälte Zwiebeln und wir richteten
die herrlichsten Fleischspieße her, die es dann abends, gebraten
übern offenen Feuer, zu essen gab. Die Gäste schliefen dann, ge-
quetscht wie Sardinen, in ihren jeweiligen Campingbussen. Sämtliche
Ziegenknochen verschlang E.s Hund, fast ohne zu kauen. Unglaublich,
da zuzugucken.

Eugenie nahm Jens sehr oft mit, die Bauern zu besuchen. Und er
staunte, auf wie primitive Art sie ihre Äcker bestellen. Nur mit der
Hacke. Ein sehr kostbares Stück, wofür sie lange arbeiten müssen und
weil sie ja täglich benutzt werden, nutzen sie sich viel zu schnell
ab. Eugenie und noch ein paar Mädchen vom Gesundheitszentrum wohnen
zusammen, in einem halbfertigen Haus. Kein Wasser drin, natürlich auch
kein Licht, kein Klo, keine Möbel. Aber – es ist ein Haus und eine
Haustür ist auch vorhanden. Jetzt, wo sie Arbeit haben, nehmen sie
sich selbst sofort zusammen ein Hausmädchen, die für sie kocht vor
dem Haus und Wasser holt und Holz. Sie hat ein Baby. Platz ist ja
genug in dem Haus (wo später mal Arzt und noch Krankenschwestern
wohnen sollen), aber sie schlafen in nur 2 Zimmern und Hausmädchen
mit Kind mitten dabei. Sie haben furchtbare Angst vor Geistern und
nie schlief ein Mädchen allein. Sie sind es ja gewohnt, auf Matten
in ihrer Hütte auf dem Fußboden mit der gesamten Familie zu schla-
fen und nur ein paar reiche Bauern von früher haben 2 Schlafhütten.
Abends dauert es lang, bis die Mädchen bettfiertig sind. Sie flechten
nämlich ihr Haar in viele winzige Zöpfchen, weil sonst das Haar so
verfilzen würde, daß sie es nicht mehr auseinander bekommen.

Jens soll mal den jungen östreichischen Förster Günther ganz oben
im Norden des Landes besuchen. Er arbeitet in Niabisindu, hat aber
in Ruhango, der drittgrößten Stadt Rwandas, auch ein Haus von der
Entwicklungshilfe, daß er in seiner Freizeit nicht immer im Busch
bleiben muß. Das soll Jens kennenlernen. C bringt ihn das
größte Stück mit dem Auto und dann soll er mit der öffentliche Taxe

weiterfahren, um das mal kennenzulernen. Die bewußte Taxe, wo unten
im offenen kleinen Lieferwagengepäckraum alles voll Packen und Vieh
steht, drumrum ein Gitter und auf dem Gepäck und Tieren und außen und
innen am Gitter hängend, die Schwarzen. Es ist noch keinem Weißen
in Rwanda etwas passiert bis auf die Wissenschaftlerin in den Vulkanen
bei den wild lebenden Gorillas, die eines Tages vor ihrer Hütte er-
schossen aufgefunden wurde. – Ja also, 5 Förster gibts im Land, die
die Schwarzen ausbilden sollen. Praktisch wohnt in jeder Himmels-
richtung einer. 3 davon, auch Günter, hatte ich in Kigali kennenge-
lernt, wo sie immer was zu erledigen haben und mit ihren großen
Gelände-Motorrädern angebraust kommen. Der Günther, der sieht aus wie
ein Freak, ist aber ein schlauer und netter und sauberer Bursche.
Jens hats aber nicht bis hin geschafft, bzw. der Günter war gerade
in Ruhangoo Die ganze Sache war zu viel für Jens. So primitiv hat er
sich die „Tropen“ nicht vorgestellt. Er hielt die nächste Taxe an und
fuhr Richtung Mukoma. Unterwegs fischte ihn den amerikanische Missio~
nar auf (Es wird jedesmal genau geguckt, wenn man ein weißes Gesicht
erspäht) und brachte ihn abends wieder mit heim. Und was hatte er sich
alles vorgenommen. Nichts war. Jens war restlos bedient. Am nächsten
Tag ging er immerhin mit zu einer Besichtigung des tollsten Musterhofs
in der ganzen Gegend. Das Land: Ein etwa 30 m breiter streifen von
oben dem Hügel, wo auch die Hütten stehn, bis steil hinunter ins Tal.
Dort ists sumpfig und andere Bauern pflanzen dort unter Anweisung der
Rotchinesen Reis an. Der Bauer hatte immerhin 2 ha Land und alles
schön in Reihen gesetzt und mit Bäumen und Hecken (Bilibili) unter-
brochen, wegen dem oft sintflutartigen Regen. Man glitscht einen 20 cm
breiten Pfad hinunter und wieder hinauf. Die schwarzen, barfuß, in
einer ungeheuren Geschwindigkeit und wir keuchend hinterher, wir be-
kommen die vorbildlich gebauten Bambusziegen- und Hasenställe gezeigt,
den sauber gekehrten Hof zwischen den Hütten und mindestens 12 Kinder
umstehen uns mit offenem Mund. Ein normaler Bauer hat für 10-12 Per-
sonen meist nur 0,6 ha zur Verfügung. Dieser Bauer hat 14 Kinder.
Der älteste Sohn erscheint auch. Hat gerade geheiratet und seine
Strohhütte etwas abseits gebaut, aber in der Bilibilihecke. Er ist
ein stolzer, sehr großer und außergewöhnlich hübscher Mann. Ich muß ihn
immer wieder angucken. Der Bauer hat hohe Gewächse gezüchtet. Z.B
sorgo mit 3 Stengeln, was Ja dann auch 3 Hirsekolben gibt und da-
runter neue Bohnenzüchtungen, Süßkartoffeln, etwas weiter weg Maniok
und Bananen und ganz unten am Reisfeldweg, Kaffee. Als Belohnung
bekam der Bauer erst mal ein riesengroßes Schild an einen Baum ge-
nagelt, worauf die ganze Familie sehr stolz ist und dann 2 Hacken.
Ein tolles Geschenk.

Weil Rwanda ja genau in der Mitte Afrikas liegt, ist es sehr umständ-
lich, ware auszuführen. Erst mal auf mehrmals beschriebenen „Straßen”

1.700 km auf dem Landweg in uralten Lastern, die dauernd am Wegrand
stehen und irgendwie geflickt werden oder tagelang stehn und auf ir-
gendwelche Ersatzteile warten. Es geht über Uganda nach Kenia nach
Mombassa, der Hafenstadt Kenias am Indischen Ozean. Durch Putsche in
Uganda müssen die Laster aber oft und auch gerade jetzt, einen großen
Umweg fahren und zwar über Tansania. Dort wird dann das Exportgut
verladen. Aus diesem Grund gibts eben so gut wie keinen Export.
Holz, da sehr rar, wollen sie einführen, ist aber zu teuer. Rwanda
hat 5-7 % Waldbestand und z.B. die BRD 29 %.

Ja also, nochmal zurück zu dem Musterbauern. Als ich, schon voraus-
gegangen in weiser Voraussicht, den unendlich langen steilen Pfad
am Feld des Bauern wieder hochschlich, saß da eine überaus dreckige
Frau unter den Bananenbäumen und hatte einen Benzinkanister vor sich.
Drumrum ebenso dreckige und zerlumpte Männer. wie sich nachher raus-
stellte, Arbeiter von den umliegenden Feldern. Die Frau verkaufte
unsauberes Bier für ca. l Pfg. aus dem ebenfalls dreckigen Kanister
an die Männer. In ihrem Eifer sahen sie Martha nicht, die Kranken-
schwester des Gesundheitszentrums und Frau des Pastors. Sie ist außer-
dem zuständig, solche Fälle, wie sie, als nächste kommenden, eben
sah, zu melden. Das tat Martha denn auch, denn Seuchen und ganze
Epedemien entstehen durch solch Schmutz. Die Männer schlichen er-
bost mit ihren Hacken und Macheten davon.
Ein paar Tage erschien ein Bekannter meiner Kinder auf der Durchreise.
Herr Dr. K., Pfarrer. Nachts wurde in das Disponsair zu C eine
sterbende junge Frau gebracht, die aber sofort weiter ins Krankenhaus
nach Kigali (2 Std. Rumpelei) gebracht werden mußte. Wie sich das
gehört, erbot sich Dr. K., die Frau hinzufahren. Die Frau nebst ihrem
Vater wurden in den Suzuki gehievt – der sowieso kaum gefedert ist –
und los ging die Fahrt. Das ist sone Fahrt, die jede hochschwangere
Frau machen sollte, bei der die Geburt nicht vorwärts geht. Das
Baby kommt garantiert unterwegs schleunigst an. – Die junge Frau also
machte im Krankenhaus ihren letzten Seufzer und Dr. K. bekam gesagt,
die Tode nun mal wieder mit heim zu nehmen. Also wurde sie wieder
hinten in den Suzuki geschoben und der Vater hielt sie fest. Unterwegs
lief die Leiche aus irgendeinem Grund aus und bis zur Abfahrt des Dr.
K. schrubbte er unentwegt in seinem Auto rum. Es stank penetrand.
Vorerst besoff er sich aber erst mal sinnlos nach dieser Nachtfahrt,
die bis weit in den Morgen dauerte. Der Tote wird immer gleich am
nächsten Tag im eigenen Bananenhain odä. sehr tief begraben. Aber
die Seelen wohnen im Norden des Landes unter den Vulkanen und haben
da ihr high life. Ab und zu begleiten die Geister auch ihre Angehörigen.
Sie helfen ihnen oder tun Böses. Nur der Heiler kann die Seelen wieder
zurückbefördern unter die Berge, indem er erst mal ne Ziege oder Kuh,

meist ist das der sense Besitz einer Familie, bekommen muß. Ist die
Familie wohlhabender, dann erwischt der Heiler oft nicht gleich den
Geist oder den falschen; dann muß noch’ne Ziege dran glauben. Es ist
ungeheuer schwer für die einfache Landbevölkerung zu wissen, ob nun
ihre Geister, also ihr Gott oder der Gott im Himmel mehr zu bevorzugen
ist. Man kann ja nie wissen, wie die 2 reagieren. Also wird beides
hochgeehrt, wovon aber der eine Gott besser vom anderen nüscht wissen
darf. Ebenso ist es eben Arzt – Heiler.
Wie alt die Kinder sind oder die Eltern, wissen die Leute meist nicht.
Als ich mal dabeisaß, antwortete eine Mutter, nach dem Alter ihres
Babys gefragt: Na so 64 Oder 72 Jahre. Oder ein Vater behauptet, sein
Sohn wäre so 8 Jahre alt. Nee, sagt C, der ist doch viel älter.
Ach, jammert der Vater, der Sohn war laaahange krank, sonst müsste
er jetzt wirklich schon einiges älter sein.
Inzwischen rückte Ostern ran, aber der Till lag mit schwerem Malaria
im Bett und auch C erwischte es. Till fantasierte unentwegt und
am schlimmsten sind bei der Krankheit die großen Angstzustände.
Wieland und Jens haben inzwischen eine Brause mit einem Benzinkanister
gebastelt. Der große Kanister wird oben auf dem Gepäckträger des
Campingbusses festgemacht und wenn man brausen will, hängt man den
Schlauch außen am Rand vom Auto runter! Unglaublich mit wie wenig
Wasser man ganz schön brausen kann. Wieland wollte nochmal mit Jens
in den Park Nationale. Nebst den 3 Kindern. C ist für sowas ja
nicht zu haben und ich sagte, ich wäre schon da gewesen, denn es ist
ja ganz schön anstrengend. Nee, ich mußte mit, weil Wieland jetzt
mal ganz oben im Norden des Parks an die Spitze des Landes Rwanda,
wo der große braune Fluß L’akagera (später heißt er anders) die Grenz
zwischen Rwanda, und links Uganda und rechts Tansania bildet. Diesmal
wollen wir im Park auf einem Zeltplatz zelten. In der Karte sind 4
eingezeichnet. Nach dem ersten im vorigen Jahr zu urteilen, scheinen
die Schwarzen mit zunen Augen einfach 4 Punkte mit dem Finger zu
tippen und das ist dann der „Zeltplatz“. Ganz früh morgens fahren
wir los, rumpeln die mehr oder weniger schlechten Straßen lang, bis
wir im Park sind. Dies Jahr ist der Eintritt bald doppelt so teuer
wie das vorige Jahr. Wieland beeilt sich, denn bis zum Dunkelwerden
müssen wir am L’akagera den Zeltplatz gefunden haben und alles auf-
gebaut. Wir fahren meist durch Sawanne, aber auch durch dunklen Ur-
wald, durch Sumpfgebiete, an wunderschön hohen Bergen und dann grünen
Auen vorbei, bis selbst der kleine Pfad aufhört. Unterwegs flüchten
die üblichen wilden Tiere, nur die Löwen bekcmmen wir nicht zu Ge-
sicht. Endlich schuckern wir nur noch durch schütteren Wald und sind
fast angelangt, denn wir hören das laute Brüllen der Nilpferde. Mir
sinkt schon wieder das Herz in die Hose, Etwa 100 m vom Fluß entfernt

suchen wir uns einen schönen fast runden grasfreien Platz aus zum
zelten. Und in 1/4 Stunde wirds dunkel sein. Sagen wir lieber: vollig
schwarz. Wir rennen noch mal schnell ans Ufer und sehen in der Kurve
des Stroms mindesten 30 Nilpferdköpfe, die röhren und weit schallend
mit dem Wasser prusten und planschen. Und das Jahr davor haben wir
uns um 2 kümmerliche Nilpferde bemüht. Irgendwie kommt die Sache
Wieland aber doch mulmig vor, denn während Jens und er das Zelt ganz
dicht neben dem Auto aufbauen und Tee kochen, feuert er uns scharf
an, so viel Holz wie möglich zusammenzutragen. Es liegt ja alles voll
davon, ganze Bäume und wir zerren einen beträchtlichen Haufen zusammen.
„Die Kolosse werden doch nicht etwa aus dem Wasser kommen?“ frage ich
zitternd meinen Sohn. „Nee, nee“ antwortet er prahlerisch. Wir essen
schnell was und dann kriechen die Kinder und ich in den Bus. Jens
schläft die 1. Hälfte der Nacht im Zelt und Wieland hält Wache und dann
umgekehrt, Vorher haben sie noch ein Feuerchen angemacht dicht bei
uns und ein Benzinkanister steht bereit, falls es ausgeht.
Ich kann natürlich nicht schlafen, denn das ist ja ein ganz schauer-
liches Geplansche und Gebrüll im Wasser. Auf einmal ists ruhig. Ich
setze mich auf und guck durchs Fenster, da hat Wieland inzwischen den
Jens wieder aus dem Zelt rausgeholt und beide halten ein großes
hohes Feuer im Gang. Ich guck durchs andere Fenster und mein Herz
bleibt stehn. Lauter dunkle Felsen schleichen dicht am Auto vorbei,
bleiben stehn, schleichen weiter. Man hört absolut nichts. Ich zittere
raus vor die Tür und merke, daß die beiden Männer auch Angst haben.
Besonders, was die Riesen hinter dem Auto im Dunklen anstellen und
ob sie da vielleicht angreifen. Ein Ruck und das Auto liegt um und ist
zertrampelt. Die Viehcher grasen ja nachts. Wir Idioten!! Wir sitzen
steif und mäuschenstill zwischen Auto und Feuer und ab und zu legen
wir möglichst große Äste obenauf. Dann fängt ein anderes schauerli-
ches Gebrüll an. Löwen. Sicher angelockt durch das Feuer, sie ver-
schwinden aber immer weiter weg, als die Nilpferde im Sekundentempo
so nach und nach wieder ganz dicht an uns vorbeischweben und mit einem
Platsch im Fluß verschwinden. Sofort fängt das Gebrüll im Wasser
wieder an und wir hörens sehr erleichtert. Als es kurz drauf anfängt
hell zu werden, schmeißen wir den ganzen Kram samt uns ins Auto und
verduften schleunigst. wir hatten mitten auf einem Kreuzungspfad der
Nilpferde gezeltet. wir fahren einen Berg hoch, kommen aus dem Wald
heraus und landen an einer sehr schönen Ausguckstelle am steilen
Hang, wo wir direkt auf unseren Lagerplatz herabsehen können oder
vielmehr erahnen, wo er zwischen den Bäumen am Fluß ist. Wir stehen
auf dem im der Karte eingezeichneten Zeltplatz. Ringsrum aber auch
hohes Gestrüpp und wir hielten uns wegen des nächtlichen Löwengebrülls
lieber ganz dicht am Auto. Wieland klopfte dann das Gebüsch ab und
nun fühlen wir uns sicherer. Nacheinander gehen wir hintere Auto und brausen,

ehe wir das Frühstück aus der Aluminiumkiste holen und
Tee kochen. Kurz drauf kommt noch ein Auto mit Amerikanern und früh-
stückt ebenfalls. Ich hatte am Tag vorher bei der Einfahrt in den
Park mal in das Anmeldebuch geguckt. Ca. 4 – 5 Autos fahren täglich _
in den riesigen Park ein und es ist schon ein großes Wunder, wenn man
mal jemanden trifft. – Wir fahren dann müde und zerschlagen weiter.
Und wieder hört der verdammte Pfad auf. Zurück kann man auch nicht.
Also rumpelt man vorwärts. Ungeheuer viel Paviane fühlen sich gestört
und sind böse. Schreiend verschwinden sie blitzschnell in der sawanne.
Plötzlich stehn wir einer riesigen Büffelmutter mit Kälbchen gegen-
über. Wieland bleibt sofort stehn und macht den Motor aus. Lange Zeit
stieren wir uns an, bis die Büffelmutter dann doch zur Seite weg-
schwenkt. 2 mal hatte sie bedrohlich den Kopf zum Angriff gesenkt und
mit dem Fuß gescharrt und jedesmal hielten wir die Luft an. Kurz drauf
standen uns noch 2 im Weg, aber sie machten sofort kehrt. Durch das
hohe Gras sieht man sie eben erst, wenn man praktisch schon davorsteht.
Endlich sahen wir wieder einen Pfad und ab da troddeten wir langsam
weiter und beobachteten die wilden Tiere. Nach unserem Mittagessen,
Nudeln und Tomatensoße und Würstchen, selbst gekocht und praktisch
alles aus Deutschland mitgebracht, machen wir uns auf die Suche nach
dem 2. Zeltplatz und finden doch tatsächlich ein Schild, das links
ab zeigt mit nem gemalten Zelt drauf. Es war der richtige Weg und
nach ca. 1 Stunde kamen wir am Ende des Pfades an, ebenfalls wieder
am Rand eines steil abfallenden Berges und unten nichts als Moor und
Morast, die Grenze zwischen Rwanda und Tanzania. Die östliche Seite
Rwandas. Kilometerweit und so lang man gucken kann, nur Sumpf. Na,
dachten wir, das ist so tief unten, daß wir hier wohl vor Mücken und
Tsetsefliegen verschont bleiben. Es ist so ein herrlich klarer und
naher Sternenhimmel (man meint, man wäre 1000sende von Kilometern
näher an den Sternen als daheim), daß Jens beschließt, auf einer Matra
tze auf dem Gepäckträger des Autos zu schlafen. Wieland kriecht ins
Zelt und wir 4 verschwinden im Auto. Kaum sind wir am Einschlafen,
alle furchtbar müde, fängt das Auto an, wie verrückt hin und her zu
wackeln. Jens tobt irgendwie über uns herum. Zum Schluß brüllt er:
“Millionen Mücken” und verschwindet bei Wieland im Zelt. Er ist jedoch
kaum drin, da geht ein entsetzlicher Wolkenbruch nieder. Wenns reg-
net ists ja meist so. Es schüttet wie aus Eimern gegossen. Wieder ein
Rumoren und die beiden in ganz kurzer Zeit völlig durchnässten Männer,
Zelt, Schlafsäcke, poltern ins Auto. Nu ist ja son normaler VW-
Campingbus nicht groß. Till schlief immer auf den beiden Vordersitzen.
und ich mit den beiden Kleinen hinten auf dem Bett. Da quetscht sich
nun noch der Wieland dazwischen und der Jens kringelt sich auf der
winzigen Bodenfläche vor dem Bett zusammen. Vor seinem Gesicht in der

Ecke steht eine Blechbüchse, der Nachttopf der Kinder. Aber das weiß
Jens gottseidank nicht und wir denken nicht dran. Glücklicherweise
mußte in der letzten Nachthälfte aber kein Kind. Morgens weckt uns
ein ganz wunderschöner sonnenaufgang mit weitem klaren Blick tief
unter uns über das Moor nach Tanzania rein.
Als wir wieder in Mukoma ankommen, gießt es wieder unausgesetzt und
das Besucherhaus ist nicht mehr zu bewohnen. Lauter dünne Rinnsale ries-
eln oder tropfen auf die Betten und Kleider. Auch im Wohnhaus müssen
wir mehrere Eimer aufstellen aber im ganzen bleibts da doch trocken.
Also schlafen wir im wohnzimmer auf dem Boden und rücken mit der
Matratze ein Stück weiter, wenn uns das Wasser im Schlaf aufs Gesicht
tropfelt. Nach 2 Tagen ist das Besucherhaus wieder bewohnbar.

Bevor wir wieder heimfliegen, wollen wir, wie wir das eben vorhatten,
nochmal in den Norden Rwandas zu den Vulkanen und damit zu den Go-
rillas. Täglich sind ein paar Führungen mit ca. 5-6 Leuten. Jede
Führung sucht eine andere Gorillafamilie° C holt, als sie in
Kigali ist, Karten für den“Park des Volkans“. Pro Person umgerechnet
180,- Mark. Hier in den Vulkanen, Mondberge genannt, leben die einzi-
gen noch wilden Gorillas auf der Welt. Ca. 30 Stück, immer 4-5 in
Familien zusammenlebend. Viele Forscher und Wissenschaftler verbringen
Wochen in den Park, um die Tiere zu beobachten und zu sehen, welche
krank sind. Das kostet Unmengen Geld. Auch Prof. Gschimek war ja mehr-
mals dort. Jens, Wieland und ich fahren also morgens um 10 in Mukoma
los. Eigentlich hatte ich vorgehabt, meine Wanderschuhe von Deutschland
mitzunehmen, aber auch das verkniff ich das wegen dem Gewicht. Ich
hatte zwar feste Schnürschuhe an, aber… mit specksohle. Ich hatte mir
die Regenzeit ja auch nicht so schrecklich vorgestellt. Unsere Fahrt
geht nach Ruhango, der drittgrößten Stadt Rwandas, wo auch eine Univer-
sität ist. Dort, fast am Fuß der Vulkane, wollen wir in einem Touristen-
hotel übernachten, die irgendwelche baptistischen Padres führen.
Es sind 125 km und meist eine ganz neue Asphaltstraße. Durch die Piste
brauchen wir aber insgesamt doch über 3 Stunden. Ja, das Hotel, immer-
hin kleine Steingebäude, ist aber total überfüllt und nun stehn wir
da. Gottseidank fällt Wieland der Förster Günther ein. Er weiß auch,
wo er sein Haus hat. Jedes Haus hat ja einen schwarzen Wächter oder
meist zwei, sonst würde alles total rausgeklaut werden, wenn der Be-
wohner nicht da ist. Wieland kennt den Wächter und hofft, daß er uns
ins Haus läßt. Aber, oh Wunder, der Günther ist selbst da. Sein Haus
an der Arbeitsstelle kenne ich ja nicht aber das hier für seine Frei-
zeit ist ein Haus für eine 10 köpfige Familie. 4 große Schlafzimmer,
2 große Wohnzimmer, Brause, elektrisch Licht, Küche. Wir essen unser
mitgebrachtes Brot und jeder kann in einem extra Zimmer schlafen.
Ganz früh morgens fahren wir zu den Büros des Vulkanparkes. Die
Vulkane gehören grenzmäßig zu Rwanda, Uganda und Zaire.

Sie sind über 4000 m hoch und als wir bei klarer Sicht anfuhren,
lag auf zwei Spitzen der Kegel Schnee. Wir zeigten unsere Karten und
mußten noch steil bergauf 1/2 Stunde fahren, ehe wir zum Basislager
kamen. Dort standen wartend und schwatzend die „Führer„. Alles
furcheinflößend aussehende wilde Burschen. Zu allererst, ja wie denn,
mußten wir Eintritt bezahlen. Die teuren Karten waren nur für die
„Führung”. Ohne Führung kam man aber nicht rein. Sie wußten ganz
genau, daß man zahlt, wenn man schon mal den weiten Weg bis zum Ba-
sislager geschafft hat. Dann tappten wir los, nachdem der Bergführer
zweifelnd meine Schuhe angeguckt hatte. Außerdem hatte ich wegen der
Hitze ja keine lange Hose dabei, sondern nur Dirndelröcke, wovon ich
einen anhatte. Hinterher ging noch ein Schwarzer mit Gewehr. Wenn man
dann die bis 200 kg schweren und 2 m großen Riesen gesehen hat, weiß
man, daß das Gewehr ein Witz ist. Die Gorillas leben sehr organisiert.
Sie wohnen auf dem Berg praktisch überall und machen sich regelrechte
großer Nester zum faulenzen und schlafen im Gebüsch. Die größeren
Kinder dürfen mit bei den Eltern und kleinen Geschwistern wohnen.
Es sind die „blackbacks“. Sie müssen aufpassen und Nahrung ranschaffen.
Auch sprechen sie in verschiedenen Lauten miteinander, was sich so
anhört, als räuspern wir uns in verschiedenen Tonarten.
So, na wir liefen erst über Felder, wo ich schon hin und her rutschte,
denn, na wie denn, es regnete natürlich schon die ganze Zeit. Dann
marschierten wir durch einen hohen Bambuszaun und -Tor und weiter
auf einem winzigen Pfad entlang durch hohes Gestrüpp. Immer bergauf.
Nicht nur ich versank mit dem Bein im Matsch. Auch die anderen, aber
ich mußte jedesmal erst meinen Schuh wieder herausangeln. Und der
Führer hielt nicht an, denn bis zur „Siesta“ der Gorillas mußten wir
sie gefunden haben. Da sind sie friedlich. Der Wald wurde immer dichter.
Wir durften nicht sprechen. Nach kurzer Zeit sahen wir alle aus als
hätten wir uns im Dreck gewühlt und uns wurde klar (6 Mann), daß
man sowas zur Regenzeit nicht machen kann. Auf halber Höhe des Berges
machte der Führer dauernd Gorillalaute, daß sie antworten. Das taten
sie aber nicht. Ganz verärgert unterhielt er sich mit dem anderen
Schwarzen; ganz leise. Und weiter gings bergauf. Jetzt wurde der Pfad
erst mit der Machete geschlagen. Unendlich hohe schwarz aussehende Bäume
nahmen das Tageslicht weg, alles umschlungen von dicken Lianen und
Bärten und Schmarotzern. Wir stolperten hinter unserem Führer her,
rutschten, fielen, waren naß bis auf die Haut und hier oben wurde es
jetzt auch noch empfindlich kalt. Wir krochen unter umgestürzten reisen-
dicken Bäumen und deren Wurzeln auf Händen und Knien durch und ich
war am Ende meiner Kräfte. Aber umkehren konnten wir nicht, weil wir
einfach nicht gefunden hätten. Es gibt auf den Bergen außer den Go-
rillas noch Bergelefanten, Affen, Büffel. Und wenn wir mal einen Pfad Jens

kam recht gut mit, aber Wieland, der Gummistiefel anhatte, zog
und schob seine Mutter die ganze Zeit. Ich wäre sonst einfach liegen
geblieben, was mir im Moment ganz egal gewesen wäre. Er munterte mich
unausgesetzt auf, zeige mir die wunderschön grellbunten Blühten auf
den Bäumen, die Lianen und sagte immer wieder: “Du mußt dran denken,
daß Du die einzige von Kassel sein wirst, die bei den Gorillas war.”
Ich winkte nur resigniert ab. Endlich, in über 3500 m Höhe hatte der
Führer die Gorallas gefunden. Wir mußten auf die Knie und er schob sich
langsam vorwärts bis zu einer Gebüschmulde und nacheinander durften wir
herankriechen. Ich wollte nicht, so kaputt war ich. Mir waren die Go-
rillas völlig schnurz. Aber mit Hilfe auch noch von Jens, wurde ich nach
vorne geschoben und saß nun neben dem Führer. 1/2 m vor mir fixierte mich
ein sitzender mächtiger Gorilla. Neben ihn ahlten sich 2 Weibchen und
ein Jungtier. Dann bläckte das Männchen auch noch sein Gebiss. Jungejunge!
Vorsichtig durfte einer nach dem anderen vorkriechen und der Führer machte
dauernd die beruhigenden Gorillalaute. Vorher hatte er erklärt, daß man
bis 10 Min. da hocken darf. Die Führer spüren, ob sie rankönnen und wie
lange. Ich hatte meine 50 Mark Box (= Kamera) – wie üblich – dabei. Sonst gibts ja
schöne Bilder aber bei dem Regen und in der Dunkelheit hatte ich überhaupt
nichts erwartet. Der Führer machte damit ein paar Bilder und dann Wieland
hinter mir, daß man Gorilla vor Mutter sehn konnte. Schattenhaft ist tat-
sächlich alles zu erkennene. Dann rutschten wir langsam alle zurück und
irgendwie durch den Urwald bergab. Mein Rock hing nur noch in Fetzen um
mich und als wir wieder reden konnten, war mir das unmöglich. Am Basislager
konnte ich noch nicht mal wasser schlucken. Wir waren aber alle völlig fer-
tig und keiner konnte essen, obwohl wir ja den ganzen Tag nichts gegessen
und getrunken hatten. Mir war sauschlecht und ich dachte dauernd, ich
kippe einfach im Auto nach vorne. Die beiden Männer lachten und machten
Witze und nachher erzählten sie, daß sie Angst gehabt hatten, ich fall tot
um. Am Haus von Günter war außen eine Wasserleitung und wir zogen uns aus
und wuschen uns provisorisch. Anschließend konnten wir auch unser Brot
essen. Spät in der Nacht kamen wir in Mukoma an, denn der arme Wieland
mußte ja wieder heimfahren, so kaputt er auch war. Eins steht fest: ich
würde nie wieder sowas mitmachen, schon garnicht in der Regenzeit. Es war
wirklich alles falsch: Die Regenzeit, die Kleidung- und – mein Alter, denn
ich war mind. doppelt so alt wie die anderen Parkbesucher.
In der Nacht drauf hätte man ja eigentlich gut schlafen müssen. Taten die
anderen auch. Aber der Hund bellte plötzlich wie verrückt und hörte gar-
nicht mehr auf. Weil sich niemand rührte, dachte ich, daß das vielleicht
öfters so wäre und unternahm nichts. Am anderen Morgen hatte irgend ein
wildes Tier die Bambushasenställe kaputtgebissen, und es waren dicke
Stangen, und alle Hasen totgebissen. Und kein Mensch hatte das Gebell ge-
hört.

Am Tag regnete es Wieder so, daß ich das Wasser aus meinem Besucher-
zimmer kehren muß. Am Tag unseres Abflugs fahren wir ganz früh nach
Kigali. Wieland bleibt diesmal daheim. Wir wollen noch allerlei in der
Stadt kaufen und versuchen, kleine Tonfigürchen zu bekommen, die die
Schwarzen selbst formen. Wahre Kunstwerke an Klarheit und Schönheit.
Sie sind aber, da nicht gebrannt und die Mischung nicht richtig, so
zerbrechlich, daß man sie nach einer kurzen Zeit daheim kaum mehr an-
fassen kann, geschweige denn abstauben. Ich hatte das 1. Mal viele
solcher Figürchen an Kinder und Bekannte verschenkt. Na, der Weg, der
kürzere nach Kigali, war aber unpassierbar. Erst blieben wir 2 mal im
tiefen Matsch stecken, wo uns die Schwarzen gegen ein Obulus (wie sie
das – mit Recht – sowieso nicht anders machen) heraushalfen. An den
Reisfeldern war aber die Holzbrück fortgeschwemmt worden und bei den
arbeitssamen Schwarzen würde es Tage dauern, bis eine neue herge-
richtet wurde. Also einfach lauter dicke Balken, wie früher die Eisen-
bahnschwellen, nebeneinandergelegt. Fertig. Wir mußten also zurück und
einen riesigen Umweg fahren. Weil, wir wollten noch Fuchsens besuchen
bei der Deutschen Welle in Kigali. Ich hatte sie mit ihren beiden Kindern
inzwischen 2 mal gesehen und bei Tills Geburtstag hatten sie uns für den
letzten Tag eingeladen. Den Sender „Deutsche welle“ gibts überall im
Ausland, glaube ich wenigstens. Die Nachrichten werden rübergefunkt von
Deutschland, zusammengestellt und ab 6 Uhr abends kommen jede Stunde die
Nachrichten durch und dazwischen Musik. Der sender Deutsche Welle liegt
auf einem Berg über Kigali und ist ein großer Komplex. Nicht der Sender.
Der ist winzig klein. Aber die Riesen-Wohnhäuser dabei, wo die Techniker
mit ihren Familien umsonst wohnen mit Riesengärten drumrum. Das ganze liegt
in einem toll gepflegten enorm großen Park mit Grillhütte, Swimingpool,
Tennisplatz, Partihütte. 17 Häuser= 17 Familien. Und die Frauen langweilen
sich zu tode, denn sie kriegen ja alles von Schwarzen gemacht und rühren
keine Hand mehr. Auch die Männer sind wahrlich nicht überarbeitet und be-
ziehen ein fürstliches Gehalt. Fachkräfte, worunter C nicht zählt,
verdienen monatlich zwischen 10.000,- und 15,000,- Mark. Das Personal kostet
ja so gut wie nichts. Fuchsens z.B. hatten, wie das üblich ist, das ganze
Mobiliar in einem riesengroßen Container, 20 m lang, von Deutschland hierher
kommen lassen, kostet per Schiff 38000,- Mark und wenn mans eilig hat per
Flugzeug 60.000,- Mark. Und das ja hin und später zurück. Zahlt alles die
Deutsche Welle, gekoppelt mit der Entwicklungshilfe. Richtige Entwicklungs-
helfer verdienen zwischen 3.000,- bis 5.000,- Mark. wenn man beobach-
tet, was da alle verkommt und nicht fertiggestellt wird, wie mit den Geldern
geurscht wird, es kann einem schlecht werden.
Als wir bei Fuchsens endlich eintreffen, hat Frau Fuchs nichts vorbereitet.
Nach einer Zeit geht C in die Küche und kocht Kaffee und ich helfe
decken. Dazu gibts nichts. Das ist eben die Extreme der Geschichte.

Als wir zum modernen Flughafen kommen, kauft C uns allen erst
mal eine Art Milchbrötchen zum Essen. Was anderes gibts nicht. Aber
wir sind zufrieden. Diesmal fliegen wir wieder über Nairobi zurück
und als wir daheim ankommen, ists 7 Grad kalt. Also nicht so extrem wie
das Jahr davor. Gernot mit Frau und Kindern holen uns ab und meine
Schwiegertochter hat gekocht und Kuchen gebacken. Kurz drauf, wie
immer, erscheinen auch die Bochumer Kinder. Und es wird erzählt und
erzählt. Jens jedenfalls weiß, was er nicht studieren wird. Nämlich
tropische Landwirtschaft. Das war alles ein bißchen zu primitiv und
umständlich.
Ein Glück, daß wir nochmal die Kinder in Rwanda besucht hatten, denn
im Sommer wurde Wieland sehr krank. Er hatte neben Malaria-Tropika, der
schwersten Malaria-Art auch Fleckfieber und wurde schleunigst in die
Tropenklinik nach Tübingen geflogen, wo sie ihn wiederherstellten.
Es dauerte aber sehr lange, bis er sein volles Denkvermögen wieder hatte.
¼ Jahr später kamen plötzlich C mit den 3 Kindern auch nach Tü-
bingen. Sie und Till hatten ebenfalls Malaria-T
opika. Auf
abenteuerlichen Flügen und mehrmals Umsteigen waren sie in Deutschland ge-
landet, denn es muss ja schnell gehen. Wieland darf vorerst garnicht in die Tropen.

Daher passte er nach Genesung auf die Kinder auf und C
flog zurück, um alles aufzulösen. Obwohl das “Personal” versprochen
hatte, aufzupassen, war alles Vieh verschwunden, der Garten eine Wüste
und Ratten und Mäuse usw. im Haus. C packte das Nötigste in einen
kleinen Container und verschenkte den Rest. Das Gesundheitszentrum liegt
immer noch im Rohbau, nur daß immer mehr verschwindet oder verkommt. An
so eine primitive Stelle will auch kein Entwicklungshelfer, obwohl sie da
ja eigentlich nur und sehr nötig gebraucht werden.

1884 bis 1918 Deutsch Ost Africa = Rwanda, Burundi, ein Teil Tanzaniya

1918 bis 1.7.1962 Vereinigung Rwanda-Burundi, von Belgien verwaltet

1.7.1962 = Beide Länder werden unabhängig

 

Nachtrag von Selma Februar 1998

Völkermord in Rwanda 1994 – 1996
zwischen Hutus und Tutsis

Wie in einem Besuchs-Bericht beschrieben, bekämpfen sich schon
lange die Hutus (ca. 80 % = Bauern) und die Tutsis (ca. 20 % =
Viehhirten und Bauern, aber große Menschen und weit intelli-
genter). Aber alles blieb in Grenzen bis die Europäer eingriffen.
Erst machten sie in ganz Afrika Kolonien und beuteten sie für
sich aus. Erst war Rwanda von 1896 – 1914/18 deutsche Kolonie.
Ab Ende 1. Weltkrieg hatten dies die Belgier als Kolonie. Rwanda
blieb, als die Kolonien endlich verschwanden aber unter belgi-
scher Regie bis heute.

1962 fand das erste Massakar zwischen Hutis und Tutsis statt. Das
wiederholte sich. Mal siegten die Hutis, mal die Tutsis. Die vor-
nehmeren Tutsis waren den Hutis stets ein Dorn im Auge. Aber unter
den Hutus verarmte das Land, weil sie es nicht gewinnbringend
regieren konnten. 1994 standen die Hutus abermals auf und wollten
nun endlich die Tutsis völlig auslöschen. Diesmal schlug jeder
jeden tot wenn sie annahmen (oder nicht), es wären Tutsis. Meist
mätzelten sie mit ihren Macheten. Die Rwander bekamen nun aber
auch von vielen Ländern immer mehr Waffen geliefert. Die Waffen-
händler wollten tüchtig verdienen, wie das schon immer so war und
es war ihnen wurst, wieviel Menschen erledigt wurden. Jugendliche
und viele Kinder schlugen wahllos andere tot. Ein Blutrausch ent-
stand.
Massen von Rwandern flüchteten in die benachbarten Länder. Unterwegs
und dort angekommen, hörte das grausame morden nicht auf. Von den
8. Mil. Rwandern wurden erst mal über ½ Mil. hingemetzelt. Als
der Völkermord langsam aufhörte, versteckten sich die Mörderkinder
usw. zwischen den Flüchtlingen. Daher wurden wenige Täter gefangen
und dazwischen, wie immer, eine Menge Unschuldiger. Jetzt fing die
Denunziation so richtig an. Die Gefangenen kamen zum großen Teil in
das mächtige Zentralgefängnis in der Hauptstadt Kigali und in Mi-
lizkasernen. In den Gefängnissen, ungeheuer überbelegt, dreckig und
versäucht, starben weitere viele Gefangene an Hunger und Krankheit.
Etwa jeder achte.
Die Uno und die vielen europäischen und amerikanischen Organisationen
wollten alles klären und helfen. Aber wo anfangen. Außerdem ging
alles lasch vonstatten, denn eigentlich interessierte es sie nicht.
Die rwandische Justiz (viele im Ausland studiert) wollte nun selbst
aufklären und verurteilen. Aber was stimmt? Jeder einzelne Gefange-
ne müsste ja verhandelt werden. Also keine internationale Hilfe.
Sie sagens nur, aber es passiert nichts.

Auf einem extra Friedhof in Kigali, alles schön pompös enstan-
den, wurden Riesenkisten mit Leichen beerdigt. Die Gerichts-
verhandlungen aber werden vertagt und vertagt, weil die gegen-
seitigen Denunziationen nicht aufhören und Richter verschwinden
einfach. Praktisch regieren nun wieder mal die Tutsis, die
untereinander aber auch Machtkämpfe ausführen.

Da, wo meine Kinder lebten, war ja eine völlig abgelegene
Gegend. Denn nur an solchen Stellen sollten ja die Gesund-
heitszentren entstehen. Von den Leuten, die ich kennenlernte,
wurden fast alle getötet. Nur die Eugenie überlebte, heiratete,
zog nach Kigali; die Stadt, die sie vorher nie gesehen hatte.
Sie hat inzwischen zwei Kinder, lebt in einer der größeren
Hütten mit ihrer Familie und arbeitet als Schwester im dortigen
Zentralkrankenhaus. Sie wurde finanziell von bekannten Deutschen
unterstützt. Das Geld wurde durch andere Bekannte der Botschaft,
die recht bald nach dem Massaker wieder zurückgingen, ihr gegeben.
Wieland bezahlte ihr damals, als er mit seiner Familie wegen
Malaria Tropika Rwanda verlassen mußte, der Eugenie die Schwes-
ternausbildung. Das war, als der Krieg noch nicht begonnen
hatte. Es kostete Wieland wenig Geld und half doch so enorm.

Februar 1998
Selma Giebel

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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  1. Ruanda – Besuch bei einer Genozid-Überlebenden – Wieland Giebel

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