Elisabeth Mara. Primadonna an der Lindenoper

Dieser Beitrag beginnt mit einem Überblick zum Leben, der Bedeutung und meiner Beziehung zu Elisabeth Mara. Es folgen Links zu meiner 46-Minuten Sendung im Deutschlandfunk über Mara sowie Links zu zwei Büchern über sie. Den Abschluß bildet ein längerer Text, nämlich mein (gekürzter) Vorspann zu ihrer Biografie „Die Mara – Das Leben einer berühmten Sängerin.“
((In diesem Text hier können leichte inhatliche Fehler sein, weil ich ihn am 3. Mai 2024 aus dem Kopf geschrieben habe. Ich korrigiere das in den kommenden Tagen.“))

Recht ausführlich ist auch der Wikipedia-Eintrag zu Elisabeth Mara.

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Elisabeth Mara (1749-1833) gehört an die Staatsoper Unter den Linden. Dort, in der Königlichen Hofoper, begann die europäische Karriere dieser außergewöhnlichen Sängerin. Deswegen veröffentliche ich hier, was es dazu gibt, was ich geschrieben und zusammengetragen habe. Elisabeth (damals noch) Schmehling kam nach Sanssouci und musizierte sechs Wochen lange für und mit Friedrich dem Großen. Die junge Frau brachte Glanz in sein Leben. Noch konnte er Flöte spielen. Bald war Schluß damit, weil ihm die Zähne ausfielen. Eigentlich wollte der König seine geliebte Hofoper Unter den Linden gerade an einen italienischen Opernunternehmer verkaufen. Er hatte keine Freude mehr daran. Mit dem Erscheinen der jungen Sängerin änderte sich das.

In Berlin war das Publikum begeistert von ihr – die italienischen Kastraten allerdings nicht. Mit Elisabeth setzte das Ende ihrer Dominanz ein. In Berlin traf sie Baptist Mara, einen Cellisten. Sie heirateten. Er wußte, wie man Frauen glücklich macht. Der Musikkritiker Charles Burney dazu: „Unsere Schmehling heiratet einen Trunkenbold.“ Nach wenigen Jahren voller Erfolge wollte die beiden aus Preußen fliehen, wurden erwischt, zurückgebracht, schließlich gelang die Flucht. Elisabeth hatte bereits ihren Vater und Musikmanager mit fürstlichen 6000 Talern abgefunden. Sie wurde auch Baptist Mara überdrüssig, schickte ihn in den Wind, fand ihn großzügig ab und nahm sich einen jüngeren Liebhaber, Florio. In der Karibik hatte er die Güter seines Vaters zu betreuen. Mara wollte ihn besuchen. Daraus wurde nie etwas. Ich bin seinen Spuren in der Karibik gefolgt. Das war interessan, bringt abr nichts für diese Geschichte.
Ihre europäische Karriere begann. Marie Antoinette wollte sie an der der Oper in Paris hören, jedenfalls nicht die Todi aus Portugal, Maras Konkurrentin, die von Maria Antoinettes Mann protegiert wurde, König Ludwig XVI. Mara beobachtete, wie Marie Antoinette zum Galgen geführt wurde.
In London hatte sie ihre größten Erfolge als Händel-Sängerin, also Solistin vor einem Chor von 2000 Sängerinnen und Sängern. Sie wurde so reich, wie sie es sich seit ihrer Kindheit immer wieder projeziert hatte. Damals, mit zwölf Jahren, erlebte sie als arme Maus, wie eine deutsche Sängerin in eleg anter Kleidung durch den Saal rauschte. „So will ich auch sein.“
In Venedig rief das begeistete Publikum „Viva la Mara“ und ließ Tauben aufsteigen – so schildert sie es in ihren Memoieren. Die habe ich zusammen mit unzähligen Briefen und weiteren Unterlagen wie ihrem Testament im Stadtarchiv Reval (Tallin) gefunden. In Reval verbrachte sie als Gesangslehrerein ihren Lebensabend, nachdem ihr Anwesen in Moskau mit dem Vorrücken Napoleons verbrannt war.
Zu ihrem 80. Geburtstag schenkte Johann Wolfgang Goethe ihr ein Gedicht. Er kannte sie schon als junge Sängerin, stand aber mehr auf einer ihrer damaligen Konkurrentinnen, Corona Schröter.

Ich habe zwei Bücher über Elisabeth Mara neu aufgelegt, eine Sendung im Deutschlandfunk über ihr Leben gemacht und dafür gesorgt, dass in Berlin eine Straße in der Nähe der Oper nach ihr benannt wurde. Wie bin ich überhaupt auf Mara gekommen? Sie hing bei uns in Kassel im Wohnzimmer und guckte mich von oben immer etwas böse an. Ich konnte sie nicht richtig leiden. Meine Eltern wußten nur, dass sie eine in Kassel geborene bedeutende Sängerin war und es dazu einen Eintrag in Meyers-Konservationslexikon gab. Als mein Vater tot war und meine Mutter ein neues Auto haben wollte, verkaufte sie das Gemälde ans Stadtmuseum Kassel. Mara war in ärmsten Verhältnissen in Kassel geboren und wurde von ihrem Vater als Wunderkind durch Europa geschleppt. Einmal mußte sie alleine von London nach Holland segeln, um sich Geld zu leihen, um den Vater aus dem Schuldturm auszulösen.
Das Stadtmuseum Kassel jedenfall veranstaltet eine musikalische Lesung. Erst dadurch wurde mir die Bedeutung von Elisabeth Mara klar – und der Bezug ihres Leben zu so vielen Fragen heute.
Ich dachte dann, ich mache mal, was Friedrich der Große immer zum Geburtstag seiner Mutter machte, er schrieb eine Oper, ein Pasticcio, eine Art „Best of …“ aus bestehenden Opern. Meine Mara-Oper ist fertig. Sie war geplant für den Berlin Story Salon Unter den Linden in den Kaiserhöfen. Dort fanden abendliche Dinner-Shows zu den Zwanzigerjahren statt. Aber eigentlich hatte ich das ganze Projekt angeschoben, um dort die Oper auf die Bühne zu bringen – einschließlich Friedrichs Lieblingsgericht Polenta. 2008 kam die Weltfinanzkrise, die Menschen gaben deutlich weniger aus, der Berlin Story Salon ging pleite.

Jetzt könnte Maras Neustart kommen.



Link zu meinem 46-Minuten Beitrag im Deutschlandfunk über Elisabeth Mara:



Autorin: Rosa Kaulitz-Niedeck
Herausgeber: Wieland Giebel
ISBN: 978-3-86368-045-9
Umfang: 368 Seiten, 190 x 120 mm, gebunden
Preis: 19.80 €

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Elisabeth Mara faszinierte ein halbes Jahrhundert lang ganz Europa. Ihr Leben war skandalumwittert und eigenwillig. Elisabeth Mara war die Diva des 18. Jahrhunderts, die Callas einer Epoche größten höfischen Glanzes und einschneidender politischer Veränderungen. Sie sang vor Marie-Antoinette und Napoleon, sie erlebte höchste Ehrungen in Italien. In London war sie der Star der Oper, in Moskau wurde sie von Zar Alexander I. umworben. Dieses Buch räumt mit der Legende auf, dass auf Schloss Sanssouci keine Frauen waren. Die Historiker haben die Geschichten nur unterschiedlich abgeschrieben, es kömmt darauf an, die Quellen zu studieren.

• viele unbekannte Gemälde der Sängerin, viele Abbildungen, die die damalige Musiklandschaft um König Friedrich den Großen illustrieren, im Anhang die Autobiografie der Mara, tabellarischer Lebenslauf, Kritikerstimmen der damaligen Zeit, Briefe, Notenblätter und diverse historische Quellen.

GUILLERMO GARCÍA CALVO, Generalmusikdirektor der Städtischen Theater Chemnitz, bespricht „Die Mara“ in der Sonntagsausgabe der Freien Presse Chemnitz am 10. Mai 2020


Autor: Oskar Anwand (Roman)
Herausgeber: Wieland Giebel
ISBN: 978-3-86368-043-5
Umfang: 308 Seiten, 190 x 120 mm, gebunden
Preis: 19.80 €

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Der Roman zur Opernsängerin. Vom armen, kranken Mädchen zur Diva des 18. Jahrhunderts: Opernsängerin Gertrud Elisabeth Mara erlebte einen unvergleichbaren Aufstieg. Nachdem sie Friedrich den Großen mit Arien bezauberte, befahl er sie sechs Wochen lang jeden Tag nach Sanssouci. Durch ihren Ehrgeiz und ihr Talent wurde sie zu einer der erfolgreichsten Sängerinnen Europas. Das ist wie ein Musical-Stoff, der in Kassel anfängt, über Holland, London, Irland und Paris geht, nach Leipzig, Berlin, Venedig und Turin, nach Moskau, St. Petersburg und Reval. Sie war die Primadonna Friedrichs des Großen.



Gekürztes Vorwort zu der Mara-Biografie von Rosa Kaulitz-Niedeck:

Die Geschichte von Gertrud Elisabeth Mara ist wie vergessen. Sie kommt in den aktuellen Büchern über Friedrich den Großen einfach nicht vor. Dabei war sie die Frau, die am häufigsten im Schloss Sanssouci war. Sechs Wochen lang lud Friedrich sie an jedem Abend ein. Weil er sie hören wollte, verzichtete er auf den bereits eingeleiteten Verkauf des Opernhauses Unter den Linden an einen italienischen Opernunternehmer.

Ob man ältere Bücher durchgeht wie Eberhard Cyrans „Schloß an der Spree“oder historische Romane wie „Der Meister von Sanssouci“ von Claus Back und Martin Stade oder die historischen Kriminalromane von Tom Wolf, oder auch aktuelle Bücher wie das von Jürgen Luh, „Der Große“, ein Negativporträt aus nächster Nähe gemalt, wie die FAZ meint – alle tun so, als hätte diese Sängerin in Friedrichs Leben keine Rolle gespielt, als wären keine Frauen im Schloss Sanssouci gewesen.

Einzig Johannes Kunisch widmet ihr in „Friedrich der Große – der König und seine Zeit“ einen Absatz und Eva Ziebura in ihrem Buch über Prinz Heinrich von Preußen. Bei Prinz Heinrich in Rheinsberg lernte Gertrud Elisabeth Schmeling ihren Mann Baptist Mara kennen.

Es ist unfassbar, wie Historiker abschreiben und sich nicht schämen, immer wieder die gleichen Geschichten wiederzukäuen.

Ulrich Leithold widmet in seinem in der „Anderen Bibliothek“ bei Eichborn erschienenen, schönen Hommage ein ausführliches Kapitel dem Thema „Friedrich und die Frauen“. Es kommen Friedrichs drei Jahre ältere Schwester Wilhelmine vor, mit der er eine geschwisterlich innige und lebenslange vertraute Beziehung hatte.
Gräfin Anna Karolina Orzelska wird geschildert (und durchgängig falsch geschrieben), die 21 Jahre alt war, als Friedrich sie im Alter von 16 Jahren bei einem Besuch in Dresden mit seinem Vater kennenlernte. Sie war die Tochter und gleichzeitig Mätresse von August dem Starken. Beim Gegenbesuch von August in Berlin kam Gräfin Orzelska mit, „dieses Mal ließen die beiden ihrer Zuneigung freien Lauf“, schreibt Leithold. Dorothea Ritter (16), die Tochter des Potsdamer Kantors, wird in allen Publikationen erwähnt. Mit ihr musizierte Friedrich (18) harmlos, bei ihr fand er Zuflucht vor dem schrecklichen Vater. Nach Friedrichs Fluchtversuch erfuhr sein Vater davon. Dorothea wurde sechsmal öffentlich ausgepeitscht und in das Spandauer Spinnhaus verbannt.
Später, nachdem Friedrich wegen des Fluchtversuchs der Enthauptung seines Freundes Katte hatte zusehen müssen und in Küstrin in Gefangenschaft war, lernte er während der Haftlockerung im Alter von 19 Jahren die 24jährige Eleonore von Wreech kennen und verliebte sich in sie. „Dein Sklave will ich bleiben, in Deinen Banden schmachten“. Frau von Wreech hatte bereits fünf Kinder.
Zwangsverheiratet wurde Friedrich im Alter von 21 Jahren im Jahr 1733 mit der 18jährigen Prinzessin Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern. Leithold geht auf mehreren Seiten auf diese unglückliche Beziehung ein. Neuere Forschung erläutert auch, dass sich König und Königin bei offiziellen Anlässen sogar gelegentlich – man kann sagen – formal begegneten.
Schließlich spielt Barberina ein Rolle, die italienische Tänzerin, die im Jahr 1744 im Alter von 22 Jahren nach Berlin kam. Sie durfte gelegentlich an des Königs Tafel nach Charlottenburg kommen – nicht die Königin. Für die hohen Schulden Barberinas wollte Friedrich nicht mehr aufkommen, verlängerte ihren Vertrag nicht und sie heiratete einen ihrer Verehrer. Diese Frauen kommen überall vor. Leithold soll hier nicht niedergemacht werden. Sein Buch ist gut zu lesen.

Auch in einem anderen lesenswerten und ebenfalls in der „Anderen Bibliothek“ erschienen Buch heißt es, Friedrich habe keine Frauen auf Schloss Sanssouci geduldet und nach dem Zweiten Schlesischen Krieg jegliches Interesse an der Musik verloren. Das schreibt James R. Graines in „Das musikalische Opfer“. Johann Sebastian Bach hatte Friedrich den Großen besucht, der ein Stück mit den Tönen B A C H bestellte, das Bach betitelte mit „Das musikalische Opfer“. Graines, sonst gut informiert, schreibt in dieser Beziehung also auch einfach ab.

In nahezu sämtlichen Publikationen, die zum 300. Geburtstag Friedrichs erschienen oder neu aufgelegt wurden, wird der Abschnitt von Friedrich und den Frauen ähnlich behandelt. In der aktuellen Veröffentlichung der Zeitschrift „Die Mark“ (Berlin 2011) folgt der Beitrag von Marcel Piethe den gleichen Mustern. Bei ihm fügt sich noch Anna Luisa Karsch ein, die Dichterin, die Friedrich einmal kurz begegnete. Selbst wenn ein Nachkomme aus der Hohenzollern-Familie ein Buch herausgibt, Michael Prinz von Preußen (Köln, 2011), kommt Elisabeth Mara nicht vor. Von 120 Seiten sind allein 16 den Frauen gewidmet. Hier spielt zusätzlich Maria Theresia eine Rolle, die mit 23 Jahren die Regierungsgeschäfte als Erzherzogin von Österreich und Königin von Ungarn und Böhmen übernahm. Dann Zarin Elisabeth, die im Jahr 1741 durch einen Putsch an die Macht gelangte. Schließlich Madame de Pompadour, die im Alter von 24 Jahren Mätresse des französischen Königs wurde. Diese drei Damen waren die Gegenspielerinnen Friedrichs auf europäischem Parkett. Und noch ein weiteres Beispiel: Als am 27. August 2011 die kirchliche Hochzeit des Prinzen von Preußen mit Prinzessin Sophie von Isenburg im rbb live und kommentiert übertragen wurde, hieß es in der Dokumentation zur Familie ebenfalls, dass Friedrich der Große in Sanssouci nur eine Herrenrunde hatte und als Frau überhaupt nur seine Schwester Wilhelmine eingeladen wurde.

Friedrich erkannte in Elisabeth Mara den Umschwung der Zeit. Noch zehn Jahre zuvor hatte er sich auf die italienischen Kastraten gefreut. Seinem Freund Graf Algarotti, dem schönen Schwan von Padua, schreibt er am 18. Juli 1742: „Harmonienreicher Schwan! … Der schaffende Friede ist dem Frühling gleich und der zerstörende Krieg dem Herbst, wo die Ernte und die Weinlese statt findet …“ Und dann kommt er zum Thema Oper: „Ich werde die besten Singe-Kapaune in ganz Deutschland haben.“ Friedrich spottet gegenüber seinem italienischen Freund über die häufig etwas verfetteten italienischen Kastraten. Diese werden an seiner Oper so lange die Hauptrolle spielen, bis Elisabeth kommt. Sie, die immer nach Italien wollte, nimmt deren Stil auf, aber frisch, lebendig und eben deutsch. Besonders die Opernbesucher spüren das Neue. Elisabeth singt die Kastraten an die Wand. Mit ihr verschwinden sie von deutschen Opernbühnen.

Elisabeth Mara verdiente bei Friedrich dem Großen ungeheuer viel, erst 3.000, dann 6.000 Taler im Jahr, das entsprach 144.000 Groschen. Ein Taler entsprach 24 Groschen. Ein preußischer Soldat hatte Anspruch auf acht Groschen alle fünf Tage. Nach Abzug des Verpflegungsgelds standen einem Soldaten knapp zwei Taler in der Woche zur Verfügung, 100 Taler im Jahr. Für einen Groschen erhielt man drei Pfund Brot oder auch eine Kanne Bier. Elisabeth verdiente also so viel wie 60 Soldaten. Oder anders herum gesehen: Friedrich zahlte für seine Luxuskraft so viel wie für 60 überlebenswichtige Soldaten.
Carl Philipp Emanuel Bach, der bedeutendste Komponist seiner Zeit und lange am Hof Friedrichs erhielt 300 Taler im Jahr. Glücklich war er darüber nicht. Der Philosoph Immanuel Kant erhielt etwa zur gleichen Zeit (1765) als Unterbibliothekar der Königlichen Schlossbibliothek in Königsberg 62 Taler im Jahr, später als Professor allerdings 220 Taler.

Das damalige Einkommen von Elisabeth Mara entspricht dem der großen Pop- und Klassikstars heute.

Dieses Buch von Rosa Kaulitz-Niedeck erschien 1929 im Eugen Salzer Verlag in Heilbronn. Salzer lernte in Berlin während der boomenden Gründerzeit in der Buchhandlung der Stadtmission Buchhändler und gründete 1891 mit 25 Jahren in Heilbronn seinen Buchverlag. In Berlin kam Leopold Ullstein sechs Wochen später mit der Berliner Illustrirten Zeitung heraus, bis heute Sonntagsbeilage der Berliner Morgenpost. Salzer verlegte Geschichte, Literatur, Sozialpolitik, Regionalia und religiöse Themen. Er verlegt Theodor Heuss, Hermann Hesse, baltische Literatur und Albert Schweitzer. Etwa zur gleichen Zeit wie Mara erschienen bei Salzer Bücher wie die „Heimatbider vom unteren Neckar“ – die „Geschichte vom Großvater Ledderhose“ des badischen Dichterpfarrers Karl Hesselbach oder das vom Vatikan verdammte Buch des katholischen Theologen Joseph Wittig vom „Leben Jesu in Palästina, Schlesien und anderswo“.

Im Berlin Story Verlag erschienen zahlreiche Bücher, die sich Friedrich und seiner Zeit widmen.
Direkt vor dieser Biografie kam der Neudruck des historischen Romans über Gertrud Elisabeth Mara von Oskar Anwand heraus. Gut recherchiert zeigt Anwand, wie sich zwei eigensinnige Charaktere begegnen: Die junge ehrgeizige Sängerin und der alte, zynische Monarch. Liberty! Geistige Freiheit, das verbindet die beiden. Zeitgleich kam zu Friedrichs Geburtstag „Der Alte Fritz für Jung und Alt – in 50 einprägsamen Bildern“. Dabei handelt es sich um eine brillante, gezeichnete Geschichte, witzig und zuversichtlich. Als Kinderbuch kam zuvor „Beruf König“ von Magdalena und Gunnar Schupelius heraus. Friedrich für Kinder aus heutiger Sicht. Einfach war es mit dem Buch über das Reiterdenkmal Friedrichs des großen Unter den Linden. Da möchten Besucher das Who is Who wissen, wer steht da alles auf dem Denkmal. Dabei handelt es sich um den Nachdruck zweier historischer Bände. Beim Briefwechsel Friedrichs mit Francesco Algarotti kommt man dem Denken Friedrichs nahe und man erfährt, dass Algarotti Broccoli-Samen für Friedrichs Gewächshäuser geschickt hat. Dieudonné Thiébault war zwanzig Jahre lang bei Friedrich und berichtet auf knapp 500 Seiten auch von den Brüdern und Schwestern sowie den Freunden Friedrichs an der Tafelrunde. Ernst Ahasverus Heinrich Graf Lehndorff zieht auf mehr als 500 Seiten respektlos alle Register. Er wurde im Alter von 19 Jahren an den Hof geholt und beobachtete die königliche Familie aus der Perspektive des Hofs von Königin Elisabeth Christine.

Das Erfolgreichste ist zugleich das schwierigste Werk, nämlich die Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie von Voß „Neunundsechzig Jahre am preußischen Hofe“, ein Buch für Fortgeschrittene in Sachen Preußen.Ungeschminkt und nicht zur Veröffentlichung geschrieben, beschreibt sie ganze Epochen vom Soldatenkönig, also dem Vater Friedrichs, über die friderizianische Zeit, die gesamte Zeit von Königin Luise bis schließlich zum Wiener Kongress.
„Friedrich komplett“ könnte man sagen. Die Bücher des Berlin Story Verlags beleuchten viele Seiten Friedrichs des Großen.

Andere Bücher des Berlin Story Verlags begründen die Schelte, dass Historiker faule Säcke sind. Elisabeth Kloosterhuis untersuchte für „Soldatenkönigs Tafelfreuden“, einem Buch über die Küche und die Rezepte am Hof von Friedrichs Vater Friedrich Wilhelm I., die noch erhaltenen Küchenzettel. Die Köche mußten genau Rechenschaft ablegen. Wo findet man solche Unterlagen? Im Geheimen Preußischen Staatsarchiv. Diese Zettel sind aber schwer zu lesen. Mit Schreiben hatten es die Köche nicht so. Die deutsche Sprache war nicht vereinheitlicht. Viele Köche waren in anderen Sprachen Zuhause. Es war also für die Autorin eine mühsame, zeitaufwendige Forschungsarbeit. Und sie hat mit ihren Ergebnissen Geschichte geschrieben. Der Soldatenkönig galt als Geizhals. Tatsächlich war es aber so, wie die Originaldokumente belegen, die königlichen Küchenzettel und Einkaufslisten, dass er zahlreiche Gaumenfreuden von teilweise weit her importieren ließ. Ob Historiker deswegen ihre festgefahrene Meinung ändern erscheint fraglich.
Nur noch ein weiteres Beispiel: Auf der Suche nach Quellen über die Besatzung Berlins durch Napoleon im Jahr 1806 stießen Michaela Schönheit und Arne Krasting mit Hilfe von Sabine Preuß vom Landesarchiv Berlin auf einen bisher unveröffentlichten Text des Kammerdieners Tamanti, eines Italieners im Dienste von Friedrich Wilhelm III. Tamanti führte Napoleon einen Monat lang durch Berlin und Potsdam. Der Bericht lag handschriftlich vor. Niemand hatte dieses wertvolle Dokument bisher transskribiert. Michaela Schönheit übernahm das für den Berlin Story Verlag.

Dieses Buch, eine eigentlich nicht unbekannte, gut aufgearbeitete und nicht schwer zu findende Quelle, wird Gertrud Elisabeth Mara wieder in die aktuelle Geschichtsschreibung einführen und Friedrich den Großen vom Vorwurf entlasten, er habe keinen Frauen in Sanssouci geduldet. Historiker, die sich Mara annehmen möchten, könnten zum Beispiel ins Stadtarchiv von Reval (Tallin) gehen. Dort in der Gerichtsstraße 8 liegt ein umfangreiches Konvolut mit handschriftlichen Aufzeichnungen Gertrud Elisabeth Maras, mit ihrem handschriftlichen Testament, mit vielen Hinweisen auf ihre langen Jahre in Reval und auf dem Anwesen der Kaulbars.

Ich bin unter dem Gemälde von Gertrud Elisabeth Mara aufgewachsen, das auf dem Cover dieses Buchs abgebildet ist. Es hing bei uns im Wohnzimmer gleich neben der Fernsehtruhe von Neckermann mit einem kleinen schwarz-weiß Fernseher, UKW-Radio und 10-Platten-Wechsler. Mara sah immer von oben herab. Sie guckt nicht böse. Aber respekteinflößend. Sehr lange Zeit wusste ich nichts von ihr außer dem kurzen Ausschnitt aus Meyers Konversationslexikon aus dem Jahr 1896. Der Großvater meiner Mutter hatte das Gemälde erworben, Rudolph Fenner. Er war Landgerichtsrat, zeichnete selbst und kaufte gelegentlich, nicht gezielt, Gemälde. Als mein Vater starb und meine Mutter ein neues Auto brauchte, verkaufte sie Mara für einige tausend Mark. So gelangte Mara ins Stadtmuseum Kassel am Ständeplatz. Dort hängt sie jetzt immer noch, etwas um die Ecke, aber ganz gut präsentiert.

Das Museum beauftragte Ruth Stummann-Bowert, etwas über sie herauszufinden. Am 22. Januar 1992 fand eine Veranstaltung mit einer Lesung aus Maras Autobiografie und mit Musikstücken statt, ihren Lieblingsstücken.

Ich war auf dem Weg zur Veranstaltung so sauer auf meine Mutter, weil sie das Gemälde verkauft hatte, dass ich gar nicht mit ihr sprechen konnte. Dann, während der Lesung, während des Gesangsvortrags von „I know that my redeemer liveth – Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ durch die Sängerin Christel Nies, fiel diese Beklemmung völlig von mir ab und mir wurde bewußt, dass ich meiner Mutter dankbar sein sollte, dass Gertraud Elisabeth Mara nicht mehr verschlossen im Wohnzimmer hing, sondern der Öffentlichkeit gehörte. Dass Mara im Stadtmuseum landete, erwies sich als Glücksfall. Ruth Stummann-Bowert arbeitete weiter und suchte Quellen.

Seit diesem Tag sammelte ich alles über Mara, begab mich auf ihre Fährte, höre ihre Musik und schrieb dann im September 1994 für Deutschland Radio Berlin eine Ein-Stunden-Sendung mit viel Musik über Mara.

Dann ging es im Oktober 2003 weiter. Die Buchhandlung Berlin Story befand sich zu jener Zeit Unter den Linden 10 an der Ecke Charlottenstraße, dem historischen Standort des Gasthofs Stadt Rom, dem späteren Hotel de Rôme. Ein Vorläufer dieses Gebäudes gab es seit 1755. Die Berlin Story mietet die Etage über der Buchhandlung, das Paradegeschoss, errichtete eine Ausstellung zur Geschichte Berlins und bereitete eine Bühne vor. Eine kleine Oper sollte in diesem Haus im Jahr 1775 spielen: Zum zwanzigjährigen Bestehen des Gasthofs, so das Libretto, lud der Wirt Gertrud Elisabeth sowie Baptist Mara und weitere Sängerinnen ein. Sie war zu der Zeit ,1755, bereits vier Jahre in Berlin an der Königlichen Hofoper. Im Februar 2004 schrieb ich das Libretto für vier Sänger und drei Musiker, genau auf die Geschichte dieses Gebäudes hin konzipiert. Mit der Musik war es ganz einfach, denn da konnte man die schönsten und am besten passenden Stücke von Friedrich dem Großen, Carl Heinrich Graun, Johann Adolph Hasse sowie von Elisabeths Gegenspieler auf der Bühne, dem Kapellmeister Johann Friedrich Reichardt ausschlachten. Das gibt es alles auf CD. Dieses Ausschlachten und neu Zusammenstellen gab es damals auch schon, es hieß nicht „Best of Friedrich, Graun und Hasse“, sondern Pasticcio, eine Oper, deren Musikstück von verschiedenen Komponisten zusammengeklaubt ist. Urheberrechte waren damals

Es wurde also eine schöne Wirtshausoper mit Remmidemmi, dramatisch und volkstümlich, wie es die Opera Seria liebt. Tugend und Niedertracht, Macht und Ruhm, Liebe und Spott.

Die dänisch Produktionsleiterin Anne Zacho Søgaard fing im September 2004 an, das Stück bühnenreif zu machen und die Premiere für Mai des kommenden Jahres anzukündigen. Im Oktober 2004 wurde der Berlin Story gekündigt, weil das Haus verkauft wurde. Schluss mit Oper.

Das Libretto hatte ich im Februar 2004 in der Karibik geschrieben. Ich wollte mir vorstellen können, wie es für den Mann war, dem Gertrud Elisabeth Mara mehrere Jahrzehnte verbunden war, Henry Bouscaren St. Marie, der französische Adelige, 15 Jahre jünger als Mara, mit dem sie in London eine Affäre hatte und der sich dann um die Besitzungen seines Vaters in Martinique und Guadeloupe kümmern musste.

Die Inseln waren damals und sind heute französisch, sie gehören jetzt zur EU, man zahlt mit Euro, es werden für die arbeitslosen Jugendlichen entsprechende Sozialprogramm aufgelegt und es gibt französische Billigflieger. Damals ging es brutal und blutig zu. Es gab Sklaven und Sklavenaufstände, Briten kämpften gegen Franzosen und setzten dabei gnadenlose Piraten ein. Mara verschmerzte den Verlust Bouscarens, tröstete sich mit ihrem Liebhaber Florio und war auch noch gelegentlich mit ihrem Mann zusammen.

Der nächste Anlauf Richtung Oper nahm sich wesentlich besser aus. Die Berlin Story befand sich in den Kaiserhöfen Unter den Linden, hatte ein eigenes, sehr schönes, weithin gelobtes Theater, eine wundervolle, technisch gut ausgestattete Bühne, auch eine Küche, damit Dinner-Shows laufen konnten. Das Stück war fertig, ebenso die friderizianische Menüfolge mit Kartoffelsuppe, Polenta, Ananas (wurde damals in den Gewächshäusern in Sanssouci gezüchtet) und zum Abschluss Kaffee mit Senf. Genau zu Friedrichs 300stem Geburtstag sollte Premiere sein – aber wieder mußte die Berlin Story aus den Räumen.

Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, sang Mara und verließ sich nur auf ihre eigene Kraft. Ihr Ziel von Kindheit an fest vor Augen: Ob ich jemals so dahergehen würde wie sie…