10 Ipoh/Malaysia bei Tyra – Asien im Februar 2020

Ich fliege von Bangkok – hier ist der Flughafen – nach Kuala Lumpur und fahre von dort zwei Stunden mit der Bahn nördlich weiter nach Ipoh. So hatte ich mir das gedacht. „Heute ist doch Freitag.“ Es dauert etwas, bis ich am Schalter verstehe, dass am Freitag alle Züge ausverkauft sind. Also fahre ich mit dem Bus. Mit Google „Standort teilen“, damit Tyra weiß, wann ich ankomme.
Ipoh habe ich 1999 grau und arm erlebt – jetzt ist die Stadt jung und bunt. Und mit Kopftuch.
Viele schöne Häuser aus der Kolonialzeit sind erhalten, weil zum Glück kein Geld da war, sie abzureißen.
Traditionen leben auf, die verschollen waren. Und fotografiert wird in der Altstadt, nicht im Nobelhotel.
Doch jetzt der Reihe nach: Von Bangkok nach Kuala Lumpur ist es nicht weit. Der Flug geht an der Küste entlang.
Super Wetter, Fensterplatz. An der Küste entlang.
Gummibäume, drei kurze Videos. Es sind schier unendliche Plantagen.
Die eine Cousine sagt, daraus werden die zartesten Präservative hergestellt; die andere meint, es werden die geschmeidigsten Gummihandschuhe produziert. Jetzt jedenfalls, zu Corona-Zeiten, kann Malaysia kaum genug Kautschuk liefern.
Die Baumstämme werden angeritzt und in kleinen Gefäßen wird das Naturkautschuk Tröpfchenweise aufgefangen.
Gut für die Plantagen, dass es kräftig regnet. Die Regenzeiten sind in Malaysia noch zuverlässig.
Meine Familie [ein Teil von 220 Cousins und Cousinen]: Amir, Ismariah, Yashir, Wieland und Tyra.
Das war 1999. Tyra im roten T-Shirt und ich im weißen Hemd. Zehn Tage sind wir dann zusammen durch Malaysia gefahren, um Familienbesuche abzustatten. Ich war der Erste aus Deutschland, als sozusagen eine Erscheinung aus der Vergangenheit. Wir hatten eine sehr tolle Zeit! Viel Quatsch gemacht.
Die Hochzeit 2013. Das war eine große Nummer – also aus unserer schlichten europäischen Sicht. Mehrere hundert Hochzeitsgäste bei der ersten Feier mit den Verwandten von Tyra …
und zwei Wochen später wieder eine Hochzeitsfeier mit mehrere hundert Gästen, den Verwandten von Yashir.
Und das ist 2016 im Bunker.
Noch etwas weiter zurück in der Geschichte. Das ist Jack Fenner, unser Vorfahr, mit seiner Frau und dem ersten Kind. Die Frau war 13 Jahre alt, als er sie heiratete? Weiß ich nicht genau, als er sie beim Glücksspiel gewann, also einem Chinesen seine Tochter abnahm. Er hatte (mindestens) eine Zinn Mine und wie man sieht einen Rolly Royce Silver Ghost. So ein Auto hatten alle:) Dazu kommen wir noch.
Ausfahrt mit einem Kumpel. In einem der Zinn-Minen Museen, in dem ich bei diesem Besuch nicht war, hängt dieses Foto von ihm. Ach ja, noch eins. Er hatte ganz vergessen, dass er in Australien auch noch eine Frau und zwei Kinder hatte, als er 1907 nach Malaia kam. Sein Vater war 1860 aus der Schwalm im nördlichen Hessen im Alter von 19 Jahren via Liverpool mit dem Segler nach Australien gekommen, um Gold zu schürfen.
Jack Fenner (rechts mit Schirm) wusste auch schon in Australien zu leben, 1904 Swanriver in Perth.


Noch eine Generation zurück: Johannes (John) Fenner (sitzend), geboren in Niedergrenzebach in der Schwalm am 10. Februar 1841, gestorben in Ballarat in Victoria (Australien) am 13. Juli 1923, wanderte 1860 nach Australien aus, also im Alter von 19 Jahren, war zuerst Goldgräber 1866 in Coolgardie, dann Farmer in Ballarat bei Perth. In Australien heiratete er 1875 Mary Thomas aus Wales, die er auf dem Segelschiff von Liverpool nach Australien kennengelernt hatte. Einer seiner Söhne, der jüngste, Thomas Richard Leonard, fiel am 29. August 1916 im Ersten Weltkrieg in Flandern.
Zurück ins Heute, zurück zu Tyra. Stadtrundgang …
… mit meiner Cousine Tyra …
… und ihrem Mann Yashir.
Hakka Miner’s Club, das war der Versammlungsort der Zinnarbeiter, die im 19. und 20. Jahrhundert aus dem Südosten China kamen, das Volk der Hakka. Sie versuchten, hier ihr Glück zu machen. Wenigen gelang es.
Auch 1940 sieht noch alles nach Handarbeit aus.
Wie in Familienverbänden aßen die Hakka zusammen – eine Art Landsmannschaft.
Zinn suchen, im Urwald mit Schlangen und Mücken ein unbarmherziges Geschäft.
Bis 1960 wurden Bohrungen mit der Hand vorgenommen.
Wozu braucht man eigentlich Zinn? Für Konserven, Gefäße, Spielzeug, Öllampen.
Und für Leiterplatten. Heute aufgrund der fortgeschrittenen, komplexeren Elektronik etwas weniger, aber bis nach 2000 noch in großen Mengen.
Das Erz wurde wiederholt gesiebt und gereinigt, dann in einem Holzofen (später elektrisch) geschmolzen, in Eimer gegossen und zum Transport vorbereitet.
Schürfen war Frauenarbeit.
Aber auch im weiteren Verarbeitungsprozess waren Frauen tätig.
In der Verpackung und beim Transport.
Wie überall, wo Frauen in der Produktion tätig waren oder sind, steigt ihre gesellschaftliche Anteilnahme, ihr Selbstbewusstsein und ihr Einkommen – mit eigenem Fahrrad.
Ankauf von Zinn in kleineren Mengen.
Die vier Übel: Opium, Zocken, Prostitution und die Triaden
Verkauf von Opium
Tyra beim Chillen in der Opiumhöhle.
Und so muss es gewesen sein, wie Jack Fenner beim Spiel einem Chinesen seine Tochter abgezockte und ich zu meiner Familie kam.
Die Hakka, erläutert die Guide einer NGO, die hier die Führungen organisiert, seine die Juden Chinas gewesen: Vertreiben und misshandelt.
Immer wieder habe es Vertreibungen und Verfolgungen der Hakka in China gegegeben.
Ein Teil der Hakka sei aber zu relativem Wohlstand gekommen.
Symbol des Wohlstands sei auch ein Blaupunkt Radio gewesen.
Trachten und Gebräuche wurden mitgebracht.
Viele kamen ohne einen Pfennig, auf Booten wie Ölsardinen zusammengequetscht, mit einem Hemd, einer Hose, keinen Schuhen. Das, so die Guide, sei aber 1932 in Ipoh normal gewesen, keine Schuhe zu tragen. Andere kamen mit einem geflochtenem Korb, in dem sich ihr Hab und Gut befand. Sie hatten keine Vorstellung von Malaya.
Aus dem Jahr 1926 ist das Reisetagebuch eines Mannes aus einer eher wohlhabenden Familie erhalten. Er berichtet von der mehrere Tage andauernden Passage mit dem Segelboot, von den Stürmen, wie die Menschen und Gepäck durcheinander geworfen wurden, wie die Kleidung vollgekotzt wurde und es wie Hölle stank.
Eine Gesellschaft von Glücksrittern MUSS den neu erworbenen Reichtum zur Schau stellen.
Es waren offensichtlich nicht nur Einzelne, die wohlhabend oder reich geworden sind.
Irgendwo muss der Zaster ja vorübergehend untergebracht werden.
Ismariah und Amir zeigen mir die Kinta Zinn Mine in der Nähe von Ipoh – auch ein privates Museum.
Noch etwas weiter steht diese Anlage, die in den 1960er Jahren in Betrieb genommen wurde.
Das Erz wird gecrashed, zerkleinert und auf Schiffe verladen.
Am nächsten Morgen, am 1. März 2020: Ein wichtiger Tag für Yashir. Seine Partei kommt wieder an die Macht.
Good bye Ipoh. See you next time. Mit Scoot nach Singapur.

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